Wenn Verlagschef Wiesner selber in die Tasten haut

Wir hatten mehrfach schon auf die verdeckten Versuche des Südkuriers hingewiesen, Einfluss auf die Entscheidung des Konstanzer Gemeinderates zu nehmen, ein Amtsblatt einzuführen. Heute steht das Thema zum zweiten Mal auf der Tagesordnung, und Rainer Wiesner, Geschäftsführer der Südkurier GmbH, entpuppt sich ganz offen als Einflüsterer in eigener Sache.

In der Max-Stromeyer-Straße scheint der Bammel umzugehen. Kein Wunder: Erst kommt die Staatsanwaltschaft ins Haus, dann gibt es Zoff mit freien Mitarbeitern (seemoz berichtete jeweils) und jetzt erwächst dem Heimatblatt gar kommerzielle und redaktionelle Konkurrenz in der Stadt. Zwar konnte ein erster Versuch – zugegebenermaßen auf recht kuriose Weise – abgewehrt werden, und auch die Lokalredaktion tat ihr Bestes, vor einem Amtsblatt zu warnen, doch jetzt muss der Verlagschef selber in die Tasten hauen.

In einem Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden (und an wen noch?) spricht Rainer Wiesner von der Gefahr „presseähnlicher Berichterstattung in Amtsblättern“ und warnt vor Gesetzesbrüchen. Wahrscheinlich fungierte der Verlagsjustitiar als Ghostwriter, denn nun folgt ein juristisch verschrobener Hinweis auf Artikel 5 Grundgesetz (da geht es um die Meinungsfreiheit) und bei Wiesner um „die Freiheit der meinungsbildenden Presse“.

Also, liebe GemeinderätInnen, seemoz fürchtet um „seine“ Pressefreiheit nicht. Wir fühlen uns durch ein Amtsblatt auch nicht in unserer bissig-kommentierenden Berichterstattung (morgen an dieser Stelle erneut nachzulesen) über die Arbeit von Verwaltung und Rat eingeschränkt. Aber darum geht es wahrscheinlich auch Rainer Wiesner nicht.

Er fürchtet nicht um die Freiheit seiner Redaktion, sondern ums Geschäft. Denn immerhin würden amtliche Verlautbarungen wie Tagesordnungen oder Bebauungspläne dann nicht mehr kostenpflichtig im Südkurier abgedruckt, sondern stattdessen im Amtsblatt – Anzeigenerlöse in sechsfacher Höhe gingen dem Heimatblatt wohl verloren. Und noch ist auch nicht ausgemacht, wem das lukrative Zusteller-Geschäft der neuen Postille übertragen wird. Es geht also um viel Geld für Verlagschef Wiesner.

Und da sind dann schon mal besondere Maßnahmen angezeigt. Wie diese unverschleierte Einflussnahme auf Parlamentarier. Übrigens wohl nicht die erste dieser Art, denn Wiesner selber erwähnt in seinem aktuellen Schreiben vorige Gespräche mit verschiedenen Fraktionsvorsitzenden.

Jedem Manager bleibt es unbenommen, auch aggressiv für sein Produkt zu werben, doch vor der Tür des Ratssaals sollte Schluss mit solchen Einflüsterungen sein. Wo doch derzeit so viel von den Werten der Demokratie die Rede ist.

hpk

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