Wie die Landesregierung die Gemeinden bluten lässt

Die magische Zahl: 35,68. Auf diesen Prozent­satz soll die Kreisumlage im nächsten Haus­halt steigen – nach derzeit 29,9 und zwischen­zeitlich geplanten 34,5 Prozent. Allein für die Stadt Konstanz würde das eine Mehrabgabe von fast 5,5 Millionen an den Landkreis bedeuten. Landrat Frank Hämmerle macht Ausgaben für die Flüchtlingsunterbringung für diesen Anstieg verantwortlich. Aber ist das die ganze Wahrheit?

Die nackten Zahlen: Per 31.10.17 leben 1862 Asylbewerber in den Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises – 31 Prozent weniger als im Vorjahr. Über das ganze Jahr 2017 kamen Monat für Monat nicht mehr als höchstens 50 Asylsuchende zu uns. Denen wird mittlerweile – endlich – eine individuelle Wohnfläche von sieben Quadratmetern zur Verfügung gestellt. Auch deshalb sind die Gemeinschaftsunterkünfte bis zum Rand gefüllt – die in der Konstanzer Stromeyerdorfstraße z. B. zu 98, die in der Radolfzeller Kasernenstraße zu 89 Prozent. Warum, wenn doch die Zahl der Geflüchteten stetig abnimmt?

Die Gemeinden kommen nicht nach

Nach 24 Monaten in Gemeinschaftsunterkünften, für die der Landkreis zuständig ist, haben anerkannte Asylbewerber das Recht auf eine Anschlussunterbringung, für die die Gemeinden zuständig sind. Doch die Gemeinden kommen mit dem Bau von Anschlussunterbringungen nicht nach: So weist die Stadt Konstanz ein Minus von 229 Plätzen auf, Stockach von 145 – nur zwei von 25 Kreisgemeinden erfüllen ihren gesetzmäßigen Auftrag. Trotz eines Rechtsanspruchs müssen dann also die Geflüchteten in der Gemeinschaftsunterkunft, von denen es immer noch 30 im Landkreis gibt, weiter hausen. Dafür zahlen die Gemeinden dem Landkreis zwar „Mieten“, die allerdings die wahren Kosten nur zur Hälfte decken. Der erste Fehlbetrag.

Das Land ist säumig

Der zweite Fehlbetrag entsteht, weil die Landesregierung ihren Zahlungsversprechen nicht nachkommt. Die zugesagte Erstattung erfolgt mit fadenscheinigen, bürokratischen Begründungen nicht: Stuttgart verlangt aufwändige Belegungslisten und Statistiken, verzögert andererseits die Anerkennungsverfahren und baut zusätzliche bürokratische Hürden auf – „der Landkreis rechnet allein im Jahr 2018 mit Kosten von rund 9,2 Mio. Euro, die nicht erstattungsfähig sind und zu Lasten des Landkreises gehen“, beschwert sich Landrat Hämmerle in einem Schreiben an das Innenministerium in Stuttgart. Dem Landkreis fehlen, so rechnet das landkreiseigene Amt für Migration und Integration vor, allein 2018 satte 17,2 Mio. Euro bei der Flüchtlingsbetreuung..

Die Kommunen zahlen – so oder so

Das Landratsamt also bleibt in zweifacher Weise auf den Kosten sitzen: Das Land zahlt nicht wie versprochen und die Gemeinden bauen nicht wie nötig. Der Landkreis aber, der kaum eigene Einnahmen erzielt, muss das Geld irgend woher beschaffen – da bleibt die Kreisumlage als einzig effektive Einnahmequelle. Letztlich sind es also die Kommunen, die, wenn sie nicht für eine Anschlussunterbringung – aus welchen Gründen auch immer: kein Geld, kein Platz, keine Einsicht – sorgen, den Fehlbetrag berappen müssen. Da muss irgendwer – in Berlin, Stuttgart, Konstanz oder Engen – den Föderalismus-Gedanken nicht zuende gedacht haben.

Und bei den Haushaltsberatungen im Januar wird es, nur um die Kreisumlage zu drücken, wieder Einsparungen anderswo geben. Raten wir mal: Bei den Sozialleistungen, bei der Jugendhilfe, bei der Bildung, bei den Zuschüssen zum Gesundheitsverbund. Wetten?

hpk (Das Archivfoto aus 2013 stammt von einer Demonstration vor der Gemeinschaftsunterkunft in der Konstanzer Steinstraße.)