Wenn der Saturn auf die Milz drückt
Seitdem der Konstanzer Gemeinderat einer Waldorfeinrichtung einen Zuschuss über 277 000 Euro gewährte, wird auf seemoz kontrovers über diese esoterische Sondergemeinschaft diskutiert. Bislang konnten sich die Anthroposophen sicher sein, dass vor allem in der Tagespresse nur wohlwollend über sie berichtet wird. seemoz hält dagegen und veröffentlichte bereits mehrere kritische Texte über die Waldorfbewegung. Hier ein Interview mit dem SWR-Redakteur Dietrich Krauß.
Herr Krauß, Sie haben vor rund fünf Jahren für den SWR eine Dokumentation über die Waldorfschulen gedreht. Was genau war damals das Thema?
Wir waren in verschiedenen Waldorfschulen, unter anderem in Stuttgart und Schwäbisch Hall. Gedreht haben wir auch in einem anthroposophischen Lehrerseminar. Dazu haben wir mit vielen ehemaligen Waldorfschülern, deren Eltern und mit Waldorflehrern gesprochen. Wir hatten also sehr ausgewogenes Material von Leuten, die überzeugt sind von der Waldorfpädagogik und anderen, die sie ablehnen. Daraus ist dann ein 45-minütiger Film entstanden.
Ging es dabei nur um die Waldorfpädagogik?
Ja, wenn man schulpflichtige Kinder hat, ist das einfach ein Thema. Aber ich bin dann vom Glauben abgefallen, als ich mich mit dem ideologischen Hintergrund befasst habe.
Haben Sie auch die Erfahrung gemacht, dass viele Eltern gar nicht wissen, womit ihre Kinder tagtäglich konfrontiert werden?
Ja, das ist in der Tat haarsträubend. Was ich ganz erschreckend fand, war, was da in der anthroposophischen Lehrerausbildung passiert. Das ist wirklich unglaublich. Die wurden mit Unterlagen bombardiert, in denen beispielsweise drin steht, dass man sich in die Texte hinein versinken müsse. Kritische Distanz ist da nicht gefragt, es geht vorrangig um meditatives Nachvollziehen. Die lesen dann jeden Tag stundenlang dieses krude Zeug über Rudolf Steiners Menschenkunde. Ich kann nur jedem empfehlen, sich das mal in der Bibliothek auszuleihen und das zu lesen.
Sie haben sich also zum ersten Mal diesem Thema angenähert?
Ja, richtig. Der Aufhänger war, dass die Waldorfbewegung hier rund um Stuttgart so eine Art Mainstream für die Bildungsbürger darstellt. Aber nochmal zurück zur Lehrerausbildung. Wenn man sich Steiners Originaltexte anschaut, die den Leuten während ihrer Ausbildung sehr intensiv verabreicht werden, dann glaubt man das kaum. Aber vor allem in Baden-Württemberg haben die Anthroposophen wohl eine Wildcard. Später haben wir aus dem Filmmaterial noch einen Beitrag für frontal 21 gemacht und da sagt ein Schulrechtler klar, dass das eigentlich verfassungswidrig ist, wie es in Baden-Württemberg läuft. Die Waldorflehrer haben keine staatliche Ausbildung, sondern nur ihre interne Waldorfausbildung und dürfen dennoch in insgesamt acht Fächern Kinder unterrichten.
Da stellt sich schon die Frage, warum die Waldorfschulen dennoch so viel Erfolg haben. Sie schießen ja wie Pilze aus dem Boden
Ich sehe das ein wenig als Ventil für die Zumutung des baden-württembergischen Schulsystems. Immer mehr Eltern sind unzufrieden damit, wie sich das staatliche Schulsystem präsentiert. Davon profitieren die Waldorfschulen. Wenn man dann aber schaut, wie diese angebliche Alternative aussieht – dass da Leute, die nicht studiert haben und nur den ganzen Tag Steiner gelesen oder getöpfert haben – dass die dann unterrichten dürfen, da kann ich wirklich nur fassungslos den Kopf schütteln.
