Wen interessieren schon die Klimaverbrechen der Militärs?

Dass das Militär zu den größten Klimaschädlingen überhaupt gehört, hat sich noch nicht überall herumgesprochen – trotz Beiträgen auch auf dieser Website. Und interessiert auch offenbar nur wenige. Jedenfalls besuchten am Donnerstag nur knapp zwanzig Leute die Veranstaltung der Konstanzer Friedensinitiative zum Thema „Klimakiller Militär“. Liegt das vielleicht am ramponierten Ruf der Friedensbewegung, die oft in die rechte Ecke gesteckt wird?

Wie rechts ist eine Friedensinitiaitive, die sich den Flüchtlingstreff Café Mondial als Veranstaltungsort ausgesucht hat? Was wie eine alberne Frage klingt, hat einen realen Hintergrund – wie Doris Künzel in ihrer Einleitung zur Präsentation von Mike Schluroff, Roland Didra und Helmut Luz der Konstanzer Friedensinitiative anmerkte. Hier der nur leicht gekürzte Beitrag von Künzel, die seit 2015, dem Jahr der sogenannten Flüchtlingskrise, im Café Mondial aktiv ist:

„Wie Sie vielleicht wissen, haben wir in der Vergangenheit zum Thema Klimawandel – auch als eine der Fluchtursachen – mehrere Vorträge mit den Gruppen „Fridays for Future“ und der „Letzten Generation“ hier im Café gehalten.

Im Vorfeld zu dieser Veranstaltung „Klimakiller Militär“ ist mir aufgefallen, dass es gerade bei jüngeren Leuten eine gewisse Distanziertheit, ja ein Misstrauen gegenüber diesem Thema und der Friedensinitiative Konstanz als Veranstalterin gibt. Ich habe deshalb nachgefragt, und es wurde mir gesagt, dass die Friedensbewegung doch eher rechts gerichtet sei. Pace-Fahnen würden bei AfD-Demos gesehen, auch seien bei diesen Aufmärschen Querdenker und Esoteriker dabei, die für Frieden mit Russland eintreten.

Ich gebe zu, dass ich über solche Aussagen zur Friedensbewegung einigermaßen erschüttert war. Nach längerem Nachdenken konnte ich sie aber auch nachvollziehen. da es zur deutschen Friedensbewegung und ihren aktuellen Forderungen so gut wie keine Informationen in den Medien gibt, während es die Rechten mit der AfD ganz offensichtlich geschafft haben, das Thema Frieden in der Öffentlichkeit zu besetzen.

Seit über vierzig Jahren links

Dazu möchte ich klarstellen, dass die deutsche Friedensbewegung und die Friedensinitiative Konstanz, die es seit mehr als vierzig Jahren gibt, absolut nichts mit diesen AfD-Anhänger:innen und diesen sogenannten Friedensaktivist:innen zu tun haben. Im Gegensatz zu deren verschwurbelten Friedensforderungen hatte und hat die Friedensbewegung seit jeher ganz klare Forderungen und Ziele.

Dazu gehören unter anderem
– die weltweite Rüstungskontrolle und den Abbau von Rüstung
– die weltweite Beseitigung von Atomwaffen
– keine Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete
– und der Umbau der Rüstungsproduktion in zivile Produktion.

Die deutsche Friedensbewegung und die Friedensinitiative Konstanz sind 1980 nach dem Nato-Doppelbeschluss entstanden. Sie richteten sich gegen einen atomaren Rüstungswettlauf zwischen der USA und der Sowjetunion und die Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen, den Pershing II, in Deutschland. Damals wurde die Gefahr eines Atomkriegs gesehen, weshalb die Friedensbewegung in Deutschland einen enormen Zulauf erhielt: Hunderttausende Menschen gingen auf die Straße, es gab zahlreiche Aktionen, Friedenscamps und Sitzblockaden. Die Friedensinitiative Konstanz besetzte seinerzeit beispielsweise den (in der Nachkriegszeit vom französischen Militär genutzten) Bettenberg und erklärte ihn zur atomwaffenfreien Zone erklärt [siehe Bild].

