Streit um das geplante neue Abfallgebührensystem
Die Konstanzer Entsorgungsbetriebe hätten gern ein neues Abfallgebührensystem. Die Verbände von Vermietern und Mietern (Haus & Grund Verband Konstanz und Deutscher Mieterbund Bodensee) sowie die Wohnungswirtschaft in Konstanz warnen in einer gemeinsamen Erklärung vor den entsprechenden Vorschlägen der Entsorgungsbetriebe. Wir dokumentieren hier beide Positionen.
Hier die Mitteilung der Entsorgungsbetriebe:
Das Konstanzer Abfallgebührensystem folgt bestimmten Grundsätzen: Jeder Haushalt erhält einen Abfallgebührenbescheid. Die Höhe der Abfallgebühren ist abhängig von der Anzahl der im Haushalt gemeldeten Personen. Zurückgehend auf die Vorschläge der Haushaltskommission im vergangenen Herbst, haben die Entsorgungsbetriebe Stadt Konstanz (EBK) für die bevorstehende Sitzung des Technischen Betriebsausschusses nun einen Vorschlag für eine Änderung des Abfallgebührensystems vorgelegt.
Die EBK beschreiben in der Sitzungsvorlage einen einfachen grundstücksbezogenen Gefäßtarif als Alternative zum aktuellen System. Bei einem grundstücksbezogenen Gefäßtarif können Größe der Abfallbehälter und Leerungsrhythmus der Tonnen nach Bedarf pro Grundstück bestellt werden. Der Abfallgebührenbescheid wird dann an die GrundstückseigentümerInnen, Eigentümergemeinschaften bzw. Hausverwaltungen ausgestellt. Konstanzer Mieterinnen und Mieter würden ihre Abfallgebühren nicht mehr direkt an die EBK, sondern als Teil der monatlichen Nebenkosten an die Vermieterinnen und Vermieter bezahlen.
Maßgebliche Vorteile des vorgeschlagenen Abfallgebührensystems liegen aus Sicht der EBK vor allem in zwei Aspekten: Einerseits würde die grundstücksbezogene Kalkulation eine Entbürokratisierung ermöglichen. Beispielsweise entfiele für neu eingezogene Personen in einer Wohngemeinschaft der notwendige Antrag bei den EBK auf „gemeinsame Veranlagung der Abfallgebühren“, da diese bereits als Nebenkosten mit der Miete bezahlt werden. Sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Verwaltungsmitarbeitenden wäre das ein Antrag weniger, der ausgefüllt, eingereicht, bearbeitet und beschieden werden muss. Diese Entlastung wäre auf Bürger- wie auf Verwaltungsseite spürbar, denn dieser eine Antrag wird jährlich rund 18.000 Mal gestellt. Und das ist nur ein Beispiel für die Entbürokratisierung bei einem grundstücksbezogenen Abfallgebührensystem. Im Abfallgebührenhaushalt der EBK würde der verringerte Verwaltungsaufwand rund 360.000 Euro einsparen, das entspricht etwa 6 % der aktuellen Abfallgebühren für Haushalte.
Andererseits würde mit einem Gefäßtarif dem häufig geäußerten Wunsch entsprochen, die Mülltonnengröße und den Leerungsrhythmus bedarfsgerecht zu bestimmen. Je nach Abfallaufkommen könnten entsprechend größere Tonnen mit häufigeren Leerungen oder kleinere Tonnen mit weniger Leerungen für das Grundstück bestellt werden. Aktuell ist die Größe der Abfallbehälter abhängig von der Anzahl der auf dem Grundstück gemeldeten Personen. Für jede Person sind je 15 Liter Gefäßvolumen pro Woche für Rest- und Biomüll vorhanden. Für den einen mag das viel zu viel sein, für die andere viel zu wenig. Der neue Tarif würde die bedarfsgerechte Behälterbestellung pro Grundstück ermöglichen.
