Wenn die Schere im Kopf ihr Unwesen treibt

Wolfgang J. Koschnick (s. Foto) ist gar nicht gut zu sprechen auf die Tageszeitung vor Ort. Der renommierte Fachbuchautor aus Allensbach war von Südkurier-Redakteur Uli Fricker zum Interview gebeten worden. Anlass: Koschnicks neues Buch „Der große Betrug. Die hartnäckigsten Lügen und Irrtümer über die Werbung“. Doch das geführte Interview erschien nie. Der Südkurier hat offensichtlich Angst, noch mehr Werbekunden zu verlieren und schweigt deshalb das kritische Buch und seinen Verfasser lieber tot

Am 19. September, Koschnicks Buch war gerade erschienen, tauchte Uli Fricker in Allensbach auf und befragte den Autoren zu seinem neuen Werk. Koschnick stand während eines etwa zweistündigen Gesprächs Rede und Antwort über Werbung und Werbewirkung. Er erinnert sich: „Insgesamt wurden wirklich kritische Themen gar nicht angesprochen. Der Redakteur bemühte sich von vorneherein um eine weiche Befragung (Was ist Ihr Lieblings-Werbespot? Schauen Sie gerne Werbung?)“. Dann hörte Koschnick nichts mehr von Fricker und fragte deshalb am 1. Oktober per Mail bei ihm nach, wann mit dem Abdruck des Interviews zu rechnen sei. Postwendend kam die Antwort:

Guten Abend Herr Koschnick,

Das Interview ist schon seit einigen Tagen fertig. Leides ist es so, dass es nicht erscheinen wird. Die Kollegen der Wirtschaftsseite, auf der es erscheinen könnte und sollte, gaben mir den sehr gut gemeinten und kollegialen Rat, das Interview zurückzuziehen. Grund: In unserem Medienhaus würde das Interview auf wenig Verständnis stoßen, da wir zu einem guten Teil vom Verteilen und Abdrucken von Werbung leben.

Hier sind uns schlicht die Hände gebunden. So war die Mühe also umsonst. Ich bitte um Nachsicht – und bedanke mich doch für das gute Gespräch. Ich denke und hoffe, dass Sie als Kollege die Grenzen redaktioneller Freiheit kennen. Der Text hätte sich für die Beteiligten im SK zum Bumerang entwickeln können. Was keiner will. Herzlichen Dank für Ihr Verständnis.

Mit freundlichem Gruß

Uli Fricker 

Doch Verständnis für diesen Versuch einer Erklärung will bei Wolfgang J. Koschnick nicht aufkommen. Er habe es selten erlebt, „dass ein Journalist so lächerlich und so unverhüllt vor den Werbekunden einknickt“. Und weiter: „Ich weiß zwar, dass so etwas häufig vorkommt, es verschlägt mir dennoch den Atem, wie schamlos ganze Redaktionen sich ihren Werbekunden unterwerfen“. Sein abschließendes Fazit fällt überaus deutlich aus: „Der Grundsatz der Trennung von Redaktion und Werbung ist heute offenbar zur sklavischen – auch noch freiwilligen – Unterwerfung unter die Werbung verkommen. Wenigstens beim Südkurier“.

Unsere Anfrage bei Uli Fricker, der weithin als eher liberaler und offener Kollege gilt, blieb unbeantwortet. Es ist zu vermuten, dass Fricker enormen Druck von der Verlagsleitung bekam. Davon ist auch Koschnick überzeugt, dem Fricker erzählt haben soll, dass er bei einer Veröffentlichung des Interviews „um seinen Job fürchten“ müsse.

Autor: H.Reile

Nachtrag: Mittlerweile haben auch andere Medien das brisante Thema aufgegriffen, unter anderem die Redaktion von „Zapp“ (NDR), die morgen darüber berichten wird.