Wer Parkplätze sät, wird Autos ernten

In der vorgestrigen Sitzung des Technischen und Umweltausschusses zeichnete sich deutlich ab, dass die große Verkehrswende hin zu ÖPNV, Fuß- und Radwegen ausbleiben dürfte. Die Verwaltung möchte vielmehr in wesentlichen Zügen weitermachen wie bisher und setzt auf die Allheilkraft des C-Konzeptes. Aber immerhin: Der Wasserbus hat gute Chancen.

Der Masterplan Mobilität 2020+ wurde den KonstanzerInnen vom Gemeinderat im Jahre des Heils 2013 unter den Weihnachtsbaum gelegt. Sein Ziel ist es unter anderem, die Verkehrsmittelwahl („Modal Split“) der Bevölkerung zu ändern: Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV), also vor allem des Autoverkehrs, am Gesamtverkehr soll deutlich sinken, die Anteile des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie der Fußgänger und Radfahrer sollen steigen. Das spart (Park-) Platz, vermindert Lärm und Umweltschäden und schont die Nerven aller, die einen Bleifuß nicht für die herausragendste Charaktereigenschaft eines freien Bürgers halten.

Der Masterplan Mobilität nebst zahlreicher Dokumente zum Herunterladen findet sich übrigens hier: http://www.konstanz.de/umwelt/01604/04651/index.html

Wie umsetzen?

Nun formuliert der Masterplan zwar hehre Ziele und Vorgehensweisen, die tatsächlichen Einzelmaßnahmen müssen aber im Laufe der Jahre erarbeitet und beschlossen werden. Dass dabei keine Denkverbote erlassen wurden und auch die Sinnhaftigkeit von Seilbahn, Wasserbus und Straßenbahn geprüft wurde, ehrt die Stadtverwaltung. Schließlich geht es um Entscheidungen, die teils das Antlitz und die Lebensqualität der Stadt noch nach der Jahrhundertwende prägen werden.

Während andere Städte nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges einen planerischen Neuanfang als autogerechte Stadt unternahmen, hat Konstanz weiterhin viele Verkehrsnadelöhre. Ein gedrängtes Nebeneinander von Bahn, Bussen, Autos, Fußgängern und Radlern wie in der Konzilstraße wurde bei der mittelalterlichen Anlage der Stadt nicht vorhergesehen.

Prioritäten setzen

Heute gilt es zu entscheiden, wer wo wieviel Platz erhält, auch wenn das auf Kosten anderer Verkehrsmittel geht. Wenn man sich eine klima- und menschenfreundliche Stadt auf die Fahnen geschrieben hat, bedeutet das, im Zweifelsfall die für den Autoverkehr verfügbaren Flächen einzuschränken und anderen Verkehrsarten zur Verfügung zu stellen. Dazu ist die Stadtverwaltung offensichtlich nur in eher symbolischem Maße bereit, wenn man einmal von der neuen Fahrradstraße in Petershausen absieht. Stattdessen will man dem Auto eine weitere Chance geben.

In diesem Zusammenhang mag übrigens eine Prophezeiung des Verkehrsexperten Gerald Hamöller von Interesse sein. Auf die Frage von Stadtrat Thomas Buck (JFK) auf die Auswirkungen des autonomen Fahrens auf den Verkehr der Zukunft antwortete er, natürlich werde der Autoverkehr dadurch deutlich zunehmen. Über weitere Folgen könne man derzeit allerdings nur spekulieren.

Derzeit gibt es in der Stadt „nur“ 2750 Parkplätze, während in drei Stunden bis zu 4000 Kraftfahrzeuge aus der Schweiz einreisen. Stephan Fischer, Leiter der strategischen Verkehrsplanung, sieht darin die Hauptursache für die Staus. „Alle Konzepte versagen,“ sagte er, „wenn die Stellplätze voll sind“. Eine City-Maut wie in London ist nach Fischers Angaben in Deutschland nicht erlaubt, daher sieht die Verwaltung vor allem eine Lösung: Neue Parkplätze am Brückenkopf Nord, am Döbele und am Schänzle, außerdem eine elektronische Verkehrsführungsanlage statt der Verkehrskadetten.

Zudem, und hier sind der deutsche und der Schweizer Bund gefragt, fordert die Stadt eine schnellere Abfertigung am Zoll. Da die Schweizer an der Zollanlage aber pro Jahr 300 „Fahndungserfolge“ zu verzeichnen haben, stehen sie einer großzügigeren Abfertigung natürlich skeptisch gegenüber.

Die alte Rheinbrücke ist bald fällig

Es ist eigentlich keine Überraschung: Die Alte Rheinbrücke hat mittlerweile 80 Jahre auf dem Buckel und wird es nicht mehr lange machen. Sie muss in spätestens 20 Jahren durch eine neue Brücke ersetzt werden, wie bei dem Gutachtervortrag zu den Möglichkeiten von Straßen- und/oder S-Bahn in Konstanz deutlich wurde.

Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass der Neubau dann eine Straßenbahn tragen wird: Sie lohnt sich nur, wenn sie eine eigene zweigleisige Trasse erhält, und dafür ist in etlichen Teilen von Konstanz kein Platz vorhanden. Man müsste dafür etwa den Graben vor dem Inselhotel zuschütten oder überbauen, um zusätzlichen Verkehrsraum entlang der Konzilstraße zu gewinnen. So wird es voraussichtlich beim Status quo bleiben und Konstanz wird keine Straßenbahn bekommen, zumal die 11,8 km locker um die 400 Millionen € kosten könnten, wie Gutachterin Anne-Catrin Norkauer zu Protokoll gab.

Schippern statt schwimmen

Wer es bisher immer etwas lästig fand, aus der Stadt zum langsam absaufenden Bodenseeforum schwimmen zu müssen, dem wird ab dem zweiten Quartal 2018 geholfen: Dann nämlich soll ein Wasserbus seinen Probebetrieb aufnehmen. Man rechnet mit etwa 300 Fahrgästen pro Stunde, die vom Innenstadthafen im 20-Minuten-Takt in etwa 12 Minuten zum Bofo und angrenzenden Parkplatz bzw. Fernbus-Bahnhof schippern sollen. Das alles höchst ökologisch mit Photovoltaik und Wasserstoff, wie Christian Peter vom International Solar Energy Research Center Konstanz (ISC) zu berichten wusste. Er hält einen Fahrpreis von 2,20 € für kostendeckend. Dieses Projekt hat also Chancen, eventuell auch mit einem Zwischenhalt am Pulverturm, aber das ist noch offen. Natürlich seufzen NostalgikerInnen an dieser Stelle auf, ist ihnen doch das Fährle von der Spanierstraße zum Pulverturm noch in bester Erinnerung.

Ist das die Neuausrichtung?

In der anschließenden Debatte ging es unter anderem deshalb hoch her, weil die beiden Gutachter auf den Zug mussten, ehe alle Fraktionen ihre Fragen losgeworden waren. Anselm Venedey (FWK) geißelte diesen undemokratischen Missstand heftig, denn die Verwaltung hatte darauf im Vorfeld nicht hingewiesen. Er brach eine Lanze für die Fußgänger, die bei allen Überlegungen viel zu kurz kämen. Man tue viel zu wenig für ihre Sicherheit, und in Herosépark wie Fußgängerzone würden sie vom Radverkehr belästigt. Er forderte für die Innenstadt eine echte Fußgängerzone und Flaniermeile.

Gisela Kusche von den Grünen rief entschlossen „Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten“ in den Saal und kündigte ein Nein der Grünen zu mehr Parkplätzen an, weil das nur zu mehr Autos führen werde. Außerdem schlug sie vor, das Parkhaus Dammgasse im Rahmen des C-Konzepts, also der Sperrung des Platzes vor dem Bahnhof für den MIV, als Parkplatz für Fahrräder und Carsharing zu nutzen. Stephan Kühnle (FGL) brachte dann die Schwäche des Verwaltungsansatzes auf den Punkt: „Die Verwaltung will alle bedienen“, also auch die Autofahrer, und das sei kein zukunftsfähiges Konzept. Außerdem mahnte er mehr Geschwindigkeit bei den Verbesserungen für den Radverkehr an und erinnerte daran, dass die neue Fahrradstraße in Petershausen sinnlos sei, so lange der Zähringerplatz nicht radfahrerfreundlich umgestaltet wird.

Damit hat er den Finger in die Wunde gelegt: Ein rigoroses Umsteuern weg von der autogerechten Stadt lässt sich derzeit bei allem verbalen Getöse (Radstadt Konstanz, Klimaschutzkonzept) der Verwaltung kaum erkennen. Auch für die Betonköpfe in der Konstanzer Wirtschaft, die erheblichen Einfluss auf das städtische Geschehen haben, gilt noch immer: Nur ein autofahrender Konsument ist ein guter Kunde.

Eine Frage der nationalen Sicherheit

Am meisten überraschte in der TUA-Sondersitzung aber Matthias Heider (CDU), als er launig seine Erfahrungen mit der innerstädtischen Seilbahn in Brest zum Besten gab. Die führe nämlich mitten über ein militärisches Sperrgebiet, was ihn als alten Soldaten habe erbleichen lassen: Abgründe von Spionage hätten sich vor ihm aufgetan. Doch plötzlich wurden die Fenster der Seilbahn verdunkelt, so dass beim Überqueren des Geländes niemand mehr etwas sehen konnte. Da bumperte sein Kämpferherz gleich im Marschschritt weiter: Lieb Vaterland, magst ruhig sein!

So macht Politik Spaß.

O. Pugliese (Foto: Feuerwehr Konstanz)