Wie kann Konstanz zum sicheren Hafen werden?
Das Schicksal von Geflüchteten, die es in die größte Stadt am Bodensee verschlagen hat, kam im zu Ende gehenden OB-Wahlkampf viel zu selten zur Sprache. Dabei gehört Konstanz zu den Kommunen, die sich zum sicheren Hafen für Menschen auf Flucht erklärt haben. Gerade der Schreckensbilder aus Moria und der zynischen Mauerpolitik der Bundesregierung wegen ist es deshalb begrüßenswert, dass die Seebrücke Konstanz von den Kandidaten wissen wolllte, was sie zu tun gedenken, um die damit eingegangene Selbstverpflichtung mit Leben zu füllen.
Fünf Fragen legten die Konstanzer Seebrücke-AktivistInnen dem Amtsinhaber und seinen vier Herausforderern vor, um etwas über die Aufnahmekonzepte für Geflüchtete zu erfahren, und welche Integrationsmaßnahmen sie verfolgen wollen. Hier – in der Reihenfolge ihres Eingangs – die Antworten von Jury Martin, Andreas Hennemann, Uli Burchardt und Luigi Pantisano. Nicht reagiert auf die Anfrage hat Andreas Matt.
[the_ad id=’73355′]
1. Konstanz hat sich 2018 zum sicheren Hafen für Geflüchtete erklärt. Was unternehmen Sie, wenn Sie zum Oberbürgermeister gewählt werden, um die eingegangenen Verpflichtungen weiter mit Leben zu füllen?
Jury Martin: Ich versuche die KonstanzerInnen mitzunehmen, um gemeinsam die Versprechen meines Vorgängers und des Stadtrates umzusetzen die oben benannt sind.
Andreas Hennemann: Die Stadt Konstanz erklärt sich weiterhin bereit, aus Seenot gerettete Menschen direkt aufzunehmen und unterzubringen. Diese Aufnahme geschieht weiterhin zusätzlich zur Verteilungsquote Asylsuchender. Hierfür muss Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Ich werde mich dafür einsetzen, dass dieser Wohnraum entsteht oder gefunden wird. Weiter wird sich die Stadt Konstanz mit mir als Oberbürgermeister dafür einsetzen und bei anderen Städten dafür werben, dass dieser Weg der richtige ist. Unsere wohlhabende Stadt hat die moralische Verpflichtung zu helfen.
Uli Burchardt: Ich möchte, dass wir den eingeschlagenen Kurs fortsetzen.
Luigi Pantisano: Der Gemeinderat hat die Stadt Konstanz 2018 zum Sicheren Hafen für Bootsflüchtlinge erklärt. Damit ist die Selbstverpflichtung verbunden, auch über den eigentlichen Verteilungsschlüssel hinaus, aus Seenot gerettete Geflüchtete aufzunehmen. Dieses Selbstverpflichtung hat der Gemeinderat in einer zweiten Abstimmung bekräftigt. Zu dieser Verpflichtung stehe ich als Oberbürgermeister und werde mich gegenüber Bund und Land auch dafür einsetzen, dass die hilfsbereiten Kommunen diese Hilfe auch leisten dürfen und entsprechende Rettungsversuche nicht länger durch den Bundesinnenminister blockiert werden können.
2. Die Stadt Konstanz hat eine Patenschaft für das zivile Rettungsschiff „Alan Kurdi“ übernommen. Setzen Sie sich dafür ein, dass diese über das Jahr 2021 hinaus verlängert wird?
Jury Martin: Ja, denn ich denke es gab viele ähnliche Situationen in der Geschichte, auch von Deutschland, bei der durch Wegsehen viele Menschen gestorben sind. Meine Mutter ist im Krieg auch aus dem Osten geflohen und hat dieselben Vorurteile am eigenen Leib erfahren.
Andreas Hennemann: Ja!
Uli Burchardt: Ja, das halte ich für denkbar. Wichtig wäre für mich eine Evaluation der bisherigen Patenschaft und natürlich die Kenntnis der Haushaltssituation, die ist im Moment ja noch unklar.
Luigi Pantisano: Selbstverständlich setze ich mich für ein, dass die Patenschaft über das Jahr 2021 hinaus fortgeführt wird.
3. Die Unterbringung Geflüchteter ist in Konstanz prekär. Was werden Sie unternehmen, um über die geplanten Anschlussunterkünfte hinaus mehr menschenwürdigen Wohnraum zu schaffen?
Jury Martin: Das Problem der Unterbringung der Geflüchteten ist das gleiche wie für KonstanzerInnen und wird gleichrangig durch mehr Wohnungsbau angegangen.
Andreas Hennemann: Ich werde mich als Oberbürgermeister für die Schaffung einer Stiftung Wohnraum einsetzen, die Grund und Boden der Spekulation entzieht und Wohnungen vermietet. Dieses Konstrukt kann auch dabei helfen, Wohnraum für Geflüchtete zu schaffen. Miene genauen Vorstellungen hierzu findet man unter www.andreashennemann.de.
