Wie Richter und Vermieter Hand in Hand arbeiten
Ein skandalöses Urteil des Landgerichts Konstanz empört Juristen und Mieterverbände: Eine junge Familie wird aus ihrer Wohnung in Petershausen geschmissen – wenige Monate, bevor ihr Eigenheim bezugsfertig ist. Mehr noch: Der Vermieter nennt als Kündigungsgrund den Eigenbedarf seines Vaters – doch der ist gestorben. Macht nichts, sagen die Richter, und verfügen die Räumung
Als wäre die Wohnungsnot in Konstanz nicht schon alarmierend genug (rund 3000 Suchende sind allein bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Wobak registriert, davon knapp 300 auf der Dringlichkeitsliste), verschlimmert die Rechtsprechung des Landgerichts die Lage der Mieter noch zusätzlich. So geschehen mit einem aktuellen Urteil zu einer Räumungsklage in Petershausen, mit dem ein früheres Urteil des Amtsgerichts Konstanz aufgehoben wurde.
Zum Sachverhalt: Der Vermieter kündigt die Drei-Zimmer-Wohnung mit der Begründung des Eigenbedarfs, der Mieter wehrt sich mit einer Klage vor dem Amtsgericht. Da bekommt der Mieter auch Recht, denn selbst die Amtsrichter mögen nicht glauben, dass der kranke Vater des Vermieters wirklich einziehen will. Der Vermieter lässt nicht locker und geht mit der selben Argumentation in die nächste Instanz. Das Landgericht Konstanz hebt das Urteil des Amtsgerichts auch aus formalen Gründen auf, hält den Eigenbedarf für gerechtfertigt, obwohl der vermeintlich einzugsbereite Vater mittlerweile verstorben ist, und gewährt der jungen Familie gerade einmal eine Drei-Monats-Frist für den Auszug. Bis zum 31.5. soll die Wohnung geräumt sein. Zudem brummen die drei Richter Boll, Dr. Kämmer und Dr. Scholz der Familie die Verfahrenskosten auf und lassen eine weitere Revision nicht zu.
Bis die junge Familie ihr Eigenheim in wenigen Monaten beziehen kann, muss jetzt eine Ersatzwohnung beschafft werden. Ein fast hoffnungsloser Versuch, wie jeder Wohnungssuchende in Konstanz weiß. Nicht nur nach Meinung des Anwalts der unterlegenen Mieter liegt die mieterverachtende Schärfe darin, dass die Berufungskammer erkennt, dass es sogar eine unbillige Härte sein kann, zweimal kurzfristig umziehen zu müssen, um im nächsten Satz zynisch festzustellen: Das ist zumutbar.
Eine weitere Härte erkennt Anwalt Bernhard Wittlinger in der Nichtzulassung einer Revision. Die nächste Instanz wäre der Bundesgerichtshof (BGH) – dort, so Wittlinger, würden zumindest die Härtegründe anders gewichtet als in Konstanz. Denn das scheint leider gängige Praxis: Härtegründe gerade in Mietangelegenheiten, die bundesweit anerkannt sind, gelten für das Landgericht Konstanz offenkundig immer seltener.
Und da muss sich der Laie, und dazu zählen in diesem Fall auch neunmalkluge Journalisten, schon fragen, ob die Richter am Konstanzer Landgericht nicht allzu häufig allzu freundlich im Sinne der Vermieter urteilen. Denn Härtefälle gerade in Mietangelegenheiten gerade in Konstanz gibt es wahrlich genug – die kranke Oma, die ihre Wohnung räumen muss, oder die junge Familie, die sich keine neue, dann meist teuere Wohnung leisten kann. Zumindest vor den Schranken des Gerichts sollten diese Mieter eine faire Chance bekommen.
Autor: hpk
Weshalb ist es dem Vermieter nicht zu zumuten, dass er noch ein paar Monate wartet, da die Familie ja sowieso ausziehen will? Normalerweise halte ich viel von unserem Rechtssystem, aber wenn der geschilderte Sachverhalt so stimmt, wie beschrieben, dann ist das Urteil nicht mehr menschlich nachvollziehbar. Solche Urteile untergraben das Vertrauen in die Justiz.
Mit Urteilsverfassungsbeschwerde vor’s BVerfG, jedoch langer Prozess mit unsicherem Ausgang…
Kann man gegen die Nichtzulassung der Revision nicht auch Beschwerde einreichen? Das ist durchaus ein Beispiel, das öffentliches und politisches Eintreten fordert…
Dennis Riehle