Wie haben die Anthroposophen auf Ihren Film reagiert?
Sehr aufgebracht. Ich habe aus meinem Material noch einen kleinen Extrafilm geschnitten und darin einen Kriminologen interviewt, der interessanterweise nachweisen konnte, dass Waldorfschüler beim Thema Schulhofgewalt Spitzenplätze belegen. Das verbindet man ja kaum mit dieser Schulform. Daraufhin sind die auf die Barrikaden. Das ging bis zum Rundfunkrat und man versuchte mit allen Mitteln, mir am Zeug zu flicken. Dazu gab es massenhaft Zuschriften und riesige Aufregung. Aber der Sender stand hinter uns, denn das Material war eindeutig. Die Anthroposophen sind eben so was wie eine heilige Kuh. Wir haben unser Material – darunter viel esoterischen Kram – auch dem Lehrerverband und Leuten von der Uni gezeigt. Die wissen ja oft nicht, was an dieser Parallelwelt Waldorfschule getrieben wird. Die waren alle völlig von den Socken.
Als hier in Konstanz ein Zuschuss über knapp 300 000 Euro für einen Waldorfkindergarten in Frage gestellt wurde, haben sich vor allem die Grünen gegen diese Kritik verwahrt…
Kein Wunder, das ist zum Teil deren Klientel. Die Grünen sind da völlig unkritisch. Aber gerade in den Waldorfkindergärten muss man ganz genau hinschauen. Dort werden zum Teil Speisepläne aufgestellt, die sich nach dem astrologischen Kalender richten. Am sogenannten Saturntag gibt es dann nur das und das, weil speziell an diesem Tag angeblich der Saturn auf die Milz drückt.
Angesichts Ihrer Erlebnisse werden Sie Ihre Kinder nicht in eine Waldorfschule schicken…
Sicher nicht. Aber die würden auch kein Kind von mir nehmen.
Autor: Das Gespräch führte Holger Reile
Tja, Boris Walter, ich sehe schon, meinen Beitrag dazu haben Sie frecherweise überlesen. Dann wär’s vielleicht noch abendfüllend geworden. Denn einen sinnvolleren Verwendungszweck für die ganze Kohle habe ich bereits vorgeschlagen. Aber so ist das mit den Misanthropen: Nur die Hälfte lesen, aber über alles mosern. Mein Tipp: Einfach nicht von Besserwissern penetrieren lassen. Munter bleiben.
ich sehe schon, seemoz hat mal wieder ein thema gefunden und tritt es ohne ende breit. die esoterikspielwiese des herrn reile. es mag ja alles so sein wie beschrieben, aber ist das denn abendfüllend? jetzt wird hier wieder etwas endlos aufgewärmt wie das grab von diesem dichter scholl. vielleicht mangelt es einfach an themen. an penetranz und besserwisserei mangelt es jednfalls nicht. ich denke auch, 277 000 euro zuschuß würde den seemozern auch gefallen. aber wofür?
