Weniger Premieren, mehr Politisches
Wird Christoph Nix altersweise? In der Spielzeit 2016/17, seiner elften in Konstanz, lässt es der Intendant des Konstanzer Theaters ruhiger angehen und präsentiert sechs Premieren weniger als sonst, wurde bei der gestrigen Programm-Vorstellung bekannt. Aber wird es darum auch ruhiger ums Stadttheater? Mitnichten, denn die Programmfolge ist eher noch politischer als sonst, wie unsere kleine, unvollständige Programmvorschau zeigt.
Die Rassen
Das Stück von Ferdinand Bruckner über den Antisemitismus und die Anfänge der Nazis hat die Schweizer Regisseurin Barbara-David Brüesch, die das erste Mal in Konstanz Regie führen wird, ausgegraben. Die Geschichte einer 1933 zerbrochenen Liebe zwischen einer Jüdin und einem Nazi wollen die Theaterleute durchaus als Warnruf gerade angesichts der aktuellen AfD-Wahlerfolge verstanden wissen.
Premiere ist am 20. Januar 2017 am Stadttheater.
Wilhelm Tell
Damit Schweizer nicht nur zum Einkaufen nach Konstanz kommen, spielt das Theater als Freilicht-Aufführung die Geschichte des Schweizer Helden Wilhelm Tell von Friedrich Schiller. Keineswegs angestaubt sei die Story, meinen die Dramaturgen, sondern ein Lehrbeispiel für Widerstandskraft einer Bevölkerung gegen die Obrigkeit. In Kooperation mit der Süddeutschen Philharmonie soll der Klassiker auf dem Münsterplatz aufgeführt werden.
Premiere ist am 23. Juni 2017 auf dem Münsterplatz.
Angst essen Seele auf
Rainer Maria Fassbinders berühmtestes Stück ist eine Auseinandersetzung mit der ersten Welle fremder Neuankömmlinge in Deutschland, den „Gastarbeitern“. Wie auch heute waren Vorurteile, Fremdenhass und Anfeindungen vor allem aufseiten der Einheimischen weit verbreitet. An solchen Vorurteilen zerbricht schließlich die rührende Liebesgeschichte zwischen der deutschen Witwe und dem afrikanischen Jüngling.
Premiere ist am 11. Februar 2017 in der Spiegelhalle.
Gomorrha
Roberto Saviano, auf dessen Buch über die italienische Mafia dieses Stück fußt, haust seit zehn Jahren unter Polizeischutz in einer italienischen Kaserne – aus Angst vor den Morddrohungen der Camorra. Auch der Umgang mit der Mafia nicht nur in Italien, sogar im Thurgau, sei ein politisches Lehrstück in Zeiten lebensverbrauchender Ökonomie, schreiben die Theaterleute im Programmheft.
Premiere ist am 8. April 2017 in der Spiegelhalle.
Der gute Mensch von Sezuan
Endlich mal wieder Brecht: Muss der Mensch sich nach den Verhältnissen richten oder kann der Mensch die Verhältnisse ändern? Brechts chinesische Parabel über Solidarität und Gerechtigkeit mit dem später berühmten Satz „Denn die Verhältnisse, die sind nicht so“ passt so recht in die politische Landschaft nicht nur des Theaters, nicht nur von Konstanz.
Premiere ist 24. März 2017 im Stadttheater.
Terror
Jurist triff auf Juristen: Der Strafverteidiger Ferdinand von Schirach greift in seinem Stück über den fiktiven Abschuss eines Passagierflugzeuges, das in ein vollbesetztes Stadion gelenkt werden soll, die aktuelle Problematik von Terroranschlägen auf. Der Juraprofessor Nix führt Regie und das Publikum wird zum Richter – es schlüpft am Ende in die Rolle der Geschworenen und fällt das Urteil.
Premiere ist am 6. Mai 2017 im Stadttheater.
Und dann wird noch Euripides und Tschechow gespielt, Beckett und Molière. Keine Frage, Konstanzer TheaterfreundInnen steht eine spannende, nicht nur politische, Spielzeit bevor. Mit berühmten Regisseuren (so wird Neil LaBute erstmals im nicht englischen Sprachraum inszenieren), mit wie immer begeisternden Schauspielern, an vier Spielstätten überall in der Stadt und einem Elan, wie ihn wohl nur Theaterleute aufbringen.
hpk