Wir Mondialos sind da. Versprochen.
Das Café Mondial neben dem Palmenhaus am Hussenstein feiert am Wochenende sein einjähriges Bestehen. Lutz Rauschnick, aktiv engagiert in dem Förderverein, beschreibt aus seiner persönlichen Sicht die aktuelle Situation und die Erfahrungen der ersten zwölf Monate. Auch seemoz gratuliert und schaut am Wochenende vorbei. Versprochen.
Nein. Unsere Erfolgsbilanz lässt sich nicht mit Exeltabellen und Statistiken abheften im Ordner „Ein Jahr Café Mondial 2016/2017“. Obwohl alleine in unserer Word-Datei „CMKalender“ 117 Termine zwischen dem 17. September 2016 („Workshop Argumentieren gegen Rechts“) und dem 12. September 2017 („Kleidertausch und Picknick“) stehen.
Ja. Wir Mondialos sind stolz auf unsere Erfolgsbilanz ein Jahr nach der Eröffnung am 25. September 2016 im früheren Sozialgebäude der städtischen GärtnerInnen neben dem Palmenhaus am Hussenstein. Doch das hat eben mit Menschen zu tun. Deren Emotionen, Erfahrungen, persönliche Verluste und Katastrophen wie auch Hoffnungen und Glück passen nicht zwischen Aktendeckel.
„Viel Aufklärungsarbeit“
Wir sind vielschichtig in dem, was wir tun respektive was wir uns alles vorgenommen hatten und haben seit der Gründung des gemeinnützigen Vereins vor zweieinhalb Jahren. Moustapha Diop, der Flüchtlingsbeauftragte der Stadt Konstanz, hat uns in seinem Statement zu unserem Einjährigen im – bockelhart selber renovierten, aber auch richtig schön gewordenen – Café so beschrieben: „Beim Thema Integration von Flüchtlingen in Konstanz ist Café Mondial einer unserer engagiertesten Kooperationspartner. Die Mondialos betreiben in dem Kontext viel Aufklärungsarbeit über den Hintergrund der Geflüchteten und von Flucht, bieten Beratung für Geflüchtete und Menschen, die sich für sie engagieren möchten, stellen ihre Räumlichkeiten für die Integrationsarbeit von weiteren engagierten Konstanzer Flüchtlingsorganisationen wie Save me, Kampagne 83, Refugee Law Clinic, Adtendo etc., Café Mondial führt zusätzlich selbst Projekte/Veranstaltungen durch, die Flüchtlingen helfen, vor Ort Fuß zu fassen.“ Zusätzlich haben wir dieser Tage mit GoAcademic und Transkon fusioniert, damit unsere Kontakte in die studentischen Bereiche deutlich intensiviert.
Elke Cybulla, die städtische Integrationsbeauftragte, beschreibt unseren Aggregatzustand in ihrem Glückwunsch u.a. so: „Mich freut besonders, dass es nach wie vor so viele Engagierte gibt, die da sind und dem Treffpunkt Woche für Woche Leben einhauchen, sei es durch einfachen Thekendienst, sei es durch Beratungen von Geflüchteten oder am Spieleabend und allen sonstigen Aktivitäten. Das ist einfach fantastisch.“
Worte, die gut tun. Die treffen und die wir auch brauchen
Ja, wir sind zu einer wichtigen Anlaufstelle geworden, das ist einfach so. Wir helfen – natürlich wie andere auch – bei Behördenterminen und Problemen der Geflüchteten, wenn Formulare oder Hausaufgaben nicht verstanden werden. Hinter diesen dürren Worten verbirgt sich gelegentlich auch Schicksalhaftes, da geht es beispielsweise immer wieder auch um Bleibe-Perspektiven.
„Niedrigschwelliges Beratungsangebot“ klingt wortungetüm, es ist auch nur ein Aspekt unseres Tuns. In der Mondial-Charta ist u.a. die Idee eines Begegnungsraums skizziert, wir wollen offen sein für alle Menschen, Willkommenskultur praktizieren, unsere Philosophie ist die „Partizipation als Grundlage“. Und da wird es wieder spannend, weil es natürlich wieder um Menschen geht, um Begegnungen, Erfahrungen und eigene Vorstellungen. Café Mondial ist basisdemokratisch orientiert – viel, viel Platz für Diskussionen. Das belebt uns, das hält uns hellwach, das ist Antrieb. Und Diskussionen, sich reiben, erzeugen Wärme, die befeuert.
Nein. Wir sind nicht immer einer Meinung im Café Mondial. Und das ist gut so. Wir Mondialos, so zwischen 18 und (mindestens) 71 Jahren alt, ringen gelegentlich herzhaft um Entscheidungen, beispielsweise, wenn Politik ins Spiel kommt, aber dann stellen wir auch wieder so großartige Events wie „Kicken gegen Rassismus“ mit auf die Beine.
Integration ist kein Behördenbegriff mehr
Und einige von uns machen durch ihre praktische Hilfe für Geflüchtete manchmal Erfahrungen, die nachdenklich stimmen können und vorsichtig formuliert werden müssen. Milchkaffee und selbstgebackenen Kuchen anbieten im Café an den drei Nachmittagen wöchentlich, das geht prima konfliktfrei. Aber da sind eben auch diese Gratwanderungen. Ein junger Geflüchteter, nennen wir ihn A., muss sich ein Zimmer suchen, eine Anschlusswohnung, da er sonst irgendwo im Landkreis zugewiesen wird, vielleicht weit weg vom inzwischen Gewohnten. Ein anderer, B., sucht dringend einen Ausbildungsplatz.
Ja, wir sind da. Wir holen uns gelegentlich schon mal einen deftigen Rüffel bei der Anfrage nach einer entsprechenden Stelle, aber das ist selten. Integration ist für viele Menschen kein papierner Behördenbegriff mehr. Und wir sind gerade dabei, genau deshalb mit Handwerkskammer und IHK die Zusammenarbeit zu intensivieren, noch im Herbst steht der Termin.
Aber: Wenn es um Menschen geht, geht es auch um Ansprüche, Vorstellungen vom besseren Leben, wie sie vielleicht vor der Flucht in der Heimat geweckt wurden. Illusionen? Möglich. Das sind dann Momente der Begegnung, Gratwanderungen, die diffizil sind, komplex und die Geduld benötigen. Auf beiden Seiten. Wie viel Selbständigkeit und Eigeninitiative darf ich erwarten von Jemandem, dem ich so gerne helfen möchte? Wie viel Entgegenkommen? Verständnis? „Bei uns in …… ist das anders!“ Mag sein. Andere Kulturen, unterschiedliche Selbstverständlichkeiten. Aber Integration ist ein Zusammenspiel. Wenn sie funktioniert, erzeugt sie Wärme, positive Gefühle auf beiden Seiten.
Und – ja: Sie funktioniert. Lebendig. Und wir Mondialos tragen genau dazu bei wie andere auch. Sollten wir im Café mal wieder darüber diskutieren wollen, ob wir das Sofa da hinten nicht vielleicht doch wieder ein Stück weiter rüber schieben sollten – nicht so ernst nehmen. Aber wenn’s gilt, sind wir da. Versprochen.
Lutz Rauschnick, Café Mondial