Die Vorschläge der EBK werden in der kommenden Sitzung des Technischen Betriebsausschusses am 23.03.2023 im Ratssaal öffentlich diskutiert. Die Sitzungsvorlage inklusive Stellungnahme des Deutschen Mieterbundes ist bereits öffentlich zugänglich. Am 30.03.2023 liegt die Vorlage dem Gemeinderat vor, dessen Beschluss die EBK beauftragen kann, bis zum Jahresende ein neues Abfallgebührensystem auszuarbeiten. Damit wäre die grundsätzliche Umstellung des Systems zum Jahreswechsel 01.01.2026 möglich.
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Hier das Schreiben von Vermietern, Mietern und Wohnungswirtschaft:
- Das bestehende Gebührensystem ist rechtssicher, transparent und entspricht annähernd dem Müllaufkommen der Haushalte. Neue Argumente für eine Änderung wurden seit zehn Jahren nicht vorgetragen.
- Ein neues Gebührensystem mit einem grundstücksbezogenen Gefäßtarif bringt zwar Entlastungen bei den Entsorgungsbetrieben, belastet aber Grundstückseigentümer und Mieter. Während die EBK ihre Verwaltungskosten über die Gebühren umlegen können, können dies Vermieter nicht. Sie werden den höheren Verwaltungsaufwand mittelfristig durch höhere Mieten decken. Für die Bürger wird also nichts billiger.
- Müllgebühren sind nur dann umlagefähige Betriebskosten, wenn dies in den Mietverträgen verankert ist. Dies ist in vielen Konstanzer Mietverträgen nicht der Fall, eine Änderung ist einseitig nicht möglich. Selbst wenn die Gebühren umgelegt werden können, ist dies in größeren Wohnanlagen rechtlich und faktisch nur nach Wohnfläche möglich. Somit zahlt z.B. eine alleinstehende Rentnerin, die in einer 70 Quadratmeter großen Wohnung lebt, die gleiche Gebühr wie eine vierköpfige Familie. Das zeigt deutlich: Die Wohnfläche hat mit dem Abfallaufkommen überhaupt nichts zu tun und ist als Verteilmaßstab ungeeignet.
- Große Wohnanlagen haben Probleme mit der Sauberkeit und Überfüllung der Müllplätze und mit Müllentsorgung durch fremde Personen. Bei einem Gefäßtarif nimmt der Druck auf die Hausverwaltungen zu, zusätzliche Abfallcontainer – auch über den Bedarf der Wohnanlage hinaus zu bestellen. Höhere Container-Kapazitäten vergrößern jedoch das Mülltourismusproblem. Dadurch müssen die Bewohner der Großwohnanlagen mit steigenden Kosten rechnen.
- Der grundstücksbezogene Gefäßtarif schafft zwei Klassen von Gebührenzahlern. Bewohner von Ein-Familien- oder Reihenhäusern können gegenüber bisher günstigere Gefäßtarife wählen und werden relativ entlastet, während den Bewohnern größerer Wohnanlagen überproportionale Gebührensteigerungen drohen.
Unser Fazit: Die geplanten Änderungen führen also zu einer ungerechteren Gebührenberechnung. Selbst wenn die Entsorgungsbetriebe Verwaltungskosten einsparen können, kommen diese nicht bei den Gebührenzahlern an, da diese die Kosten anderweitig durch zusätzliche Verwaltungskosten, nicht oder nicht sachgerecht umgelegte Betriebskosten oder höhere Mieten bezahlen müssen. Das geplante Abfallgebührensystem wäre also für die Stadt und ihre Bürger als Ganzes nicht günstiger.
Konstanz, 20. März 2023
Haus & Grund Verband Konstanz, Deutscher Mieterbund Bodensee, Spar- und Bauverein Konstanz eG, Baugenossenschaft Familienheim Bodensee, Baugenossenschaft Hegau eG, Wobak
Text: MM, Symbolbild: O. Pugliese
Nachtigall, ick hör Dir trappsen…
Die EBK (ein Eigenbetrieb der Stadt Konstanz) schlägt vor, sowohl eigenen Bürokratie- als auch damit verbundenen finanziellen Aufwand zu reduzieren.
