Wie der Südkurier öffentliche Gelder abgreift
Dass sich das regionale Monopolblatt auch aus öffentlichen Geldern finanziert, war bislang nur wenigen bekannt. Auch die RätInnen im Konstanzer Kreistag wurden eher durch Zufall auf dieses fragwürdige Finanzierungsmodell aufmerksam – und erteilten dem eine Abfuhr.
Noch knapp vor der Kreistagssitzung am Montag erreichte einige Kreisräte ein Brandbrief von Rainer Wiesner. Der Geschäftsführer des Südkurier-Medienhauses warnt in seinem Schreiben voller Eigenlob („… wir bilden den Boden für ein friedvolles Gemeinwesen in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung …“) davor, dem Heimatblatt „eine weitere wirtschaftliche Grundlage zu entziehen“. Was aber hatte Wiesner so alarmiert, dass er schon die Sterbeglocken für den Südkurier zu hören glaubte?
Das Heimatblatt kassiert
Unter Tagesordnungspunkt sechs auf der letzten Sitzung des Kreistages ging es um eine „Änderung der Bekanntmachungssatzung“. Bislang wurden amtliche Verlautbarungen – von Ausschreibungen bis zu Tagesordnungen – in vollem Umfang in der Tagespresse veröffentlicht. Und das ist in sieben Landkreisen und etlichen Kommunen ausschließlich das Monopolblatt Südkurier. Zukünftig soll das, so die Vorlage der Kreisgeschäftsstelle, geändert werden, denn eine Gesetzesänderung aus dem letzten Jahr macht Bekanntmachungen auch über das Internet möglich. 50 000 Euro könnte der Landkreis auf diese Weise einsparen.
50 000 Euro allerdings, die dem Heimatblatt allein im Landkreis Konstanz verloren gingen. Erst auf Nachfrage wurde bekannt, dass der Landkreis dem Medienhaus Jahr für Jahr bis zu 70 000 Euro für derartige Anzeigen überweist. Anders die Stadt Konstanz, die regelmäßig einen Pauschbetrag von 60 000 Euro beim Südkurier Medienhaus abliefert. Addiert für das gesamte Verbreitungsgebiet kommt da eine hohe sechsstellige Summe zusammen – eine sichere, konjunkturunabhängige Einnahme.
„Journalistische Dienste“
In der dann langwierigen Diskussion („warum soll nur der Südkurier begünstigt werden?“ oder „Älteren fällt der Internet-Zugang schwer“ oder „die Tage der Printausgaben sind ohnehin gezählt“ oder „wäre nicht ein Amtsblatt die bessere Lösung?“) schoss Uli Burchardt den Vogel ab: Der Konstanzer OB und gleichzeitig CDU-Fraktionschef im Kreistag forderte allen Ernstes, die eingesparten 50 000 Euronen dem Südkurier „für andere journalistische Dienste“ zu gewähren. Er sagte zwar nicht, welcher Art solche Dienste sein könnten, doch diese dreiste Begünstigung der Monopolzeitung mochten selbst bürgerliche KreisrätInnen anderer Fraktionen nicht mittragen.
Am Schluss kam, wie so häufig im Konstanzer Kreistag, ein Kompromiss zustande, dem eine deutliche Mehrheit zustimmte: Zukünftig sollen Mini-Hinweise im Lokalblatt veröffentlicht werden, die auf den vollen Wortlaut im Internet hinweisen. Zusätzlich gibt es dann in der Kreistagsgeschäftsstelle die Möglichkeit, die öffentlichen Bekanntmachungen einzusehen.
hpk
Meinungen, z.B. von Bürgerinitiativen, die nicht dem Mainstream von Landrat und Kreisrat entsprechen, werden permanent durch den SK unterdrückt. Und dies obwohl unwiderlegbare Fakten der Redaktion vorliegen. Veröffentlichungen zu bestimmten Themen werden fernmündlich zugesagt, aber nicht umgesetzt durch den SK.
Unter Herrn Appenzeller war der SK noch ein informatives und gern gelesene Regionalzeitung.
Das Wochenblatt ist aber nicht besser: Hier wird nur die grüne Botschaft verkündet!
Die wirklich spannende Frage ist doch, wie viele Kreiseinwohner man über den SK wirklich erreicht. Zahlen wird man nicht erfahren, aber es dürfte nur ein Bruchteil dessen sein, was unterstellt wird. Vermutlich haben schon das Wochenblatt und die kommunalen Amtsblätter mehr Leser.
