Wie geht es den „Abgeschobenen“ auf dem Balkan?

alle-kinder-bleiben-hierRoma-Kinder aus Konstanzer Schulen und ihre Familien, die im Frühjahr durch „freiwillige“ Ausreise ihrer Abschiebung nach Serbien und Mazedonien zuvorkamen, werden Anfang Oktober Besuch aus Konstanz bekommen. Monika Schickel und Jürgen Weber vom „Arbeitskreis Roma-Solidarität“ (Aktion „Alle Kinder bleiben hier!“) wollen von 6. bis 10. Oktober insgesamt vier Roma-Familien aufsuchen.

Die vielfache Diskriminierung von Roma-Flüchtlingen aus den Balkan-Staaten wird in Deutschland in kaum einem Fall als Verfolgung anerkannt. Während in anderen europäischen Staaten wie Frankreich oder Belgien die Anerkennungsquoten von geflüchteten Roma bei bis zu einem Viertel der Asylgesuche liegen, beträgt die Anerkennungsquote auf deutschen Behörden lediglich rund 0,1%.

Deutschland macht nun innerhalb der EU Druck, Balkan-Staaten von allen Mitgliedern zu so genannten „sicheren Herkunftsstaaten“ erklären zu lassen. Dies, obwohl Diskriminierungen in den Herkunftsstaaten vielfach belegt und viele der Flüchtlinge Nachkommen der rund 500 000 im Holocaust ermordeten europäischen Sinti und Roma sind.

Hilfe durch Roma-Solidarität

Wie kompromisslos das Innenministerium Baden-Württemberg in Puncto humanitärem Bleiberecht mittlerweile agiert, zeigte sich in den Pfingstferien, als den fünf schulpflichtigen Konstanzer Kindern der Familie S. aus Serbien und Familie K. aus Mazedonien die Duldung bis zum Abschluss des Schuljahres verweigert wurde. Die Familien mussten Anfang Juni bei Androhung der Abschiebung überstürzt Konstanz verlassen und leben nun in prekären Verhältnissen in Bujanovac in Südserbien bzw. Radovis in Südmazedonien. Der Arbeitskreis Roma-Solidarität wird die Familien besuchen, ihnen kleine Hilfen überreichen und Sozial- und Gesundheitsversorgung sowie Bildungsmöglichkeiten der Kinder untersuchen.

Fluchtgrund für Roma-Familien vom Balkan ist nach Auffassung von Monika Schickel nicht die vordergründige Armut, sondern „die vielfache Diskriminierung, die erst zu Armut führt.“ „Die Menschen haben keine Arbeit, keine Bildungsmöglichkeiten und keine Sozial- und Gesundheitsversorgung, weil sie in den Herkunftsstaaten Willkür, vielfacher Diskriminierung und in der Summe letztlich Verfolgung ausgesetzt sind“, so Weber.

Die beiden Mitglieder des „Arbeitskreises Roma-Solidarität im Landkreis Konstanz“ werden in Bajanovac ebenso die Familie S., die zuletzt in Hilzingen untergebracht war, und die bereits im Mai 2014 abgeschobene Familie O. mit vier schulpflichtigen Mädchen im südmazedonischen Bansko bei Strumica besuchen. Auch dieser Fall hatte wegen der hohen Integration der Kinder für Aufsehen und Unmut unter ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern sowie in der Bürgerschaft gesorgt.

Reisebericht am 19.10.

Die kleine Konstanzer Delegation ist einer Rundreise von weiteren Ehrenamtlichen aus der Flüchtlingshilfe angeschlossen. Aus dem Raum Stuttgart, Tübingen und Nürtingen macht sich in diesem Zeitraum eine Delegation auf, um die Situation rückgeführter Roma-Familien aus ihrer Region zu dokumentieren. Die Gruppe wird von Skopje aus auch einen Tag entlang der „Balkan-Route“ bis zur griechisch-mazedonischen Grenze Flüchtlinge besuchen und – falls nötig – spontan helfen.

Getragen wird die Besuchs- und Recherchereise zu den Roma-Familien in Mazedonien und Serbien vom Stuttgarter gemeinnützigen Verein „Die AnStifter“. Die Konstanzer Delegationsmitglieder verwenden Gelder zu Sachspenden an die Familien. Geldspenden eines Benefiz-Konzertes, das im Juli im Konstanzer Kulturzentrum K9 zugunsten der Familien stattfand, werden im Zuge der Reise ebenfalls überreicht.

Monika Schickel und Jürgen Weber werden nach Rückkehr von der Reise am Montag, 19. Oktober  ab 19 Uhr im Konstanzer Treffpunkt Petershausen von der aktuellen Situation der Familien und den Reiseeindrücken berichten.

PM/hpk