Wieder eine Abschiebung aus Konstanz?
Die Landtagsabgeordneten und der Oberbürgermeister sollen helfen: Die Konstanzer Sektion der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“ (VVN-BdA) warnt in einem Offenen Brief vor der drohenden Abschiebung der serbischen Roma-Familie Jusufovic aus Konstanz. Die VVN-BdA setzt sich in diesem Fall besonders ein, weil es sich um Nachkommen von KZ-Inhaftierten handelt; die Großmutter der Familie hat als Kind mitansehen müssen, wie der Vater von Nazi-Schergen verschleppt wurde. Der Offene Brief der VVN im ungekürzten Wortlaut:
„An
MdL Hans-Peter Storz
MdL Siegfried Lehmann
Oberbürgermeister Uli Burchardt
Offener Brief zur drohenden Abschiebung der Familie Jusufovic
Sehr geehrte Herren,
die VVN-BdA Kreisvereinigung Konstanz protestiert entschieden gegen die drohende Abschiebung einer NS-Opferfamilie aus Konstanz. Die Geschichte der serbischen Roma-Familie Jusufovic wurde im Magazin unserer Bundesvereinigung als Titelgeschichte der Ausgabe Oktober 2014 ausführlich dokumentiert und bundesweit veröffentlicht. Es ist unerträglich, dass unmittelbare Nachkommen von aufgrund deutschen Rassenwahns in KZs inhaftierten und geschundenen Menschen im heutigen Deutschland keinen Schutz vor vielfacher Diskriminierung und ethnischen Übergriffen in ihren Herkunftsländern genießen.
Im vorliegenden Fall wurde massive körperliche Gewalt gegen Mitglieder der Roma-Familie im Herkunftsland nachgewiesen. Das Ergebnis der Prüfung der individuellen Fluchtgründe der Familie durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als „offensichtlich unbegründet“ ist sachlich nicht nachzuvollziehen. Welche individuellen Fluchtgründe sollen Roma-Flüchtlinge aus dem Balkan eigentlich noch vortragen und vorlegen? Wir haben erhebliche Zweifel daran, dass das Bundesamt unvoreingenommen Asylanträge von Roma-Flüchtlingen ernsthaft prüft und nicht zum Ziele der Ausreise oder Abschiebung massenhaft ablehnt.
Die niedrigen Anerkennungsquoten von Roma-Flüchtlingen sind in ihrer Systematik skandalös und gegen das Grundrecht auf Asyl gerichtet. Häufig werden „Widersprüche“ in den Befragungen oder unverhohlen das Vortragen der „Unwahrheit“ interpretiert. Dass Roma angeblich „lügen“, war und ist übrigens eines der häufigsten antiziganistischen und rassistischen Stereotype, mit denen Sinti und Roma in ganz Europa diskriminiert werden.
Wir finden eine Abschiebung der Familie Jusufovic für inakzeptabel und mahnen einen angemessenen Umgang mit unmittelbaren Opfern der NS-Diktatur und dem europäischen Völkermord an Sinti und Roma an. Wir bitten Sie, sich dafür einzusetzen, dass die Familie Jusufovic durch Abschiebung nicht wieder der Gefahr an Leib und Leben ausgesetzt wird und in Deutschland einen angemessenen Umgang als Nachkommen von NS-Opfern genießt. So wie das bei jeder anderen Opfergruppe selbstverständlich ist.
Mit freundlichen Grüßen,
Sören Gipp, Sprecherrat VVN-BdA Kreis Konstanz“[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Die Abschiebung von Sinti und Roma in scheinbar „sichere Herkunftsländer“ ist eine üble, menschenverachtende Praxis – jeder der nicht gerade beide Augen verschließt, sollte dies inzwischen wissen. Wie Landrat Hämmerle, der den Abschiebestopp im Winter knallhart abgelehnt hat, dazu steht, ist bekannt. OB Burchardt hat jetzt vor Ort eine Chance zu zeigen, dass er bei der Demo „Konstanz ist bunt“, für Toleranz und Menschlichkeit, für Flüchtlinge, nicht nur für die Öffentlichkeit und den SK mitmarschiert ist. Er kann jetzt aktiv werden und praktisch umsetzen, wofür er sich dort eingesetzt hat.