Wer hat noch Persilscheine übrig?

Ein bislang geheimes Gutachten zeigt, dass sich Helmle nicht nur an jüdischem Eigentum bereichert hat, sondern auch in Waschmittelwerbung verstrickt war. Somit nimmt die Diskussion über ihn zusätzlich Fahrt auf. Außerdem freuen wir uns über die Adelung eines verdienten Kommunalpolitikers, berichten Neues aus der Südkurier-Zentrale und treten den Narren ans Schienbein. Grund genug, sich begierig auf die aktuellsten Nachrichten aus der Stadt zu stürzen.

Morgen ist es soweit: Wolfgang „Pattex“ Müller-Fehrenbach  (CDU), seit gefühlten 100 Jahren Mitglied im Konstanzer Gemeinderat, bekommt das Bundesverdienstkreuz 1.Klasse verliehen. Angeblich habe er sich, so der Einladungstext, „vielfältige Verdienste im sozialen, kulturellen und schulischen Bereich“ erworben. Aha. Schon einmal, 1991, wurde ihm ein Verdienstkreuz ans Revers genagelt. Was kommt da noch? Die Seligsprechung durch seinen Glaubensbruder Josef Ratzinger bei der Eröffnung des Konstanzer Konziljubiläums? Die neue Auszeichnung wurde ihm noch von „Ehrensöldner“ Christian Wulff zugeschustert. Der oberste Schnäppchenjäger und Arbeitsverweigerer kommt allerdings nicht persönlich zur Kreuzübergabe, er befindet sich zur Zeit auf Erholungsurlaub.

„Müfe“, wie ihn viele nennen, ist dieser Tage arg im Stress. Händeringend sucht der Christdemokrat nach Dokumenten, die seinen Parteifreund Bruno Helmle entlasten könnten. Das zumindest ließ er im Gemeinderat verlauten, als ohne seine Beteiligung auf durchaus hohem Niveau über die braune Vergangenheit Helmles diskutiert wurde und sich alle einig waren, dass dem langjährigen Konstanzer Oberbürgermeister die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen sei. Wer also noch einen sogenannten „Persilschein“ für Helmle im Keller hat, oder zumindest eine gute Fälschung, möge sich umgehend bei Müfe melden.

Noch ein anderer CDU-Mann erwirbt sich täglich neue Freunde. Roger Tscheulin, Fraktionsvorsitzender seiner Partei, hat während der Gemeinderatssitzung erklärt, warum er den Aufruf für die Demonstration gegen rechte Gewalt am 16.3. nicht mittragen kann. Der Mitveranstalter VVN („Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“) sei „linksextremistisch“ und werde zudem vom Verfassungsschutz beobachtet. Und der Verfassungsschutz steht bei Tscheulin offensichtlich immer noch hoch im Kurs. Das schlichte Gemüt aus der Adenauerära empfiehlt sich für höhere Aufgaben. Etwas nachdenklich geworden ist Tscheulin dieser Tage, als er feststellen musste, dass auch die Freien Wähler, der Judoclub Konstanz und kirchlich engagierte Frauen die Demonstration unterstützen. Da sieht der Mann vor lauter Linksextremisten den Wald nicht mehr.

Der heutige Donnerstag bietet allerhand zusätzliche Kurzweil. Ab 18 Uhr wird im Rosgartenmuseum über den elenden Zustand der hiesigen Tageszeitung diskutiert. Denn vor allem die ausgedünnte Kulturberichterstattung kommt bei den LeserInnen nicht gut an. Nach längerem Drängen haben sich nun leitende Südkurierredakteure bereit erklärt, Rede und Antwort zu stehen. Das dürfte spannend werden. Zusätzlich ein Thema könnte auch der neue Online-Auftritt des Südkurier sein. Wer hat denen nur dieses Debakel beschert? Die Seite ist völlig unübersichtlich und benutzerunfreundlich. Dauernd wird man mit Werbung zugeknallt und auch optisch ists eine Katastrophe. Wer einen längeren Artikel lesen will, wird genötigt, mehrere Clicks zu tätigen und bis man endlich auf die nächste Seite kommt, kann man zwischendrin locker seine Küche streichen.

Kein Wunder, dass es vor allem auf den Lokalseiten keine Kommentare mehr gibt. Kritiker vermuten, mit ihrem Netzdesaster würden die Südkuriermacher versuchen, die Online-Nutzer derart zu vergraulen, dass selbige wieder für teuer Geld die Printausgabe abonnieren. Da diese aber auch nicht besser ist, wird das wohl nicht klappen.

