Wenn „Tur Tur“ kommt

„Herr Tur Tur“, so hieß der Scheinriese, dem Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer einst auf ihrer abenteuerlichen Reise durch die Wüste begegneten. Je näher der baum­lange Kerl kam, desto mehr schrumpfte er auf Normalgröße. So ähnlich wird es wohl am morgigen Samstag werden, wenn die Verwaltung die Automobilisten zur Ordnung rufen möchte. Viel Lärm um vermutlich ziemlich viel heiße Luft.

Morgen also holt man aus zur „Aktion Donnerschlag“, wie schon vor Wochen aus der Verwaltung zu hören war. Zur breit angelegten Attacke will man übergehen und den motorisierten Besuchern aus nah und fern zeigen, dass man nicht länger gewillt sei, den chaotischen Verkehrsverhältnissen auf Konstanz´ Straßen weiter in Demut zuzuschauen. Klingt erstmal gut, aber das ziemlich großmäulige Vorhaben wird sich bei genauerem Hinschauen als kleines Mäuslein entpuppen, das kurz die schadstoffgeschwängerte Luft schnuppert, dazu ein nasses Fürzlein lässt und sich dann wieder auf unbestimmte Zeit in seinen Bau zurückzieht. Konstanzer Verkehrspolitik eben: Same procedure as every week.

Unverdrossen glauben die städtischen Akteure dennoch, dass ihrem Tun Erfolg beschert sein werde. Hundertschaften wollen ausrücken, um „verkehrssichernde Maßnahmen“ einzuleiten, die dazu führen sollen, die Innenstadt „verkehrssicher“ zu gestalten. Alle Verstöße dagegen möchte man mit „großem Personalaufwand“ ahnden. Abschleppaktionen sind geplant, Falschparker werden gebüßt, Ordnungshüter und Verkehrskadetten aufgeboten, um den motorisierten Bösewichtern ihr schändliches Tun ein für alle Mal auszutreiben. Diese Aktion, so eine breit gestreute Medienmitteilung, würde bei den Adressaten sicherlich für „Nachdenklichkeit“ sorgen. Und ja, die Erde war und ist immer noch eine Scheibe.

Anderntags dann wird im Dorfblatt zu lesen sein, dass der verkehrserziehende Donnerschlag grenzüberschreitend ein beachtlicher Erfolg gewesen sei und man alsbald mit einer deutlichen Verkehrsentlastung rechnen dürfe. Wenn nicht, kann man immerhin mit treuseliger Miene flöten, man habe es zumindest versucht. Das nennt man Symbolpolitik ohne wirklich ernsthafte Absichten.

Wer redet heute noch über Alternativen wie City-Maut oder Umweltplakette? Was spricht dagegen, radikale Maßnahmen – Absperrung der Innenstadt bei Überfüllung – auszuprobieren und den ÖPNV schnellstmöglich so auszubauen, dass er für Einkaufstouristen tatsächlich zur Alternative wird und sie ihr Blech zu Hause stehen lassen (s. Archivfoto)? Oder: Warum greift man nicht endlich den mehrmals vorgebrachten Vorschlag der Linken Liste auf, in regelmäßigen Abständen einen autofreien SAMSTAG einzuführen?

Ganz einfach: Der Konstanzer Einzelhandel, eskortiert von LAGO-Manager Hermann, würde kurzerhand zeternd die Barrikaden stürmen und lauthals den wirtschaftlichen Untergang der Stadt prophezeien. Das hat bislang immer noch gefruchtet. Erst kommt der Umsatz, dann lange nichts und am Ende der Kette sind bestenfalls schemenhaft die vernachlässigbaren Ansprüche der Einwohner auf eine lebenswerte Stadt zu erkennen.

H. Reile