@ Alt-Paradiesler
Sie schreiben: „Also schonen Sie besser Ihre Nägel.“
Geben Sie Waldorfeltern einen guten Rat? Weil es um Höheres geht? Rudolf Steiner lehrt uns:
—> “Der Mensch steht der Außenwelt gegenüber. Das Geistig-Seelische strebt danach, ihn fortwährend aufzusaugen. Daher blättern wir außen fortwährend ab, schuppen ab. Und wenn der Geist nicht stark genug ist, müssen wir uns Stücke, wie zum Beispiel die Fingernägel, abschneiden, weil der Geist sie, von außen kommend, saugend zerstören will […]” (Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik, GA 293)
Und weil wir so viel bei Rudolf Steiner lernen können, hier noch mehr „Höhere Erkenntnis“:
—> “Was ist die Hirnmasse? Die Hirnmasse ist einfach zu Ende geführte Darmmasse. Verfrühte Gehirnabscheidung geht durch den Darm. Der Darminhalt ist seinen Prozessen nach durchaus verwandt dem Hirninhalt. Wenn ich grotesk rede, würde ich sagen, ein fortgeschrittener Dunghaufen ist das im Gehirn sich Ausbreitende; aber es ist sachlich durchaus richtig. Der Dung ist es, der durch den eigenen organischen Prozess in die Edelmasse des Gehirns umgesetzt wird und da zur Grundlage für die Ich-Entwickelung wird” (Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft , GA 327, S.201)
—> “Aber mit der Zeit verliert sich die Blondheit, weil das Menschengeschlecht schwächer wird. Und die Erdenmenschheit würde vor der Gefahr stehen, daß die ganze Erdenmenschheit eigentlich dumm würde, wenn nicht das kommen würde, daß man eine Geisteswissenschaft haben wird, eine Anthroposophie, die nicht mehr auf den Körper Rücksicht nimmt, sondern aus der geistigen Untersuchung selbst heraus die Gescheitheit wieder holt, wenn ich so sagen darf […] Die blonden Haare geben eigentlich Gescheitheit. Geradeso wie sie wenig in das Auge hineinschicken, so bleiben sie im Gehirn mit ihren Nahrungssäften, geben sie ihrem Gehirn die Gescheitheit. Die Braunhaarigen und Braunäugigen, und die Schwarzhaarigen und Schwarzäugigen, die treiben das, was die Blonden ins Gehirn treiben, in die Haare und Augen hinein.” (Über Gesundheit und Krankheit. Grundlagen einer geisteswissenschaftlichen Sinneslehre” GA 348, S. 102)
—> “Der tierische Organismus lebt im ganzen Haushalt der Natur darin. Von vorne nach hinten im Tier: Von der Schnauze gegen das Herz zu hat es die Saturn-, Jupiter-, Marswirkungen, in dem Herz die Sonnenwirkung, dahinter gegen den Schwanz zu die Venus-, Merkur- und Mondwirkung […] Das vom Mond zurückgestrahlte Sonnenlicht ist ganz unwirksam, wenn es auf den Kopf eines Tieres scheint. Aber diese Dinge gelten namentlich für das Embryonalleben. Das Mondlicht entfaltet seine größte Wirkung, wenn es auf den Hinterteil eines Tieres scheint.” (Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft, GA 327, S. 60)
—> “Beim Menschen wird möglichst viel umgesetzt von Bauchdünger in Gehirndünger, weil der Mensch ja sein Ich auf der Erde trägt; beim Tier weniger, daher bleibt mehr drinnen in dem Bauchdünger, der dann zum wirklichen Dünger verwendet wird. Da bleibt mehr Ich in der Anlage drinnen. Weil es das Tier nicht zum Ich bringt, bleibt da mehr Ich in der Anlage drinnen. Daher sind tierischer Mist und menschlicher Mist zwei ganz verschiedene Dinge. Tierischer Mist enthält noch die Ich-Anlage. Und wir finden, wenn wir misten, wenn wir Dünger von außen her an die Wurzel, das Ich an die Wurzel, an die Pflanzen herangebracht haben, daß wir, wenn wir vollständig die Pflanze zeichnen (Zeichnung), hier unten die Wurzel haben, oben die sich entwickelnden Blätter und Blüten haben, daß sich hier das Astralische hinzuentwickelt durch den Verkehr mit der Luft, hier sich entwickelt durch den Verkehr mit dem Dünger die Ich-Anlage der Pflanze.” (Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft, GA 327, S.202)
