Wenn der Fels wackelt, verrammelt der Ranger das Tor
So langsam ist die Wiedereröffnung der Marienschlucht absehbar. Das künftige Nutzungs- und Zugangskonzept, das die drei Kommunen Allensbach, Bodman-Ludwigshafen und Konstanz gemeinsam verantworten, nimmt Konturen an und wird heute im Technischen und Umweltausschuss (TUA) in Konstanz vorberaten, ehe im Mai der Gemeinderat höchstselbst darüber befinden will.
Die Marienschlucht ist bereits seit Mai 2015, seit sechs Jahren also, geschlossen, nachdem im Gefolge stärkerer Regenfälle ein Hang „mit tödlichem Ausgang“ abrutschte. Damals wurde auch der Wandersteg in der Schlucht unbrauchbar, und es stellte sich natürlich die Frage, mit welchen baulichen Maßnahmen und welchem Sicherheitskonzept die Schlucht sowie die Wege, die am Ufer entlang zur Schlucht führen, wiedereröffnet werden können.
Es geht los
Mittlerweile sind die ersten Schritte für die Wiedereröffnung getan: Die Gemeinde Bodman-Ludwigshafen hat die Schiffsanlegestelle wiederhergestellt. Außerdem ist der Weg von der Anlegestelle zum Burghof Wallhausen in Zusammenarbeit aller drei Gemeinden ausgebessert worden. Das Wegstück vom Burghof nach Wallhausen soll auch noch eindringlich untersucht werden.
Umso mehr bleibt aber noch zu tun, und es stehen einige gewichtige Brocken an.
Fast wieder wie immer
In der Schlucht selbst soll ein neuer Gehsteig montiert werden, und zwar an der bereits früher sanierten westlichen Wand in einer Höhe von zehn Metern über dem Grund der Schlucht, in welchem das Wasser weiter munter vor sich hinplätschert. Allerdings, so steht es in der Sitzungsvorlage, muss der Bau „in zwei Abschnitten erfolgen, da die artenschutzrechtlichen Schutzfristen nur eine Bauzeit von August bis Dezember eines Jahres erlauben. Dadurch kann ein erster Teil in 2022 und der zweite erst im Jahr 2023 ausgeführt werden“. Wenn alles gut geht, könnte der Laufsteg in der Schlucht also wohl bereits 2024 freigegeben werden. Außerdem soll es am Ende der Schlucht eine Schutzhütte geben.
Die Kosten für diese Vorhaben sind angesichts der Beliebtheit der Marienschlucht eher Peanuts: Insgesamt kommen Hütte und Laufsteg auf ca. 3.341.500 Mio. Euro. Davon haben nach Abzug der großzügigen Förderung aus einem Landes-Fördertopf zur Entwicklung der touristischen Infrastruktur „die drei Gemeinden einen Eigenanteil an der Investition in Höhe von ca. 1,4 Mio. € zu finanzieren“, rund 60% der Kosten steuert also die Regierung aus dem geliebten Stuttgart bei. „Im Haushalt der Stadt Konstanz wurden bereits mit Abschluss der Kooperationsvereinbarung-Bau je 270.000 Euro für 2022, 2023 und 2024 pro Jahr veranschlagt.“ Einige kleinere Maßnahmen wie ein Informationssystem mit QR-Codes fallen da kaum ins Gewicht, und den Ponton mit Kiosk und WC bezahlt ohnehin die Gemeinde Bodman allein.
Wie Prometheus
Es bleibt allerdings noch ein ziemlich dicker Brocken zu bewältigen: Der Mondfelsen, der hinterrücks auf den Uferweg stürzen und arglose SpaziergängerInnen unter sich zermalmen könnte. Eigentlich war ja geplant, ihn mit einer Netzkonstruktion so fest an den Hang zu fesseln wie einst Prometheus an den Kaukasus.
Nun aber gibt es eine neue Lösung: Statt der „Übernetzung“ sollen jetzt Sonden angebracht werden, die die Bewegungen des Felsens sowie die Veränderungen der Bodenfeuchte anzeigen. Kurzum: Man will wissen, ob und wenn ja der Brocken geneigt ist, auf den Weg zu rutschen, zu stürzen, zu schlittern (oder wie auch immer Felsen sich fortzubewegen pflegen). Zum Schutz der Menschen sollen beiderseits des Felsens Tore errichtet werden, die bei erhöhter Gefahr geschlossen werden können, um die Sterblichen davon abzuhalten, unversehens zum Opfer der Naturgewalten zu werden.
Ein Waldläufer
Das ist aber noch nicht alles, denn für Marienschlucht und Wanderwege soll ein Ranger (landläufig auch als „Förster“ oder „Waldläufer“ bezeichnet) eingestellt werden, der den gesamten Bereich regelmäßig in Augenschein nimmt (und gegen die immer wieder anrückenden Indianer auf der Jagd nach den bekanntlich besonders gepflegten Skalpen der WallhausenerInnen verteidigt). Das ist nicht ohne gutes Vorbild, denn „derartige Ranger-Konzepte gibt es in anderen stark frequentierten Wandergebieten bereits, wie z.B. in der Wutachschlucht oder dem Donautal, was von den Naturschutzverbänden sehr begrüßt wurde“. Für das Anbringen der Sonden rechnen die PlanerInnen mit 166.600 Euro, hinzu kommen Jahr für Jahr die Kosten für die Überwachung und den Ranger von etwa 70.000 Euro, aber die genauen Zahlen sind noch offen.
Poesie einer Landschaft
Geradezu poetisch klingt die Vorlage aus, und so manches Ratsmitglied wird sich bei dieser rührsamen Lektüre ein Tränchen nicht verkneifen können: „Mit den beschriebenen Maßnahmen und dem Einsatz eines Rangers kann es gelingen, die Besucher auf gesicherten Wegen zu leiten und die Schönheit dieser besonderen Landschaft am Bodensee rücksichtsvoll zu erleben. Schüler und Interessierte können anhand des Informationssystems oder durch einen Ranger in geführten Gruppen wertvolles Wissen zu den Lebewesen der Natur erhalten. Erst Verständnis weckt Rücksicht.“ Pure Dialektik ist das, denn es könnte auch heißen: Erst Rücksicht weckt Verständnis.
Das also ist der einmalige Zauber der lieblichen Bodensee-Landschaft, dem sich kaum jemand zu entziehen vermag, nicht einmal all die SchülerInnen, die hier zum ersten Mal seit ihrer Einschulung den rehäugigen Blick von ihrem Smartphone auf die sie umgebende Natur richten werden, die sie mit KennerInnenblick für eine krass groß geratene Computersimulation halten müssen.
Wie bezaubernd diese herzerwärmende Schlucht am Bodensee aber im Vergleich mit anderen Schluchten ist, lehrt uns ein Vergleich mit den unsterblichen Worten des Dichters Wolfgang Ambros, der eine Schlucht in den garstigen Alpen eindrücklich besungen hat:
„Mit voller Wucht,
haut´s mein Buam in die Schlucht …
Mit ganzer G´walt,
haut´s mein Buam in den Spalt
übern Bukkel rinnt´s ma kalt …“
Text: O. Pugliese, Bild: Wikipedia, Von Bodman-Ludwigshafen – Template:Gemeinde Bodman-Ludwigshafen, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10026587