Uli Burchardt: Die Verwaltung arbeitet seit Jahren hart daran, Anschlussunterbringungen für Geflüchtete zu schaffen. Ich bin der Meinung, dass unsere Strategie richtig ist: Wohnraum für Geflüchtete darf nicht in Konkurrenz zu Wohnraum für alle anderen stehen. Deshalb gilt: wir bauen Wohnraum für Flüchtlinge „on top“. Wir sind sehr zügig unterwegs, eine Möglichkeit zur Beschleunigung sehe ich im Moment nicht.
Luigi Pantisano: Wir müssen mehr Anschlussunterbringungen für Geflüchtete schaffen, sonst werden sie nie richtig am Leben in Konstanz teilhaben können. Die WOBAK tut hier schon viel, aber es reicht leider nicht aus. Viele, die eine Berechtigung für eine Anschlussunterkunft hätten, leben sogar noch in den Gemeinschaftsunterkünften, von denen die Steinstraße z.B. ein wirklich problematisches Beispiel ist. Die Menschen leben dort zum Teil zu sechst, zu acht in einem Zimmer, was sie auf Dauer krank macht. Hier muss die Stadt dringend mehr für die Geflüchteten tun. Die Initiative „83 Konstanz integriert“ ist ein großartiges Beispiel, wie sich eine Stadtgesellschaft um die Geflüchteten kümmert. Die dezentrale Unterbringung möchte ich organisatorisch und finanziell fördern.
4. Wie möchten Sie die Integration von Neubürger*innen fördern?
Jury Martin: In dem ich den Menschen nicht nur abverlange, Deutsch zu lernen, sondern auch die kulturellen Unterschiede heraus stellen möchte, was erlaubt ist und was nicht. Als Beispiel z.B. der Umgang mit Frauen, die hier gleiche Rechte haben wie Männer oder das unsere Demokratie auf der Gewaltenteilung beruht etc.
Andreas Hennemann: Ich würde die beteiligten Organisationen einladen mit der Stadt gemeinsam Pläne zu erarbeiten. Ich denke, ein Ticket, um Kultureinrichtungen nutzen zu können, könnten die Integration fördern. Auch die enge Zusammenarbeit mit Konstanzerinnen und Konstanzern, Vereinen und sozialen Einrichtungen kann hier helfen.
Uli Burchardt: Laut der Studie „Urban Audit“, die wir regelmäßig machen, ist die Zufriedenheit der Bevölkerung mit Integration in Konstanz im bundesweiten Vergleich spitze. Trotzdem können wir besser werden, der Sozialbürgermeister arbeitet im Moment an einer Neustrukturierung der Stabsstelle Integration.
Luigi Pantisano: Ich möchte eine Stadtbürgerschaft (Urban Citizenship) einführen. Dies ist ein Konzept, dass bereits in den USA und Kanada erprobt und auch in Zürich zur Einführung diskutiert wird. Dabei ermöglicht eine KonstanzCard unabhängig von der Herkunft oder dem Aufenthaltsstatus eine größere soziale Teilhabe. Konstanzer*in ist, wer hier lebt. Weiterhin möchte ich die Vereine und Initiativen, die eine wichtige Rolle in der Integration übernehmen, stärker fördern: etwa Stadtteil- und Quartiersvereine wie Miteinander in Konstanz e.V., Geflüchteteninitiativen wie Save Me e.V. oder auch Sportvereine.
[the_ad id=’73028′]
5. Auf welche Art und Weise werden Sie dabei mit bestehenden Initiativen zusammenarbeiten?
Jury Martin: Ich bin für alle sinnvollen Vorschläge der Initiativen offen und froh über Hilfestellungen von Menschen, die sich damit ernsthaft auseinandergesetzt haben und Lösungen gefunden haben.
Andreas Hennemann: Ich werde als Oberbürgermeister den regelmäßigen Austausch suchen und Anregungen aufnehmen und nach Möglichkeit versuchen umzusetzen. Nur im regelmäßigen Gespräch und Austausch kann eine Zusammenarbeit fruchtbar sein.
Uli Burchardt: So wie bisher auch: das tägliche Geschäft liegt in der Hand der dafür zuständigen, aber meine Tür ist immer offen, wenn es mich braucht.
Luigi Pantisano: Die Initiativen, die es gibt, sind sehr gut und haben in der Vergangenheit äußerst wertvolle Arbeit geleistet. Beispiele sind hier SaveMe, Konstanz83, die Seebrücke, Miteinander in Konstanz und viele, viele andere. Es wäre ideal, wenn sie ihre Arbeit fortführen würden und wir bei Bedarf die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung ausbauen. Regelmäßige Treffen wären sicherlich auch hilfreich, damit ich weiß, wo der Schuh drückt und wo man von Seiten der Stadt unterstützen muss.
MM/red (Foto: Seebrücke Konstanz)