—> “Die Wurzel der Pflanze ist mit dem Kopf verwandt. Wenn wir das bedenken, wird uns gewissermaßen ein Licht aufgehen über die Bedeutung der Wurzel. Denn die Kartoffel, die hat Knollen; das ist etwas, was nicht ganz Wurzel geworden ist. Man ißt also, wenn man viel Kartoffel ißt, vorzugsweise Pflanzen, die nicht ganz Wurzel geworden sind. Wenn man sich also beschränkt auf das Kartoffelessen und zuviel Kartoffeln ißt, kriegt man nicht genug in den Kopf hinein. Es bleibt unten im Verdauungstrakt. So daß es also so ist, daß mit dem Kartoffelessen die Menschen in Europa ihren Kopf, ihr Gehirn vernachlässigt haben. Diesen Zusammenhang sieht man erst, wenn man Geisteswissenschaft treibt. Da sagt man sich: Seit Europa diese Kartoffelnahrung immer mehr und mehr überhand genommen hat, seit der Zeit ist der Kopf des Menschen unfähiger geworden.” (Rhythmen im Kosmos und im Menschenwesen. Wie kommt man zum Schauen der geistigen Welt?, GA 350, S.210)
—> “Das Judentum als solches hat sich aber längst ausgelebt, hat keine Berechtigung des modernen Völkerlebens, und daß es sich dennoch erhalten hat, ist ein Fehler der Weltgeschichte, dessen Folgen nicht ausbleiben konnten. Wir meinen hier nicht die Formen der jüdischen Religion alleine, wir meinen vorzüglich den Geist des Judentums, die jüdische Denkweise.” (Gesammelte Aufsätze zur Literatur,GA 32, S.152f.)
mehr Rudolf Steiner-Zitate hier: http://www.esowatch.com/ge/index.php?title=Steiner_Zitate
altparadiesler – also nochmal:im netz finden sie unter dietrich krauß – anthroposophie – frontal 21 – eine menge kritischer und fundierter beiträge, unter anderem auch über die versteinerte pädagogik. ist eigentlich nicht allzu schwer.
grüße
h.reile
@Holger R.: Danke für die Youtube-Hinweise. Die Suchworte „dietrich krauß anthroposophie“ führen leider zu keinem Ergebnis. Unter „dietrich krauß“ findet man einige Informationen über eine Neue Antikapitalistische Partei, aber nichts über Anthroposophie. Dennoch respektiere ich Ihren Eindruck, dass sich der Gemeinderat aus Ihrer Sicht nicht angemessen damit auseinandergesetzt hat.
@Metapha: Gar nichts stört mich an einer Diskussion – ausgenommen der Umstand, dass Subjekte wie Sie glauben, dass ich nicht das Recht dazu habe, mich beteiligen zu dürfen. Zumindest lässt Ihre spitze Formulierung „dass Sie sich … zu äußern berufen fühlen“ diesen Schluss zu.
Da Ihnen meine Selbst-Einordnung persönlich am Herzen zu liegen scheint (faszinierende Denkweise, gehts hier um Wettrennen, Hackordnung oder Pavianhügel?): Selbstverständlich stelle ich mich gerne bescheiden weit, weit unter die zitierten Gelehrten. Schmälert das etwa mein Recht, meine Meinung ebenfalls zu äußern und Ungereimtheiten sowie Unzulängliches in den präsentierten Abhandlungen kritisch zu hinterfragen? Und Sie dozieren über Demokratie?
Aus Ihrem für Ihre Zehennägel fatalen Versuch, meiner Argumentation zu folgen, schliesse ich, dass Sie selbst Lehrer(in) sind und sich berührt fühlen. Das dürfen Sie in diesem Fall meinetwegen gerne, stellvertretend für die vielen geistigen Jung-Greise und Desinteressierten dieser Zunft (sicherlich gibt es auch andere, im Gegensatz zu den „Fachautoren“ will ich nicht alle über einen Kamm scheren). Wenn nicht, dann dürfen Sie sich trotzdem aufregen.
Auch ich habe meine Meinung, bei der ich bleibe:
Für staatliche Einrichtungen, die unseren Kindern über ihre Lehrkräfte Dienst nach Vorschrift, innerliche Kündigung und inhaltsloses Gelaber anstatt Charisma und Vorbild vermitteln, sollte und darf es keinen Steuercent zuviel geben. An der Entscheidung des KN-Gemeinderats und steigender Anmeldezahlen an privaten Einrichtungen kann ich erkennen, dass ich mit dieser Meinung nicht ganz alleine bin. War das nun Farbe genug?