Rund eine halbe Million Menschen fand sich allein 1981 im Bonner Hofgarten ein, um gegen die Stationierung der Pershing II zu demonstrieren. In dieser Zeit entstand auch die Grüne Partei als Umwelt- und Friedenspartei.

Der Konstanzer Friedensinitiative ist es zu verdanken, dass sich auch die Stadt Konstanz zur atomwaffenfreien Zone erklärt hat und dass die Stadt der weltweiten Bewegung „Majors for Peace“ (Bürgermeister für den Frieden) beigetreten ist.

Massive Zerstörungen, hoher Rohstoffverbrauch

Ich selbst war jahrelang Mitglied der Friedensinitiative Konstanz, bevor ich meinen Schwerpunkt auf die Flüchtlingsarbeit legte. Als Sozialarbeiterin in den Konstanzer Flüchtlingsunterkünften lag der Zusammenhang von Krieg und Flucht täglich vor meinen Augen.

Die beiden Kriege im Irak 1991 und 2003, der Afghanistankrieg, die Bürgerkriege in Sri Lanka und Angola, der Krieg der Türkei gegen die Kurd:innen, die Kriege in Syrien, in Libyen, dem Jemen und die Balkankriege trieben und treiben Millionen Menschen in ihre Nachbarländer, nach Europa und auch nach Konstanz. Beim letzten Krieg in Europa, dem Krieg 1999 um den Kosovo, war erstmals nach dem Zweiten Welkrieg auch Deutschland mit der Bundeswehr beteiligt. Deutsche Soldaten bombardierten die Städte Belgrad und Novi Sad in Serbien. Auch dieser Krieg war ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg.

Nicht nur, dass Kriege Millionen von Toten und Flüchtlingen zur Folge haben, sie hinterlassen auch massive Zerstörungen, vergiften ganze Landstriche und Gewässer (wie etwa im Irak) und belasten die Umwelt und das Klima. Sie verbrauchen enorme wertvolle Rohstoffe und die Kosten für die weltweite Aufrüstung und das Militär sind obszön hoch.

Milliarden hier – Peanuts dort

Dazu ein kurzer Vergleich: Zu den 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Aufrüstung der Bundeswehr, welche die Bundesregierung jetzt spontan beschlossen hat, kommen in Deutschland jährlich 56 Milliarden Euro für den ganz normalen Rüstungshaushalt hinzu. Als Bundeskanzler Olaf Scholz Anfang des Jahres Brasilien besuchte, hatte er für die Rettung des Regenwaldes im Amazonasgebiet gerade einmal ganze 35 Millionen Euro dabei.

Die Flutkatastrophe in Pakistan letztes Jahr, bei dem ein Drittel des Landes überschwemmt wurde, 1700 Menschen starben, und acht Millionen Menschen fliehen mussten, verursachte Schäden in Höhe von 15 Milliarden US-Dollar. Gerade einmal lapidare 8 Milliarden US-Dollar wurden jetzt Pakistan bei einer Internationalen Geberkonferenz in Genf versprochen. Und hier in Deutschland gibt’s spontan 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Aufrüstung.

Weltweit wurden nach Berechnungen des Friedensforschungsinstituts SIPRI in Stockholm 2021 über zwei Billionen US-Dollar für Rüstung ausgegeben. 801 Milliarden davon allein von den USA, 293 Milliarden US-Dollar von China, 65 Milliarden von Russland und 56 Milliarden von Deutschland.

Ich frage mich, was wir mit diesem Geld anfangen könnten, um das Klima zu retten und den Hunger und die Fluchtursachen in der Welt zu beseitigen.

Text: Doris Künzel
Bild: Privatarchiv Doris Künzel