Wenn der Drahtesel leise wiehert

Gleich mehrere Tagesordnungspunkte der heutigen Sitzung des Technischen und Umweltausschusses (TUA) beschäftigen sich mit der Verbesserung der Infrastruktur für RadlerInnen. Für besonders hitzige Diskussionen dürfte dabei der Wunsch der Freien Wähler, einige Fahrradabstellanlagen an Bushaltestellen wieder abzubauen, sorgen.

Wie das Leben so ist: Tut die Verwaltung nichts, ist es dem Volk nicht recht, und tut sie etwas, ist dies ebenfalls nicht wohlgetan. So geht es jetzt scheint’s auch mit den Fahrradabstellbügeln, die an Bushaltestellen aufgestellt werden, um den Umstieg zwischen Fahrrad und Bus zu erleichtern, wie dies dereinst vor über zwei Jahren vom Gemeinderat mit dem Masterplan Mobilität beschlossen wurde. Dabei, so teilt die Verwaltung mit, „handelt es sich um Anlehnbügel, welche an verschiedenen Bushaltestellen im Stadtgebiet installiert wurden bzw. noch installiert werden. Es handelt sich um insgesamt 246 Fahrradstellplätze an 25 Standorten. Bis auf die vier Standorte im Paradies sind alle Abstellanlagen bereits installiert. Diese folgen in zeitnah.“

Viel Hirnschmalz

Die Idee ist naheliegend, und auch in die Wahl der Standorte ist einiges an Hirnschmalz geflossen: „Zentrale Frage war: Ist es denkbar, dass jemand mit dem Rad zur entsprechenden Haltestelle fährt, es dort abstellt und mit dem Bus weiterfährt?“ Also schätzte man ab, welche der folgenden Bedingungen an den einzelnen Bushaltestellen im Konstanzer Stadtgebiet erfüllt sind: 1. Die Bushaltestelle liegt an bzw. in unmittelbarer Nähe einer Hauptroute des Radwegenetzes. 2. An der Bushaltestelle ist viel los. 3. Die Haltestelle ist zu Fuß von ihrem Einzugsgebiet teils weit entfernt, und 4. sollte es bisher keine weiteren Radabstellanlagen in näherer Umgebung geben. „Mit der Anschließ-Möglichkeit soll die Nutzung des eigenen Fahrrads ‚schmackhafter‘ gemacht werden, auch wenn das Angebot noch nicht sofort genutzt wird.“ Im Klartext: Die Fahrradbügel sollen auf längere Sicht wirken und müssen nicht sofort mit Fahrrädern zugestellt werden, um als Erfolg zu gelten.

Übrig blieben beim Auswahlmarathon die erwähnten 25 Bushaltestellen, aber diese sind nach Meinung einiger LokalpolitikerInnen teils unklug gewählt, und die Freien Wähler erkannten das Potenzial des Themas und erhoben Volkes Stimme in Form eines Antrages:

„Viele Bürger in Wollmatingen und im Industriegebiet wundern sich über die Standortwahl diverser Fahrradabstellanlagen. Wir bitten deshalb die Verwaltung uns über diese Anlagen in verschiedenen Straßen, im Industriegebiet und in Wollmatingen, wie z.B. Schwaketenstraße, Buhlenweg, Wollmatingerstraße, Fritz-Arnold-Straße, zu informieren und beantragen folgendes: Der Sinn und Zweck der Anlagen in diesen Straßen erschließt sich vielen Anwohnern und uns auch nicht. Bitte erläutern Sie uns, wie Sie auf die Standortwahl gekommen sind. Welche Kosten sind entstanden? Und wir beantragen, dass Sie die Nachfrage ein halbes Jahr beobachten und evaluieren. Und wenn in einem halben Jahr diese Fahrradabstellanlagen von der Bevölkerung nicht angenommen worden sind, diese auch wieder abzubauen und an anderer Stelle aufzubauen.“ Mit anderen Worten: Seid Ihr in der Verwaltung blind wie Grottenolme?