Also schonen Sie besser Ihre Nägel.
@Alt-Paradiesler was stört Sie eigentlich so an einer Diskussion über dieses Thema, das Sie sich so vehement und geradezu reflexartig zu äußern berufen fühlen? Sie sollten bitte einmal konkret werden, Farbe bekennen und nicht nur fabulieren. Jedem Pädagogen rollt es da die Zehennägel gen Himmel wenn man Ihrer Argumentation zu folgen versucht .
Mich würde überdies speziell interessieren, wo Sie sich selbst einordnen würden? Über, neben oder gar zu den von Ihnen zitierten „Fachautoren“. Jedem steht es offen, eine solche Einrichtung für seine Kinder zu wählen – das stand und steht nicht zur Debatte. Einzig die Frage, ob eine solche durch die öffentliche Hand eine finanzielle Unterstützung in dieser Höhe erfahren soll oder nicht. Ich bleibe dabei: Ein solcher Betrag wäre bei einer anderen, öffentlichen Einrichtung mindestens genau so gut aufgehoben gewesen. P.S. Auch solche werden und wurden öffentlich kritisiert – so etwas nennt man Demokratie!
wieso unterstützt die stadt konstanz die waldorfsekte?
http://www.publikative.org/2011/12/06/waldorfschule-fur-alle-sekte-fur-alle/
Waldorfschule für alle? – “Sekte” für alle?
… Waldorfschule als „Sekte“ kommt auch von einem ehemaligen Schüler, Zitat: „Diese Schule ist eine Sekte, die meiner Meinung nach komplett verboten werden sollte. Vor allem ist es unerhört, dass so etwas noch mit Steuergeldern unterstützt wird.“ Die hier beschriebene Schule ist nicht mehr im „Bund der Freien Waldorfschulen“. Diese schon, siehe den Bericht einer Mutter, Zitat: „Die Wahnvorstellungen Rudolf Steiners werden in der Waldorfschule ausgelebt – mit kräftiger finanzieller Unterstützung des Staates. Dieser lässt diese Sekte schalten und walten, wie es ihr gefällt.“ …
altparadiesler,
gehen sie auf youtube,dort finden sie genügend material über den kollegen dietrich krauß und seine filme zum thema anthroposophie. wenn sie zudem ein wenig im netz surfen, dann stolpern sie automatisch auf seriöse und eben auch kritische berichte über die waldorfianer. wg bezuschussung der anthroposophischen durch den staat: das ist kein automatismus. auch eine kommune kann durchaus darauf einfluss nehmen, ob sie einen waldorfkindergarten oder eine waldorfschule mit steuergeldern subventioniert. leider wollte sich der konstanzer gemeinderat mit diesem thema inhaltlich überhaupt nicht auseinandersetzen.
grüße
h.reile
Aiga Stapf, „Hochbegabte Kinder“, C.H.Beck, 2006. Zitat, S. 230ff:
Waldorfschulen
Nicht alle privaten, besonderen Schulen sind für Hochbegabte geeignet. Eltern, die das Beste für Ihre Kinder wünschen, wählen in einigen Fällen eine Waldorfschule, die ihnen eine individuelle Förderung aller Begabungen zu bieten verspricht.
Betrachtet man jedoch die auf der anthroposophischen Lehre R. Steiners beruhende pädagogische Praxis der Waldorfschulen (und Kindergärten) unvoreingenommen und kritisch, [Fußnote 43] so wird augenfällig, warum Waldorfschulen für die meisten intellektuell hochbegabten Schüler eine besonders ungeeignete Schulform sind (Feger 2000).
Da Hochbegabte ideologisch bedingte geistige Einengungen ablehnen, und um diese handelt es sich bei der Anthroposophie, leiden Hochbegabte Vorschulkinder auch in Waldorfkindergärten.
