Wie sich der DGB selbst abschafft

Bernd „Fips“ Hanke hört auf als Konstanzer DGB-Vorsitzender. Die Organisation des diesjährigen, grenzüberschreitenden Marsches zum 1. Mai wird seine letzte Arbeit als Gewerkschaftsfunktionär in der Region sein. Aber wie geht es nach seinem Rückzug weiter mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB)? Im seemoz-Gespräch spart Hanke nicht mit Kritik an der Organisation, aber auch an einzelnen Kolleginnen und Kollegen. Er sieht schwarz für die Zukunft des DGB in Konstanz.

Demonstration und Kundgebung zum 1. Mai 2012 finden erstmals seit fünf Jahren wieder grenzüberschreitend statt. Deutsche und Schweizer Gewerkschafter treffen sich am Kreuzlinger Zoll und ziehen gemeinsam zur Kundgebung in die Dreispitz-Halle. Was bedeutet Dir als Konstanzer DGB-Vorsitzender solche Grenzüberschreitung?

Wir haben ja schon zweimal mit den Schweizer Kolleginnen und Kollegen den 1. Mai begangen. Letztes Mal, wie du richtig erwähnt hast, im Jahr 2007. Der 1. Mai ist seit über 100 Jahren der internationale Tag der Arbeiterbewegung. Deshalb liegt es auf der Hand, dass wir im Grenzgebiet zur Schweiz mit den Kolleginnen und Kollegen dort die Maikundgebung veranstalten. Die Probleme der Globalisierung machen ja nicht an den Grenzen halt. Es gibt in beiden Ländern die gleichen Angriffe der Herrschenden auf unsere erkämpften sozialen Errungenschaften, auf die Rente, auf die Krankenversicherung. Es muss in beiden Ländern um mehr Lohn gekämpft werden, um jeden Arbeitsplatz. Wir müssen gemeinsam um unseren gerechten Anteil am Vermögen, das erwirtschaftet wird, kämpfen. Freiwillig wird da nichts heraus gegeben. Wir brauchen alle zusammen bessere Arbeitsbedingungen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit und eine den Beschäftigten genügende Altersversorgung.

Das heißt für die Gewerkschaften in beiden Ländern, dass wir zusammen stehen, um gemeinsam dafür kämpfen zu können. Dass wir unsere Erfahrungen austauschen und stärker zusammen arbeiten. Und das heißt auch, dass wir natürlich auch zusammen feiern wollen. Und das tun wir dieses Jahr.

Mit dieser Veranstaltung wirst Du Deine Arbeit als Konstanzer DGB-Vorsitzender nach zehn Jahren beenden. Warum? Man wird Dich als Urgestein der Konstanzer Gewerkschaft vermissen…

Mir wurde auch vorgeworfen, dass ich als Linker für den Tod des Konstanzer DGB verantwortlich sei, wenn ich das tue. Bezeichnenderweise von Kollegen, die sich sonst nicht so hervortun in ihren Aktivitäten. Nein, ich denke 10 Jahre sind genug. Dass ich den DGB-Vorsitz in Konstanz niederlege, heißt ja nicht, dass ich aus der Welt bin, dass ich nichts mehr tue. Ich werde weiter im zukünftigen Kreisvorstand mitarbeiten, sofern man mich lässt. Dieser Kreisverband steht kurz vor der Gründung. Aber ich denke, die Zeiten eines gut funktionierenden Ortsverbands des DGB in Konstanz sind vorbei. Die Teilnehmerzahl bei Sitzungen ist mager. Die Kolleginnen und Kollegen, die kommen, sind nicht mehr in den Betrieben verankert. Ein Ortsverband oder Ortskartell des DGB, wie es früher hieß, kann eigentlich nur funktionieren, wenn dieses Gremium mit Gewerkschaftern und Betriebsräten aus den verschiedenen Konstanzer Betrieben besetzt ist. Da können dann die verschiedenen Probleme, die in den Betrieben auftauchen, diskutiert werden.