Das Zauberwort ist gefallen

Nun antwortet die Verwaltung, die es gewöhnt ist, dass Neuerungen erst einmal auf heftige Ablehnung stoßen, mit dem Zauberwort allen Verwaltungshandelns, und das heißt „Fördermittel“. Dieses kleine Wort verwandelt alle GegnerInnen (zumindest in den Augen der Verwaltung) umgehend in Salzsäulen. Kein Wunder, denn die Förderung ist das lebensspendende Manna beim nicht enden wollenden Zug der Verwaltung durch die Wüste des Städtebaus: „Anlässlich des TUA-Beschlusses zur Ausweitung des Transportradmietsystems wurde ein Maßnahmenbündel zur Förderung des Radverkehrs geschnürt und ein Förderantrag im Rahmen des Förderprogramms ‚Klimaschutz durch Radverkehr‘ im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums eingereicht. Neben den Radabstellanlagen an Bushaltestellen und der Ausweitung des Transportradmietsystems sind die Umgestaltung der Schützenstraße zur Fahrradstraße sowie Fahrradabstellanlagen im Paradies Teil des Maßnahmenpakets. Förderbedingung ist, dass die Maßnahmen gemeinsam umgesetzt werden.“ Mit anderen Worten: Ihr von den Freien Wählern habt doch keine Ahnung, und davon ganz viel!

Also, Essig ist es damit, auf Abstellanlagen zu verzichten, denn dann wird der Bund grimmig und will sein Geld zurück: „Für die Fahrradabstellanlagen an Bushaltestellen wurden im Vorfeld Kosten in Höhe von 43.270,07 € geschätzt, wovon 28.167,95 € förderfähige Kosten waren. Es wurde eine 75%-Förderung in Höhe von 21.125,95 € bewilligt. Die Abschlussrechnung für die Maßnahme liegt noch nicht vor, u.a. weil die Standorte im Paradies noch nicht umgesetzt sind. Die tatsächlichen Kosten können daher noch nicht beziffert werden.“ Aber, und das ist jetzt schon in Stein gemeißelt: „Eine der Förderbedingungen ist eine Zweckbindungsfrist von 5 Jahren nach Ende des Bewilligungszeitraums. Das heißt, dass der Zweck der Förderung bis mindestens zum 28.02.2029 gewährleistet sein muss – ansonsten droht die Rückzahlung von Fördermitteln. In der Regel bedeutet dies, dass die Radabstellanlagen in diesem Zeitraum vor Ort nutzbar bleiben müssen.“ Die Verlegung wenig genutzter Fahrradbügel zöge also für das Stadtsäckel die Höchststrafe nach sich: Rübe runter!

Was die AntragstellerInnen da verlangen, wäre also glatter Selbstmord.

Die Quadratur des Vierecks

Natürlich ist eine Verlegung von Abstellanlagen von Standorten, an denen sie wenig genutzt werden, an andere Standorte denkbar, aber sie kommt der Quadratur des Kreises nahe: Der Fördermittelgeber muss nämlich zustimmen, und außerdem, und dies ist ebenfalls eine Höchststrafe für die Verwaltung, die Kosten für die Verlegung der Bügel sind ihrerseits nicht wieder förderungswürdig. Mit anderen Worten: Das kostet Geld, und zwar unser Geld!

Außerdem: An welche anderen Bushaltestellen könnte man die Dinger schon verlegen? Grundsätzlich sollte natürlich jede Bushaltestelle einige Fahrradbügel bereithalten, aber das ist nicht ganz einfach: „Sofern es Hinweise gibt, an welchen Bushaltestellen weiterer Bedarf für Fahrradabstellanlagen besteht, nimmt die Verwaltung diese gerne entgegen. Entsprechende Flächenverfügbarkeiten können geprüft und realisierbare Standorte in künftige Förderanträge mit aufgenommen werden.“ So hört sich ein verächtliches Grinsen an, nachdem es in bestes Antragsdeutsch verpackt wurde.

Ergebnis

Am Ende soll irgendwann im Jahr 2023 eine Zählung der an den Bushaltestellen abgestellten Räder erfolgen, um zu ermitteln, wo das Angebot angenommen wird und wo nicht. Was auch immer dabei herauskommt: Mit der von den Freien Wählern gewünschten Verlegung wird es so schnell sicher nichts werden, das wissen allein schon die Förderfristen zu verhindern. Und so werden die Bügel, falls es jemals zu ihrer Verlegung kommt, denn schon ziemlich alt und rostig sein und dann vielleicht im längst eröffneten Fahrradparkhaus am Bahnhof ihr Gnadenbrot im Trockenen verzehren dürfen.

Text & Bild: O. Pugliese, Karte: Sitzungsunterlagen für den TUA