Wird Bürgerbeteiligung ausgetrickst?
seemoz hatte schon im Juli gewarnt: Die einstmals beschlossene Bürgerbeteiligung für die Bebauung des Vincentius-Geländes soll ausgehebelt werden. Diese Kritik kam an, denn in der Sommerpause hat man sich in der Stadtverwaltung einen neuen Trick ausgedacht, lästige Bürger auszuschließen: Jetzt sollen Vereinigungen als „Gäste“ beteiligt werden: Bürgerbeteiligung aber sieht anders aus
Irgendjemand in der Verwaltung muss einen wahren Horror vor dem Bürger und seiner Meinung haben. Zwar war der Verwaltung in der letzten Sitzung des Technischen- und Umweltausschusses (TUA) aufgegeben worden, entgegen des eigenen Vorschlags für eine Bürgerbeteiligung zu sorgen, doch in der Vorlage zur nächsten TUA-Sitzung am kommenden Donnerstag liest sich das anders:
Vereinsvertreter als Gäste
„Aus Sicht der Verwaltung geschieht dies (die Bürgerbeteiligung, Anm. d. Red.) im Idealfall, in dem Vertreter der Bürgergemeinschaft Paradies e.V. sowie des Fördervereins Niederburg Vital e.V. als Repräsentanten der organisierten Bürgergemeinschaften der angrenzenden Stadtviertel als Gäste in das Wettbewerbsverfahren eingebunden werden. Auf diese Weise finden die Belange der Bürger direkten Einfluss in die Diskussion und können im Entscheidungsprozess berücksichtigt werden…Damit ist die angestrebte Bürgerbeteiligung sichergestellt.“
Wie bitte? Dann könnten zukünftig Fastnachts-Vereinigungen oder Sportvereine ebenso und stellvertretend für den Bürgerwillen herangezogen werden – die sind genauso wenig demokratisch legitimiert. Nichts gegen die jetzt von der Stadtverwaltung auserkorenen Vereine – doch der Förderverein Niederburg hat sich bislang auf die Organisation der Gassenfreitage und das Aufhängen von Kriegsbannern (feudalistischer Mummenschanz) konzentriert. Was prädestiniert nun diesen Einzelhändler-Bund, bar jeder demokratischen Legitimation, für alle Bürger zu sprechen? Bei der Bürgergemeinschaft Paradies e.V. liegen die Dinge etwas anders: Dieser aufmüpfige Verein, zuletzt durch den Rechtsstreit mit der Stadtverwaltung um die Kinderaufbewahrungs-Container beim Palmenhaus aufgefallen, könnte – so wohl die Absicht der städtischen Planer – rechtzeitig eingebunden und somit ruhig gestellt werden.
„Vergiftetes Angebot“
In beiden Fällen wohl ein „vergiftetes Angebot“, das zudem ein eigentümliches Verständnis von repräsentativer Demokratie offenbart. Und selbst ein massenhafter Eintritt interessierter BürgerInnen in die beiden Vereine könnte Mitsprache nicht garantieren. Denn zum einen sollen nur ausgesuchte Vertreter der Vereine eingeladen werden (wer sucht die aus?), zum anderen sollen die bloß als Gäste (wohl ohne Stimmrecht) gehört werden. Nein: Echte Bürgerbeteiligung sieht wirklich anders aus.
Es ist wohl noch ein weiter Weg für manche Stadtvertreter zur ehrlichen Bürgerbeteiligung und zu wahrer Transparenz. Da verbieten sich nämlich Tricksereien und Taschenspielerkniffe. Stattdessen ist Offenheit und Fairness gefordert. Und damit tun sich manche Politiker, wie man nicht erst seit diesem Fall weiß, noch reichlich schwer.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: hpk
Weiterer Text zum Thema:
14.07.2014: Kompetenter Partner im Wohnungsbau-Programm
Bürgerbeteiligung muss man sich überall erstreiten. Obwohl doch die Bürger und nicht Verwaltungsangestellte über die Zukunft IHRER STÄDTE entscheiden sollten. Wir in Jena haben während des Kampfes gegen ein Einkaufscenter ECE/OFB gelernt, Verwaltungsangestellte lesen noch nicht mal die in Auftrag gegebenen Gutachten objektiv. Das Ergbnis steht für sie schon vorher fest. Also muß der Bürger selbst die Gutachten: Umweltgutachten, Verträglichkeitsgutachten, Gutachten zum fließenden und zum ruhenden Verkehr und und und studieren und interpretieren. Nur mit Argumenten schafft man Aufmerksamkeit. Oft werden vorhandene Einzelhändler eingelullt: ein Einkaufszentrum schafft eine lebendige Stadt und auch für die ortsansässigen Händler mehr Umsatz. Wer darauf reinfällt, kann sich heute schon als Schildbürger bezeichnen, denn wenn man die Umsatzzahlen von heutigen Einkaufscentern inflationsbereinigt mal genauer liest, haben auch bereits große neue Einkaufscenter wie in Frankfurt am Main Probleme. Statt der von ECE prognostizierten Zahl von 40.000 Besuchern pro Tag kommen ins Skyline nur 25.000. Man behauptet jetzt 40.000 Besucher wurden nie erwartet. Nur blöd, dass bereits nach 1 Jahr z.b. Blumenhändler das Center verlassen mußten, zu wenig Umsatz und gegenüber der Bank hatte man mit den Prognosen von ECE geplant. 25.000 statt 40.000 ist da schon ein Unterschied. In der Immobilienbranche gibt es übrigens eine interessante Bezeichnung: Filialisierungsgrad der Innenstädte, das sollte jeden ortsansässigen Familienbetrieb zu denken geben:
“ ….Von Filialisierung spricht man in der Immobilienwirtschaft und Stadtplanung, wenn Filialisten ortstypische Geschäfte des Einzelhandels an einem Standort verdrängen.“
weiter lesen kann man hier:
http://www.immobilienscout24.de/gewerbe/lexikon/Filialisierungsgrad.html
Wenn überhaupt Bürgerbeteiligung passieren darf, dann nur mit Zaungaststatus.
Je mehr ich davon höre und lese, um so mehr APO Reaktionen wünsche ich mir.
Transparenz, Offenheit und Fairness werden wieder mal ins Wolkenkuckucksheim verschoben.
Soweit ich erfuhr, existiert nach Herrn Schröpels Ansicht (Bürgerbeauftragter der Stadt Konstanz) die Bürgergemeinschaft Paradies gar nicht, weshalb er sie auch nicht zu Diskussionen einlädt.
Nun, wenn das wirklich so kommen wird, dann läd man villeicht am Besten auch noch den Konstanzer Einzelhandelsverband als Vertreter der durchschnittlichen Bevölkerung ein.