Da könnte man dann lokalpolitische Forderungen entwickeln, die die Arbeitnehmer dieser Stadt betreffen, und sich in die Kommunalpolitik einmischen. Das haben wir in der Vergangenheit ein paar Mal gemacht, so beim geplanten Konzerthaus oder beim Katamaran. Aber das war meiner Ansicht nach nicht genug. Und bei der Besetzung heute schon gar nicht mehr. Aber vielleicht gibt es ja noch andere Kolleginnen und Kollegen, die gute Ideen haben und die umsetzen wollen. Da wünsche ich natürlich gutes Gelingen!

Ist nicht auch die gewerkschaftliche Umorganisation schuld an solchen Veränderungen?

Es gibt aber noch andere Gründe, warum Ortsverbände des DGB so nicht mehr funktionieren. Der DGB zieht sich immer mehr aus der Fläche zurück. Früher gab es in Konstanz noch einen Hauptamtlichen als DGB-Kreisvorsitzenden. Denk` mal an Erwin Reisacher. Diese Position gab es bis 2000. Der letzte Kreisvorsitzende hieß Elwis Capece. Diese Funktion wurde gestrichen. Dann wurden Kreise zu Regionen zusammen geschlossen, bei uns Bodensee-Oberschwaben mit Sitz in Ravensburg. Die Arbeit des Kreisvorsitzenden wurde auf die Ortsverbände und die Regionen übertragen.

Inzwischen gibt es in Ba-Wü nur noch vier DGB-Regionen. Unsere, die Region Südwürttemberg, umfasst das Gebiet von Konstanz bis Ulm. Diese Regionen wird es in zwei Jahren aber auch nicht mehr geben, die werden abgeschafft. Das heißt, wenn es nicht gelingt, überall Kreisverbände des DGB zu gründen, dann gibt es den DGB nicht mehr vor Ort.

Wir haben in Konstanz zwar noch das Glück, ein DGB-Haus zu haben mit einem Büro für den Ortsverband. Aber kann mir mal jemand sagen, wie wir als Ehrenamtliche eine gute Arbeit abliefern sollen? Die meisten von uns sind auf Arbeit und nach Feierabend nützt Dir ein Büro gar nichts, weil die, die du anrufen willst, längst Feierabend haben. Aber die Delegierten auf dem Gewerkschaftstag haben das so beschlossen. Obwohl die Auswirkungen dieses Beschlusses auf der Hand lagen. So schaffen wir uns selber ab. So wird der DGB nicht mehr erfahrbar. Du merkst, es ist auch bei mir eine Menge Frust dabei.

Deine Kritik an der Gewerkschaftsarbeit verblüfft. Gehört sich das für einen langjährigen Betriebsrat, für einen lebenslangen Gewerkschafter?

Ob sich das gehört oder nicht, ist mir eigentlich sch….egal! Ich vertrete die Auffassung, dass man das, was einem nicht gefällt oder was offensichtlich eine falsche Entscheidung war, das man das auch kritisieren darf, ja sogar muss. Das Schlimme an der ganzen Angelegenheit ist, dass diese Entscheidungen nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Ich habe immer die Auffassung vertreten, und so ist auch mein Selbstverständnis, dass in demokratischen Organisationen diskutiert wird, bevor etwas beschlossen wird. Dass gemeinsame Willensbildung betrieben wird. Das ist mir an diesem Punkt zu kurz bekommen. Ich bleibe natürlich auch Gewerkschafter, das versteht sich von selbst. Ich lege nur dieses Amt nieder.

Wie sieht die Zukunft des DGB in Konstanz aus?

Wie gesagt, ich sehe wenig Zukunft für den Konstanzer Ortsverband, weil ich die Menschen nicht sehe, die da weiter machen. Wo ich die Zukunft sehe, ist in dem zu gründenden Kreisverband, zu dem die Einzelgewerkschaften ihre Delegierten benennen. Aber ob das funktioniert, liegt wirklich am aufrichtigen Willen der Einzelgewerkschaften, gemeinsam eine Politik für den Landkreis und für die einzelnen Städte des Kreises zu entwickeln. Ansonsten hat das Ganze nur eine Alibifunktion. Und das wäre schade

Autor: hpk

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