Wie Konstanz in Stuttgart Schulden eintreiben will
Frank Hämmerle ist sauer auf seine Parteifreunde in der Landeshauptstadt. Der Konstanzer Landrat wartet nämlich auf 10,77 Millionen Euro aus dem Innenministerium für die Betreuung von Asylsuchenden – diese Woche hat sich Hämmerle vom Kreistag sogar die Genehmigung geben lassen, die Stuttgarter zu verklagen, sollten die Euronen nicht noch in diesem Jahr fließen.
Im letzten Oktober herrschte noch eitel Sonnenschein. Da war Innenminister Thomas Strobl (CDU) eigens an den Bodensee gereist, um seinem Partei- und Duz-Freund Hämmerle zum Geburtstag und Dienstjubiläum zu gratulieren (Foto). Jetzt, nur drei Monate später, sind Gewitterwolken aufgezogen.
Denn der Landrat – und mit ihm der Kreistag quer durch alle Fraktionen – sieht die Landesregierung in der Pflicht, die Kosten zum Lebensunterhalt von rund 800 Asylbewerbern im Landkreis Konstanz zu übernehmen. Das sind Geflüchtete, die bereits mehr als zwei Jahre bei uns leben, aber immer noch keinen sicheren Aufenthaltsstatus haben. Diese Verpflichtung zur Kostenübernahme lasse sich, so die Landkreis-Juristen, aus dem Asylbewerberleistungsgesetz ableiten – 10,77 Millionen fallen dafür allein in 2018 an.
Während andere Bundesländer, allen voran Bayern (!), solche Kosten klaglos übernehmen, stellt sich das Stuttgarter Innenministerium quer. Erste Verteidigungslinie: Man sei gar nicht zuständig, sondern das Finanzministerium. Zweites Argument: Zahlen müssten die Sozialämter der Kommunen, letztlich also auch der Landkreis. Gegenargument aus dem Landratsamt: Man erfülle einen Auftrag des Landes und dürfe laut Landesverfassung (Konnexitätsgrundsatz) deshalb nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Einstimmig beauftragte darum der Kreistag letzten Montag die Verwaltung, eine Klage beim Verfassungsgerichtshof vorzubereiten, sollte das Land Baden-Württemberg seiner Pflicht im Laufe des Jahres 2018 nicht nachkommen. Einer solchen Klage, so hofft man am Konstanzer Benediktinerplatz, könnten sich andere Landkreise in Baden-Württemberg und der Landkreistag anschließen.
Ob damit allerdings der Streit aufgelöst werden kann, ist zumindest fraglich. Denn ein solcher Rechtsstreit dürfte sich über viele Jahre erstrecken – und Jahr für Jahr könnten ähnliche Kosten im Landkreis aufschlagen, die sich dann auf nahezu 50 Millionen summieren würden.
Eine politische Lösung scheint wahrscheinlicher. Dazu aber müssten sich die CDU-Parteifreunde aus Stuttgart und Konstanz zusammenraufen. Oder hört beim Geld die Freundschaft auch hier auf?
hpk (Foto: Presse Landratsamt)
Gleichgültig wer für die Kosten aufkommt, aufkommen muß: Es handelt sich doch in jedem Fall um Steuergeld. Da sollten sich die Beteiligten: Kommune, Land und Bund auch ohne einen Rechtsstreit einigen können. In meiner Wahrnehmung ist der Bund zuständig.
Das Land hat die Weisung zur Aufnahme von Flüchtlingen erteilt, und damit auch derjenigen, bei denen bis heute unklar ist, ob sie in Deutschland werden bleiben dürfen – oder nicht.
Nicht nur für diese Menschen ist die Situation eine Zitterpartie. Auch die Haushalte der Landkreise können solch eine immense Belastung nicht stemmen. Es ist aus meiner Sicht eine Verpflichtung des Landes Baden-Württemberg, seinen Aufgaben gerecht zu werden und die unerwartet hohen Kosten für die Asylsuchenden, deren Status weiterhin unklar bleibt, zu übernehmen.
Ich unterstütze den Landrat in seiner Auffassung, dass im Zweifel auf die Erfüllung des sogenannten Konnexitätsprinzips geklagt werden müsste. Denn nach meinem Verständnis entbindet § 15 Abs. 2 FlüAG auf Grundlage von § 10 AsylbLG nicht von der Kostenerstattung für Menschen, deren vorläufige Unterbringung nach § 9 Abs. 1 Nummer 4 zwar beendet scheint, gleichzeitig eine Verlängerung nach Abs. 3 nicht ausgeschlossen werden kann – und damit eine vorläufige Unterbringung nicht neuerlich erfolgt, sondern aufgrund des fehlenden Aufenthaltsstatus verlängert wurde. In diesem Fall scheint nach Art. 71 Abs. 3 Landesverfassung Baden-Württemberg die Aufgabenlast, aus der schlussendlich auch die Auslagenlast folgt (äquivalent zu Art. 104a Abs. 1 GG), auch weiterhin beim Land zu liegen (§ 2 Abs. 2 Nummer 1 FlüAG). Immerhin dürfte die untere Aufnahmebehörde in ihrer Zuständigkeit nach § 2 Abs. 4 FlüAG nur für sachliche Entscheidungen, nicht aber für finanzielle Aufwendungen verantwortlich sein.
Entlassen wir die Grüne Finanzministerin nicht aus ihrer Verantwortung. Die greift jedes Jahr in die Kasse des kommunalen Finanzausgleichs, anstatt den Städten und Gemeinden das zu geben, was ihnen zusteht. Damit die Flüchtlingslasten zwischen Land und Komunen anders aufgeteilt werden, muss Edith Sitzmann ihre gut gefüllte Kasse aufmachen. Doch danach sieht es nicht aus.
Eine ganz andere Frage ist die Rechtmäßigkeit des Haushalts 2018 des Landkreises. Das kommunale Haushaltsrecht fordert, die Einnahmen realistisch zu schätzen. Die 10 Millionen für die 800 Flüchtlinge sind ja alles andere als sichere Einnahmen, wenn sogar der Kreis im Zweifel klagen will. Daher bin ich gespannt, was die Rechtsaufsicht zum Haushalt 2018 sagt.