Wir hätten da noch das SK-Anzeigenblatt, welches wöchentlich die Briefkästen überquellen lässt. Wäre damit vielleicht, wenn gewünscht, eine spezielle „Amtliche Mitteilungsbeilage“ zu kombinieren? Mit eigenem Titel? Das Ding, also das Anzeigenblatt, wird auch von Nicht-Internetfreaks gelesen. Und dann wäre da noch was ausführlich Amtliches dabei! Das Wochenende ist gerettet.
Kostenfrei sind die gedruckten Mitteilungsblätter in den Teilorten allerdings auch nicht. Aber zweifelsohne doch „leistbar“ – und nicht nur für ältere Menschen eine wesentliche Informationsquelle, sondern ein Bezugspunkt zum sozialen Leben (Teilhabe).
Daraus erklärt sich auch, dass eine konstante Nachfrage zu beobachten ist – glücklicherweise kein Anzeichen davon, dass solche Amtsblätter auf Papier aussterben könnten. Gleichzeitig haben sich Konzepte des „doppelten Informationsangebots“ bewährt – gedruckt und online.
Die novellierte Gemeindeordnung ließe viel Spielraum, hier in der Stadt Konstanz deutlich mehr zu tun als bisher – in unterschiedlichste Richtungen. Und damit auch den Zugang zu Amtlichem für jene zu ermöglichen, die sich keine Tageszeitung leisten können.
Und in Bezug auf die Leitlinien: Sie waren leider lange Zeit auch nicht sonderlich transparent. Mal sehen, ob die breite Bürgerschaft dann nach Vorstellung im Gemeinderat noch Gelegenheit haben wird, an den Richtwerten für ihre eigene Bürgerbeteiligung mitwirken zu dürfen…
Zur Frage, ob öffentliche Einrichtungen durch Bekanntmachunganzeigen den Südkurier finanzieren: Sie würde sich nicht stellen, wenn es auf regionaler und lokaler Ebene ein Pendant zum Tariftreuegesetz des Landes gäbe. Denn dann dürfte der Südkurier, der die Tarifbindung einseitig aufgekündigt hat und somit auch keine Tariflöhne mehr zahlt, überhaupt keine öffentlichen Aufträge von den Kommunen und dem Landkreis erhalten.
Hendrik Riemer übersieht, dass es Brüche in der Presselandschaft des Landkreise Konstanz gibt. Im Hegau rund um Singen ist Wochenblatt-Land. Das hat selbst Herr Wiesner vor wenigen Monaten zur Kenntnis nehmen müssen. Er zog im Gemeinderat mit seinem „großzügigen“ Angebot von dannen! Das Singener Amtsblatt erscheint weiter als Beilage im Singener Wochenblatt! Und Todesanzeigen liest man ebenda!
Die Forderung nach einem kostenfreien städtischen Amtsblatt, wie zum Beispiel in Litzelstetten, Dettingen-Wallhausen, Dingelsdorf, Reichenau und Allensbach, wird immer wieder erhoben. Zuletzt wurde dieses Thema intensiv in der Projektgruppe Bürgerbeteiligung diskutiert. Unter anderen hat sich die Vertreterin des Stadtseniorenrats für ein Konstanzer Organ in Papierform stark gemacht, da sich nicht alle SeniorInnen – gilt für jüngere Konstanzer Bürgerinnen und Bürger selbstverständlich auch – den Südkurier leisten können/wollen oder sich regelmäßig in der virtuellen Welt bewegen.
Der Entwurf „Leitlinien für Bürgerbeteiligung in Konstanz“, der zur Zeit verwaltungsintern geprüft wird, im April in einer öffentlichen Veranstaltung vorgestellt, diskutiert und (hoffentlich) in der Juli-Gemeinderatssitzung beraten und verabschiedet werden soll, findet sich übrigens hier:
http://www.bg-petershausen.de/medien/Leitlinien%20fur%20Burgerbeteiligung%20in%20Konstanz2015-12-11.pdf
Ich habe den SK seit längerem abbestellt. Als Grund teilte ich mit: Dürftige bis keine relevante kommunale Berichterstattung. Diese finde ich in seemoz, unter dem leidvollen Ausschluß von Todesanzeigen, die kreative Berichterstattung des SK über Vereinswahlen und ähnliches geht mir nicht ab. Die Redaktion des SK schmort in dem, was sie unter Journalismus versteht, da ist es nur zu verständlich, dass auf Zuwendungen aus dem Steuertopf nicht verzichtet werden kann.