Die Narretei ist an uns vorüber gezogen und hat Spuren hinterlassen. Allerdings keine guten. Die Altstadt ist immer noch übersät mit Glasscherben und vor allem der Münsterplatz entwickelt sich zunehmend zu einem beliebten Aufenthaltsort für Freizeitfakire und Masochisten. Ganz im Ernst: An einem Glasverbot während dieser angeblich so tollen Tage in der Innenstadt kommt man nicht mehr vorbei. Die Alternative wäre: Die Narrenvereine räumen den Glasmüll selber weg. Aber mit diesem Verursacherprinzip wollen sich die Verantwortlichen partout nicht anfreunden.

Lieber jammern sie noch, dass die Einschaltquote bei der Übertragung der Saalfasnacht aus dem Konzil so elend in den Keller rasselte. Sie rätseln bis heute, woran das wohl gelegen haben mag. Ich rätselte lange mit und kam schließlich dahinter: Einfach am Programm. Was da an Peinlichkeiten und Hirngülle über den Sender ging, ist nicht mehr zu ertragen. Doch der SWR will an der stundenlangen Liveübertragung des Elends immer noch festhalten. Dabei bietet sich eine Alternative an: Die Fasnachtsveranstaltung, für die Florian Riem und Tobias Engelsing verantwortlich zeichnen. Alle Auftritte waren mal wieder im Vorfeld ausverkauft und boten gute und niveauvolle Unterhaltung. Wer ruft mal beim SWR in Stuttgart an und klärt die Programmverantwortlichen auf?

Fasnachtsteil Nummero drei. Bis heute haben sich die Konstanzer Obernarren öffentlich nicht dazu geäußert, dass Neonazis beim Umzug mit marschierten. Stattdessen sonderten einige von ihnen allerlei fahrlässigen Quark ab. Wer über die braunen „Deppen“ berichte, so eine Obernase, betreibe Werbung für sie. Dann doch lieber wegducken und wegschauen, wenn Rechtsradikale ungehindert durch die Stadt ziehen? Chapeau!

Andere Baustelle. In nichtöffentlicher Sitzung sollte dem Gemeinderat geflüstert werden, was die Entlassung von Müller-Esch nun gekostet hat. Was dann aber Klinikdirektor Rainer Ott, flankiert von Claus Boldt, zum Besten gab, war eine einzige Frechheit. Völlig widersprüchliche Zahlen geisterten durch den Raum, die mit der Realität kaum etwas zu tun haben. Den Herren, beide mitverantwortlich für den finanziellen Schaden von schätzungsweise knapp einer Million Euro, sollte mindestens ein Jahresgehalt gestrichen werden. Doch leider geht das nicht, stattdessen muss es der Steuerzahler richten. Mehrere Räte waren über den Vortrag von Ott und Boldt erbost. Die Geschichte wird ein Nachspiel haben. Versprochen.

Und sonst? Katamaran-Nutzer ziehen seit Wochen mal wieder die Arschkarte. Erst war es zu kalt und die Schiffe froren ein. Bald haben wir wahrscheinlich Hochwasser und die Mistteile können nicht anlanden. Im Sommer könnte sengende Hitze dazu führen, dass die Motoren schmelzen und wieder nichts geht. Dann, im Herbst, lassen aufkommende Winde keine Fahrten zu. Aber wir haben es ja und lassen uns diesen schlechten Scherz gerne weiterhin mehrere hunderttausend Euro pro Jahr kosten. Vorschlag: Schiffe versenken und die Bus-Städteverbindung anständig ausbauen. Und zwar subito.

Zuallerletzt. Langsam wird es eng Richtung OB-Wahl. Will denn keiner diesen Job? Von den Grünen und der SPD war zu hören, so um Ostern rum würde man eine Kandidatin oder einen Kandidaten präsentieren. Da sind wir ja sehr gespannt, wer uns da ins Haus schneit. Wieder ein Öko, der auf Nachhaltigkeit setzt, von neuen Parkhäusern in der Innenstadt träumt und nochmal das Thema KKH aufkocht? Die Gauklerpartei schlägt dem Vernehmen nach vor, bei der OB-Wahl könne man auch den Namen einer Kandidatin oder eines Kandidaten eintragen, der offiziell gar nicht kandidiert. Warum eigentlich nicht?

Autor: H.Reile