Höchst löblich angesichts der Tatsache, daß die städtische Bürokratie sich immer mehr aufplustert und immer mehr Stellen braucht?
Vordergründig betrachtet scheint das keine schlechte Idee zu sein.
Wehe aber, wenn man näher draufschaut!
Denn: Wer macht die Rechenarbeit, die die EBK respektive die Stadt KN nicht mehr leisten will? Ganz einfach: Andere!
Die aber sind nicht ganz so blauäugig, wie es der Stadtverwaltung dienlich wäre:
„Haus & Grund Verband Konstanz, Deutscher Mieterbund Bodensee, Spar- und Bauverein Konstanz eG, Baugenossenschaft Familienheim Bodensee, Baugenossenschaft Hegau eG, Wobak“ (Quelle Seemoz, 22.03.23.), haben bereits kundgetan, daß sie die geplante Änderung ablehnen.
Meine persönliche Kritik an den EBK- (d.h. städtischen) Plänen :
Die EBK sollen lieber erstmal ihre Hausaufgaben machen.
Ich vermisse eine sinnvolle und dauerhafte Aufklärung der Bürger seitens der EBK. Alles, was an eine Haustür oder ein schwarzes Brett gehängt werden könnte, ist oberflächlich und dürftig – mit einem Wort: Ungenügend.
Und diejenigen Auflistungen, die umfassend sind, die sind in ihrer „Ausführlichkeit“ wiederum so unübersichtlich, daß sie für einen Aushang nicht geeignet sind.
Diejenigen, die ihren Müll akkurat oder bestmöglich trennen, zahlen bisher für diejenigen mit, die entweder zu faul oder zu blöd sind, den Biomüll und Verpackungen (Gelbsack) separat zu sammeln und zahlen auch für diejenigen mit, die bei einer Aufräumaktion, einem Umzug oder einer Haushaltsauflösung panisch auch elektrische Teile eines Vorwerk-Staubsaugers und Plastikschüsseln und Tupperzeug in den überquellenden Restmüll stopfen.
Da sind die Beratung und Hilfestellung der EBK gefordert – aber da sehe ich die EBK nicht in der Offensive.
Auch finde ich es einen Skandal, daß der Konstanzer Restmüll trotz bekannter Defizite bei der Zusammensetzung unsortiert in Weinfelden verbrannt wird – zumal die Schweizer üblicherweise trennen nach brennbar oder nicht brennbar.
Souveräner dastehen würden die Konstanzer EBK, wenn sie zuerst ihre eigenen skandalösen Defizite angehen würden – derzeit eher ein krasser Gegensatz zum Nachhaltigkeitsgebrabbel der Stadtobrigkeit.
„Der TBA empfiehlt dem Gemeinderat, die Verwaltung zu beauftragen, bis zum Herbst 2023 ein neues Abfallgebührensystem auf Basis eines grundstücksbezogenen Gefäßtarifs auszuarbeiten und zur Beschlussfassung vorzulegen“.
Ich fordere den TBA auf, diese Empfehlung der Stadtverwaltung abzulehnen.
Franz-Josef Stiele-Werdermann
In meiner Kindheit gab es in Pforzheim folgendes Gebührensystem für die Müllabfuhr: der Kunde konnte wählen zwischen großen und kleinen Müllbehältern sowie zwischen ein oder zweimal Leerung pro Woche. Dazu musste der Kunde eine entsprechende Marke am Kiosk oder im Supermarkt kaufen und auf die Tonne kleben. Für besonders sparsame Haushalte, die garkeine Tonne benötigten gab es zudem noch Müllsäcke aus Papier zu kaufen. Also alles äußerst flexibel und bedarfsgerecht, ohne Computer oder digitaler Überwachung und verwaltungsarm!
Auch beim Müll ist es in der BRD wie fast mit allem in diesem Land: vieles wird anders, aber kaum etwas besser!