Hendrik Riemer, Allensbach
Bei dieser Diskussion kann es doch nicht nur darum gehen, ob einem ein Lokalblatt sympathisch ist oder nicht. Da sind zuerst einmal die amtlichen Informationen, die möglichst zu jedem Einwohner, in jeden Haushalt kommen müssen. Das Internet ist dafür nur bedingt geeignet – und zwar einerseits, weil nicht jedeR sich mit dem Internet auskennt und Zugang hat, sondern andererseits auch, weil das „Fussvolk“ ja nicht weiss, wann welche Information anfällt/aufgeschaltet wird. Also jeden Tag auf der Homepage der Stadt, Gemeinde, des Landkreises nachschauen, ob da eventuell, vielleicht, möglicherweise etwas annonciert wird, was man wissen sollte, wollte, müsste. Man hat ja sonst nichts zu tun und kann gerne Seite um Seite besuchen und absuchen. Dieses Problem wird evtl. durch den gefundenen Kompromiss etwas verkleinert, aber für jene, die im Internet nicht unterwegs sind, löst er das Problem nicht. Da ist es wesentlich effektiver beim Lesen der Lokal-/Regionalzeitung quasi beiläufig die amtlichen Inserate zu sehen. Die Zeitung dürfte in den meisten Haushalten sowieso vorhanden sein – und sei es nur, weil die LeserInnen die Todesanzeigen lesen wollen. Inserate aber kosten nun mal Geld. Das gilt auch für die öffentliche Hand. Man kann ja kaum ernsthaft verlangen, dass amtliche Inserat gratis sein sollen. Dazu kommt noch, dass das Sterben der gedruckten Blätter nicht nur Vorteile hat. Bisher sind – gerade im lokalen Bereich – elektronische Angebote vor allem Ergänzung, Nischenprodukte – nötig, viele auch gut gemacht – aber für Viele eben wirklich „nur“ Ergänzung. Kommt nun das Monopolblatt stärker unter finanziellen Druck, wird es ja nicht besser oder vielfältiger oder gar kritischer – im Gegenteil: Es wird noch angepasster – es darf nämlich die verbleibenden Inserenten noch weniger verärgern. Denn wenn hier schon vermutet wird, die amtlichen Inserate könnten zu mangelnder Distanz zur Verwaltung führen – wie sieht das erst aus gegenüber einem grossen Inserenten? Noch dazu, wenn keine Kompensation durch andere Einnahmen da ist? Zeitungen werden nun mal auf der Rückseite von Inseraten gedruckt! Dann doch lieber Presseförderung durch amtliche Inserate.
Liebe Brigitte Matern,
ja die Beiträge an den SK werden auch reduziert. Der Kreis wendet nach Aussage des Landrats bisher ca. 70 000 – 80 000 Euro für Bekanntmachungen im SK auf. Die Verwaltung des Landratsamtes geht von Einsparungen von bis zu 50 000 Euro aus, nachdem der Vorschlag angenommen wurde.
Grüße
Marco Radojevic
Kreisrat
Es wird immer interessanter über welche Themen in der örtlichen Presse nicht berichtet wird.
In den Genuss dieser Erkenntnis kommen allerdings nur diejenigen, die wissen können, über Was eigentlich berichtet werden müsste.
Die Frage ist nicht, ob der Südkurier (Monopolist oder nicht Monopolist…) Geld für amtliche Bekanntmachungen bekommt, sondern ob ihn diese „Geschäftsbeziehung “ nicht zu einer anderen Berichterstattung verpflichten würde. In der Wahrnehmung immer mehr Bürger, ist die kommunalpolitische Berichterstattung auf ein Minimum eingedampft. Über die leisen und oft sehr konstruktiven Töne aus den Gremien, wird wenig geschrieben. Bürger Beteiligung und politische Meinungsbildung kann ohne detaillierte und umfassende Information nicht funktionieren, und sie muss verlässlich in möglichst alle Haushalte gelangen. Das sollte sich die Stadt und der Kreis etwas kosten lassen, bei ihren Medienpartnern einfordern, oder andere, alternative Wege suchen.
Was bedeutet der Kompromiss in Bezug auf die Beiträge an den Südkurier? Werden die auch reduziert?