„Wir zeigen gemeinsam Haltung“

(pw) „1, 2, 3, 4 – eine Maske tragen wir / 5, 6, 7, 8 – Verschwörungsmist wird platt gemacht / 9 und 10 – wir wollen euch nie wieder sehen!“ Mit diesem an die Corona-LeugnerInnen gerichteten Slogan zog am Samstag ein „weißer Block“ von Beschäftigten des Gesundheitswesens die Seestraße entlang. Initiiert war die Demo von der ver.di-Betriebsgruppe Klinikum Konstanz. Auf der Kundgebung vor dem Krankenhaus hielt Noel Matausch eine Rede, die er am Sonntagnachmittag auf der Marktstätte wiederholte. Wir dokumentieren.

Das Jahr 2020 ist für uns alle ein verrücktes Jahr. Wälder brennen, Corona bricht aus, es stehen wichtige Wahlen an und jetzt wird Konstanz zur Demohauptstadt der Bundesrepublik erklärt. Situationen, mit denen wir alle zu kämpfen haben und in denen wir eigentlich alle zusammenwachsen sollten.

Durch das Coronavirus werden gerade wir Angestellten im Klinikum vor eine ganz besondere Herausforderung gestellt. Vor einem Jahr hätte niemand gedacht, dass wir heute hier stehen. Und ich hätte nicht gedacht, dass ich heute hier eine Rede halte. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal beklatscht werde für meine Berufswahl, dass mir Lavendel gepflanzt wird, dass ich Brillen und kostenlosen Reifenwechsel angeboten bekomme. Dass irgendjemand mal auf die Idee kommen könnte, mich systemrelevant zu nennen.

Und als es dann so weit war, dachte ich mir nur: Was soll ich damit? Was bringt mir der Applaus, was bringt mir der Lavendel, wenn nichts in der Politik passiert. Wir alle halten den Laden am Laufen und was bekommen wir dafür? Personaluntergrenzen werden aufgehoben, Erreichbarkeit auch während dem Urlaub wird ein Muss, ein Bonus wird versprochen und hoch bejubelt – und am Ende kommt dann doch nichts auf dem Konto an. Leere Worte, die nach der scheinbaren Überwindung der Krise niemand mehr interessieren. Niemand klatscht mehr, niemand spricht mehr über uns ach so systemrelevante Menschen.

Und was mir noch viel mehr Sorgen macht, ist, dass immer mehr Menschen sich aktiv gegen unsere Arbeit stellen. Und zwar nicht nur aus einer kleinen Minderheit heraus, sondern durch alle Schichten hindurch und auch aus den eigenen Reihen. Leute die behaupten, unsere Labore hätten den Virus gezüchtet und absichtlich verbreitet, die Regierung habe Corona nur erfunden und Bill Gates wolle die Welt zwangsimpfen, um einen Mikrochip in uns zu injizieren. Leute, die meinen, ihre Freiheit durch ein Stück Stoff verloren zu haben. Ein Stück Stoff, das sie zum Einkaufen und Zugfahren anziehen müssen.

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Dass wir diese Maske acht Stunden am Tag tragen und damit Stockwerke rauf und runter rennen, Menschen waschen, Betten beziehen und im Notfall Kranke sogar reanimieren, ist diesen Personen ganz egal. Denn sie haben eine Eigenschaft gemeinsam. Sie verkaufen ihren Egoismus als Nächstenliebe und Kampf für Frieden und Freiheit. Ich bin ehrlich. Auch ich habe keine Lust, acht Stunden am Tag eine Maske zu tragen, ich habe auch keine Lust auf Pickel und auch keine Lust auf Segelohren. Aber ich trage eine Maske und ich trage sie mit Stolz, denn ich weiß trotz allen Beschwerden: Ich bezwecke etwas Gutes damit. Ich trage diese Maske weiterhin jeden Tag. Weil es mein Beruf ist, meine Berufung und meine Pflicht als verantwortungsvoller Mensch. Weil es meine Pflicht ist, mich zu schützen, um andere zu schützen. Aber was bringt mir das, wenn ihr Egoismus nicht nur sie in Gefahr bringt, sondern auch uns und unsere Patienten, die darauf vertrauen, bei uns gesund zu werden. Wir geben unser Bestmögliches, dies auch zu tun. Aber durch verquerte Köpfe wird uns das immer schwerer gemacht.

Wir als Mitarbeiter der Kliniken müssen zusammenhalten und uns nicht von solchen Idioten und Fake-News-Verbreitern aus der Bahn werfen lassen. Wir müssen solidarisch mit allen Mitarbeitern in Kliniken auf der ganzen Welt stehen. Mitarbeiter in Amerika, die keine Chance haben, von der Politik auch nur ein bisschen Unterstützung zu bekommen. Mitarbeiter in Italien, die immer weiter kämpfen gegen das Corona Virus. Wir zeigen gemeinsam Haltung, gegen Verschwörungstheorien, gegen Idioten, gegen Rassisten und gegen allen, die unsere Arbeit durch Egoismus und Hass erschweren.

Ich bin froh, dass ihr heute dabei seid. Hört nicht auf, für das Richtige einzustehen, für Menschlichkeit und Solidarität. Danke.

Noel Matausch (Fotos: Pit Wuhrer)