Die Grundvorstellungen der Anthroposophie bestimmen den Schulalltag, wie z.B. Annahmen über die «Reinkarnation», über das vorgeburtliche Leben, das sich in einer «karmakonformen» Erziehung wiederfindet (Prange 1985). Aufgrund unausgegorener, wissenschaftlich nicht haltbarer Vorstellungen von einer Temperamentslehre, werden Kinder in vier Typen «kategorisiert». Vorstellungen über einen «Siebenjahresrhythmus» der menschlichen Entwicklung führen u.a. dazu, dass in den ersten sieben Lebensjahren Kindern keinerlei geistige Anregungen geboten werden, da Kinder nach Steiner von einer «Astralhülle» umgeben sind, durch die bestimmte Eindrücke nicht hindurchkommen. [Fußnote 44]
Die Ablehnung intellektuell-abstrakter Beschäftigungen sowie technischer Geräte (u.a. Computer) und vorgefertigter Spielzeuge [Fußnote 45] zieht sich weiter durch die ersten Schuljahre: Es gibt in den ersten Klassen keine Schulbücher, spielerische Beschäftigungen herrschen vor, das «Lernen» von Fremdsprachen beschränkt sich nach unseren Erfahrungen in den ersten Klassen weitgehend auf Lieder und Gedichte. Lesen, schon gar vor Schuleintritt, ist verpönt, und wird in einigen Schulen erst nach dem zweiten Schuljahr unterrichtet. Dabei sind die ersten Klassen mit nicht selten ca. 40 Kindern recht groß, was bei den nicht unerheblichen Kosten (Schulgeld und Elternaktivitäten) erstaunt. Das pädagogische Argument, die Kinder würden sich gegenseitig erziehen und positiv beeinflussen, konnten die bei uns untersuchten Kinder nicht bestätigen: waren sie schüchtern, sensibel gingen sie einfach «unter».
Eine individuelle Förderung «vor allem für den intellektuellen Bereich» wird in Waldorfinstitutionen «ausdrücklich abgelehnt» (Feger und Prado 1989, S. 221). Die daraus resultierende starke kognitive Unterforderung, die Ablehnung u. a. ihrer Bedürfnisse nach Wissen (auch aus Büchern) führte bei einigen der uns vorgestellten hochbegabten Waldorfschüler zu hoher motorischer Unruhe, zu Spannungen (auch zwischen Kind und Eltern) sowie aggressivem Verhalten, das nach dem Wechsel auf eine staatliche Schule verschwand, als sie «endlich Bücher lesen durften». Allerdings ist ein später Wechsel (nach der dritten Klasse) nicht immer leicht zu bewerkstelligen, da eine Reihe von akademischen Fertigkeiten nachzuholen ist, was in der Regel für Hochbegabte jedoch kein Problem bedeutet.
Gerade weil immer wieder Stimmen laut werden, die eine (Ziffern-)Benotung in den Grundschulen völlig abschaffen wollen, sei auf bei Berichtszeugnissen auftretende praktische Schwierigkeiten hingewiesen. Sie erfordern bei Lehrkräften, die von «Musterzeugnissen» abweichend die Schüler individuell treffend charakterisieren wollen, einen erheblichen Arbeitsaufwand. Oft sind daher die Angaben sehr allgemein gehalten. Zahlreiche Zeugnisse von Erstkläßlern staatlicher Grundschulen über sehr unterschiedlich leistende Kinder, die uns vorliegen, sind sich zum Verwechseln ähnlich. Für Eltern besitzen sie keine große Aussagekraft, da die wahren Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Kinder nicht geschildert wurden. Bei Waldorfschulen gibt es nur Berichtszeugnisse, in denen sich die genannten Grundvorstellungen widerspiegeln: In einem uns vorliegenden Zeugnis einer Waldorfschule wurde einem Erstkläßler «eine Chaotik der Seele» bescheinigt, was das betroffene Kind und seine Eltern als äußerst verletzend erlebten.
