Wie verbreitet ist Diskriminierung an deutschen Hochschulen?

Die Arbeitsgruppe Hochschulforschung der Universität Konstanz ist Kooperationspartnerin bei der bislang größten bundesweiten Studierendenerhebung „Die Studierendenbefragung in Deutschland“ zu diskriminierenden Erfahrungen im Hochschulalltag. Mit Blick auf Diskriminierungsformen, Problembewusstsein und Auswirkungen auf das Studium stellt die Arbeitsgruppe in einer kürzlichen Presseinformation nun ihre Ergebnisse vor.

Der DZHW Brief, der von Mitgliedern der Arbeitsgruppe Hochschulforschung der Universität Konstanz verfasst wurde, beschäftigt sich mit der Frage, wie verbreitet Diskriminierung an deutschen Hochschulen insgesamt ist und aufgrund welcher Merkmale Studierende Benachteiligung selbst erfahren oder bei anderen beobachten. Das ließ sich bislang nicht genau bestimmen, da die Studienlage nur Diskriminierungserfahrungen an einzelnen Hochschulen oder spezielle Formen der Diskriminierung erfasste.

Hochschulen als Orte der Gleichberechtigung?

Als Stätte der Wissenschaft und Reflexion werden Hochschulen im Allgemeinen als Orte der Gleichberechtigung angesehen. „Die Studierendenbefragung in Deutschland“, eine Kooperation der Arbeitsgruppe Hochschulforschung der Universität Konstanz mit dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) und dem Deutschen Studierendenwerk (DSW), kommt zum Ergebnis, dass Hochschulen keine diskriminierungsfreien Orte sind. Etwa ein Viertel der befragten Studierenden gaben an, im Rahmen des Studiums schon einmal selbst Diskriminierung erfahren zu haben, und fast die Hälfte hat Diskriminierung anderer beobachtet. Frauen, Studierende mit Migrationshintergrund und nicht-heterosexuelle Studierende zeigen dabei ein erhöhtes Diskriminierungsrisiko.

Besonders stark Betroffene

Die Studienteilnehmenden wurden nach zwölf möglichen diskriminierenden Erfahrungen gefragt, die von der Herabsetzung erbrachter Leistungen bis hin zu Beleidigungen und Beschimpfungen, körperlicher Bedrohung oder Angriffen reichen.

Gruppenspezifische Analysen belegen, dass mehr Frauen als Männer von sexualisierter Belästigung und Gewalt berichten. Studierende, die sich selbst den sexuellen Orientierungen schwul, lesbisch, bisexuell, unklar und „eine andere“ (LGB+) zuordnen, erleben gleichfalls häufiger sexualisierte Übergriffe und körperliche Bedrohungen als heterosexuelle Studierende. Studierende mit Migrationshintergrund berichten häufiger von körperlichen und verbalen Bedrohungen und Angriffen als ihre Kommiliton*innen ohne Migrationshintergrund.

„Wir konnten nicht nur zeigen, dass diese Gruppen stärker betroffen sind als andere, sondern auch, dass sie von spezifischen Formen der Diskriminierung stärker betroffen sind“, sagt Jasmin Meyer, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe Hochschulforschung und Erstautorin des Policy-Papers, das die Politik in ihrer Entscheidungsfindung unterstützen soll.

Wie groß ist das Problembewusstsein?

Die Studie untersucht darüber hinaus, wie viele Studierende Diskriminierung bei anderen wahrnehmen. „Durch das Kriterium Beobachtung von Diskriminierung lässt sich zusätzlich erfassen, wie groß das Bewusstsein für das Problem ist“, erläutert Jasmin Meyer das Vorgehen. Insgesamt 46 Prozent gaben an, Herabsetzung anderer beobachtet zu haben. Wobei sich die Merkmale, aufgrund derer andere benachteiligt werden, von denen unterscheiden, die selbst erlebte Herabsetzungen ausmachen. So berichten Studierende am häufigsten, dass sie Diskriminierung aufgrund des Migrationshintergrunds beobachtet haben, selbst erlebt wird Diskriminierung hingegen am häufigsten aufgrund des Geschlechts.

Diskriminierung hat Auswirkungen auf die Studienzufriedenheit

Schließlich untersuchte die Studie die Zusammenhänge zwischen herabsetzenden Erfahrungen und der Studienzufriedenheit. Fazit: Je mehr herabsetzende Erlebnisse die Studierenden gemacht haben, desto weniger zufrieden sind sie mit der Atmosphäre in ihrem Studiengang – insbesondere im Gegensatz zu Studierenden ohne Diskriminierungserfahrung. Was wiederum Auswirkungen auf das Stressempfinden der betroffenen Personen hat. So fühlten sich 37 Prozent der Befragten, die mehrmalig oder regelmäßig Herabsetzungen ausgesetzt waren, sehr häufig gestresst. „Man kann sehen: Diskriminierung hat Auswirkungen auf den Alltag der Studierenden“, schlussfolgert Jasmin Meyer.

Autor*in: MM/red; Bild: Connie Lutz (Das Bild zeigt einen Wegweiser am Haupteingang der Universität Konstanz)

Originalveröffentlichung der Studie: Jasmin Meyer, Susanne Strauß, Thomas Hinz: „Die Studierendenbefragung in Deutschland: Fokusanalysen zu Diskriminierungserfahrungen an Hochschulen“. Einzelheiten zur Studie finden Sie hier.