Wie ein Kandidat in Schwung gebracht werden soll

Uli Burchardt wird gepusht. Vor allem die Heimatzeitung müht sich seit Wochen, den OB-Kandidaten aus Radolfzell zum Strahlemann umzuschreiben. Das geht nicht ohne Pannen und Peinlichkeiten ab, wie Veröffentlichungen gerade des letzten Wochenendes belegen. Doch Jörg-Peter Rau, wuseliger Lokalchef beim Südkurier, ficht das nicht an: Einem Werbetexter gleich preist er den blassen Kandidaten wie Käpt’n Blaubär an.

Entlarvend für solche Kampagne ist die Südkurier-Aufmacherseite im Konstanzteil von Samstag: Am Fuß eine vieltausendeuro teure, fünfspaltige Unterstützer-Werbeanzeige für Uli Burchardt (unfein, wer Unfeines dabei denkt) und darüber ein seitenfüllender Artikel über eine Wählerumfrage der Uni, wohlfeil mit Statistik-Balken garniert, die Wissenschaftlichkeit signalisieren sollen. Tenor: Kandidat Burchardt auf der Siegerstraße. Originaltext: „So sprach Uli Burchardt Anhänger von CDU und Grünen gleichermaßen an, konnte aber vor allem das größte Lager mehrheitlich für sich gewinnen: das der sich als unabhängig bezeichnenden Wähler“. Wohlgemerkt: Basis der Studenten-Umfrage ist ein Panel von 1071 (unter 26 198), nach Augenschein ausgewählten Wählern des ersten Wahlgangs am 1. Juli.

Nur beiläufig erfährt der Leser in einem Informationskasten: „Die Ergebnisse dieser Szenarien dürfen nicht als Prognosen für den zweiten Wahlgang am 15. Juli missverstanden werden“. Da schwante wohl auch den verantwortlichen Professoren, dass ihre Daten missverständlich interpretiert werden könnten. Doch der Keim der Stimmungsmache war etliche Zeilen vorher schon gelegt. Wieder Originaltext: „Und wohin gehen die rund 3700 Zylla-Stimmen? Bei 39 Prozent der befragten Wähler sei es unklar, sagten die Wissenschaftler. Beim Rest deutet sich eine Tendenz zu Uli Burchardt an, mit Abstand folgen Sabine Seeliger und Sabine Reiser.“

Wie ist das mit ATTAC?

Auch andere Informationen zu und um Burchardt wurden am Wochenende zurecht gerückt. Der Kandidat, der seit Wochen im Wahlkampf mit seiner Mitgliedschaft im globalisierungskritischen Netzwerk ATTAC kokettiert, muss sich von Thomas Koch sagen lassen: „Als Gruppenkoordinator und Ansprechpartner von ATTAC Konstanz möchte ich … klarstellen: Jeder kann in wenigen Augenblicken per Internet für 15 Euro pro Jahr Mitglied bei ATTAC werden. Ich freue mich über jeden, der es Uli Burchardt nach tun möchte: https://www.attac.de/mitmachen/mitglied-werden

Wenn Herr Burchardt aktives ATTAC Mitglied wäre, also regional oder überregional Lebenszeit investieren würde und Kontakt hielte, dann müsste ich oder ein anderes Konstanzer ATTAC- Mitglied davon eigentlich Kenntnis haben. Ich kenne Uli Burchardt nicht und habe ihn vor dem Wahlkampf nie gesehen. Herr Burchardt kennt als Lehrbeauftragter für Marketing selbstverständlich die Technik des Imagetransfers. Ein Imagetransfer wäre es zum Beispiel, wenn ein ansonsten farbloser Politiker seinen Namen mit einer positiv besetzten Organisation (z.B. ATTAC oder NaBu) in Verbindung brächte“.

Wie ist das mit dem Wirtschaftsrat der CDU?

Und noch einmal ATTAC-Sprecher Thomas Koch: „Uli Burchardt schreibt, ‚Ich gehöre der CDU an und engagiere mich im regionalen Vorstand deren Wirtschaftsrats‘ (Fehler im Original). Zum Verständnis: Der „Wirtschaftsrat der CDU e.V.“ ist nicht etwa ein Expertengremium, sondern ein Verein mit 12 000 Mitgliedern, bei dem man genauso einfach Mitglied werden kann wie bei ATTAC. Nach eigener Auskunft … sei Herr Burchardt Vorstandsmitglied, Sektionssprecher und habe Veranstaltungen organisiert. Auf der Homepage des Wirtschaftsrates ist als Kontaktperson nicht Herr Burchardt angegeben, eine Information, die man auch telefonisch beim Landesverband bestätigt bekommt. Google kennt zum Thema „Uli Burchardt CDU Wirtschaftsrat“ nur seine Moderation einer Veranstaltung von 2011 und davor nichts“.

Wie ist das mit der „Agentur für Helden“?

Über die „Agentur für Helden“ (die heißt wirklich so), die Burchardt als Referenten anbietet, erfährt man  wenig. In der Reihe der tatsächlich namhaften Redner tauchen neben Burchardt allerdings Thilo Bode, Gründer und Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch und vorher lange Jahre Manager bei Greenpeace, sowie Konstantin Wecker, linker Liedermacher, auf – beide waren für seemoz am Wochenende nicht erreichbar.

Die Büroadresse in Radolfzell ist übrigens deckungsgleich mit der des Abgeordnetenbüros von CDU-MdB Andreas Jung. Der Konstanzer CDU-Abgeordnete hat also schlicht seinen Büronachbarn als OB-Kandidaten abgeschleppt – ob das als Qualifikationsnachweis reicht?

Als Kommentar auf dem Konstanzer Blog dornroeschen.nu taucht gleichfalls am Wochenende die Einschätzung eines Anonymus auf, deren Wahrheitsgehalt nur teilweise überprüft werden konnte: „Der letzte veröffentlichte Bericht (der Uli Burchardt GmbH, die Red.) ist die Bilanz für das Geschäftsjahr 2010… Wer eine GmbH gründet und sechs Jahre nach Gründung immer noch das Stammkapital nicht beisammen hat, ist zwar buchhalterisch korrekt, aber nicht unbedingt seriös. Ein Jahresüberschuss von 8000 EUR bei 98 000 EUR Verbindlichkeiten ist nicht unbedingt solide. Ebenso wenig vertrauenserweckend ist die Eigenkapitalquote von gerade mal 15%.“

Auch über Burchardts Vergangenheit als Geschäftsführer des Versandhandels Manufaktum ist wenig Greifbares in Erfahrung zu bringen. Nach eigenen Angaben schied er 2005 bei der Firma aus, die 2007 von einer Tochtergesellschaft des Otto-Versands übernommen wurde. In der Personalabteilung des Otto-Versands allerdings ist der Name Uli Burchardt nicht bekannt.

Autor: hpk