Es sind auch nicht gerade die schwierigen Kinder, denen auf den Waldorfschulen geholfen wird. Eltern berichteten wiederholt, dass Kinder vom Waldorfkindergarten und der Waldorfschule abgelehnt wurden. Die Kinder mussten u. a. bei dem Aufnahmegespräch etwas malen: ein Sechsjähriger malte z.B. ein Haus ohne Tür, wozu er kommentierend auf Nachfrage der Waldorfpädagogin sagte: «Die Tür ist hinten.» Dies wurde von ihr als ein «Anzeichen» dafür gedeutet, dass das Kind seine Seele nicht öffnen will, sie lehnte die Aufnahme ab. Im nachhinein waren die Eltern froh über diese Ablehnung. (…)
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Fußnoten:
43 Wissenschaftliche Evaluationen durch Nicht-Anthroposophen werden nach unseren Erfahrungen nicht gestattet, die Mehrzahl der Veröffentlichungen und Vorträge über die Waldorfpädagogik stammen von Anthroposophen.
44 „xxx“ (1997), die zwei Jahre einen Waldorfkindergarten besuchen musste, dann mit sechs Jahren für eine Weile in einen anderen Kindergarten wechselte, weil niemand auf die Idee kam, sie vorzeitig einzuschulen, schreibt in einem Buch, das sie auf eine Videokassette diktiert hat: «Aber nur, weil ich in diesem Kindergarten gesteckt hab’, passierte mir das ganze Leben meine Trauer. Wenn Sie Ihre Kinder in den Waldorf-Kindergarten schicken, so werden sie dumm, strohdumm. Sie kennen keine Musik mit Melodien. Sie müssen es in der Schule sehr schwer haben. Sie können keinen Text. Sie kennen keinen Text von der Musik. Sie wissen es nicht. Sie kennen keine Witzlieder. Es war einfach traurig, so traurig … Meine Eltern haben mich noch rechtzeitig aus diesem Kindergarten herausgeholt» (1997, S. 27).
45 „xxx“ schreibt dazu: «Mein Freund Konstantin malte immer gerne Feuerwehrautos und Polizeiautos. Aber das durfte er nicht. Einmal aber, da malte er einen ICE. Und da machte er noch Buchstaben drauf, ganz schön. Das konnte die Schilling (Erzieherin) nicht leiden, dass er schon schreiben konnte. Und dann kriegte sie eine Wut und sagte zu ihm: ‘Und die ICEs, die lässt du bleiben! Mal Zwerge, Sonnen, schöne Prinzessinnen.’ So richtig waldörflich musste er malen. Für einen Jungen war das ein richtiges Problem» („xxx“ 1997, S. 24).
Ich bin einigermaßen enttäuscht. Bis jetzt kamen von den „Fachautoren“ nur Allgemeinplätze („Die Grünen sind da völlig unkritisch“) oder Plakatives wie der anscheinend waldörfliche Hang zum Tanzen und Töpfern. Wo sind die erwähnten TV-Beiträge von Herrn Krauß zu sehen, dass man sich sein eigenes Bild machen kann? Gegen welchen Artikel der Verfassung verstößt das, was da in BW läuft – was genau, und warum nur „eigentlich“? Und wer ist der Schulrechtler, der das behauptet? Fragen über Fragen, wo ich als Unschlüssiger in Sachen „schicken wir unser Kind auf die Waldorfschule oder nicht?“ Antworten erwartet hätte.
Was mich als Nichtakademiker aber wirklich abstößt, ist die unbeschreibliche Arroganz, die hinter der Aussage „…dass da Leute, die nicht studiert haben…“ steckt. Die universitäre Ausbildung in allen Ehren, aber gerade als Zeitgenossen eines Herrn zu Guttenberg sollten wir sie relativieren und mit Dingen wie Lebenserfahrung, Charakterbildung oder pädagogischem Fingerspitzengefühl vergleichen. Diese Dinge vermisse ich allzusehr bei manch studiertem Lehrkörper.