Wissenschaftsministerin wird zur persona non grata
An der Universität Konstanz bahnt sich Streit an. Zum Dies Academicus, an dem traditionellerweise Ehrungen für Forschung und Lehre vergeben werden, hat sich mit Theresia Bauer prominenter Besuch angekündigt. Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin möchte Neurektorin Kerstin Krieglstein in ihr Amt einführen. Deutlicher Protest gegen den Besuch der Ministerin kommt nun von studentischer Seite. Die Studierendenvertretung ist unzufrieden mit Bauer und fordert deren Ausladung.
Sichtlich stolz zeigte sich die Universität in den vergangenen Wochen über den bevorstehenden Besuch der Ministerin. In der Einladung zum akademischen Feiertag am 19. Oktober wird sie namentlich als Gast aufgeführt und auch der Zeitplan der Veranstaltung wurde mit Rücksicht auf ihren Terminkalender angepasst. „Wir freuen uns, dass Ministerin Bauer am Dies academicus teilnehmen wird“, erklärt Julia Wandt, Pressesprecherin der Universität. „Ihr Besuch ist eine Wertschätzung gegenüber der Universität Konstanz und Kerstin Krieglstein als ihrer neuen Rektorin.“
Rebellion gegen „Campus-Maut“ und für Semesterticket?
Von studentischer Seite erfährt die Universitätsleitung dafür wenig Verständnis. Das Studierendenparlament erklärte die Ministerin prompt zur persona non grata. In den vergangenen Jahren habe sie die Bedürfnisse der Studierenden konsequent wirtschaftlichen Erwägungen untergeordnet, bemängelt etwa der Vorsitzende der Studierendenvertretung, Béla Koch. Beispielhaft dafür stehe etwa die sogenannte „Campus Maut“, mit der Studierende von außerhalb der EU mit 1.500 Euro-Gebühren pro Semester ordentlich zur Kasse gebeten werden.
Auch die Arbeit der Studierendenvertretung selbst werde aus dem Wissenschaftsministerium behindert, erklärt Kochs Mitvorsitzende Tanja Rebmann. So habe die jüngste Änderung des Landeshochschulgesetzes zu einer Gesetzeslücke geführt, sodass die politischen Kompetenzen der Verfassten Studierendenschaften nicht mehr eindeutig geregelt seien. Das explizite hochschulpolitische Mandat wurde im vergangenen Jahr auf Betreiben der CDU abgeschafft, womit das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel einer klareren Rechtsgrundlage für die erst 2013 wieder eingeführten verfassten Studierendenvertretungen in Baden-Württemberg deutlich konterkariert wird.
Unterstützung erhalten die Studierenden der Universität Konstanz durch die Landesstudierendenvertretung. Deren Sprecher Leonard von Woedtke zeigt sich über die mangelnde Unterstützung des grünen Wissenschaftsministeriums bei den Verhandlungen zu einem landesweiten Semesterticket enttäuscht. Diese sind inzwischen mehr oder minder gescheitert. Als Ergebnis steht derzeit ein Komponentenmodell zur Abstimmung, das nur wenig zum ursprünglich angestrebten Solidarprinzip passt. Gerade an eine grün geführte Landesregierung stelle er höhere Erwartungen beim Einsatz für mehr Nachhaltigkeit sowie an die Zusammenarbeit mit Studierendenvertretungen, erklärt von Woedtke.
Die Ministerin kommt trotzdem – und nun?
Die Universität Konstanz hält trotz des Widerstands am Besuch der Ministerin fest. Man könne zwar zum Teil die Kritik der Studierenden an Theresia Bauer verstehen, nicht aber die Forderung, die Ministerin auszuladen. „Es ist üblich, dass RektorInnen und PräsidentInnen von Hochschulen von den MinisterInnen oder MinisterpräsidentInnen ihres Bundeslandes in ihr Amt eingeführt werden“, erklärt Wandt. Gleichzeitig schätze man die Ministerin auch aufgrund ihres Einsatzes für die baden-württembergischen Universitäten.
Mit dieser Antwort dürften die Studierenden gerechnet haben. Die weitere Entwicklung darf dennoch mit Spannung beobachtet werden. Zwar herrschte an der Universität Konstanz bisher ein enges – beinahe inniges – Verhältnis zwischen Hochschulleitung und Studierendenschaft, letztere schwelgt aber inzwischen sichtlich in Nostalgie. „Früher waren Studierendenvertretungen ein wichtiger, oft rebellischer Akteur in der gesellschaftlichen Meinungsbildung“, heißt es in der Erklärung der Studierenden. Ob nun mit wilder Vergangenheit kokettiert wird oder den Worten auch Taten folgen und sich Land und Universität seit längerem endlich mal wieder auf etwas mehr studentische Rebellion einstellen müssen, zeigt sich spätestens am 19. Oktober.
dsc (Foto: MWK)
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Lieber Herr Krause,
Sie erlauben mir – als Mensch der sich ja schon länger an einer anderen Universität und ebenfalls auf der „dunklen Seite“ herumtreibt – sicherlich einige Anmerkungen.
„Aber damit ist weder gesagt, dass die Protestierenden die Mehrheit der Studierenden vertreten, (…)“
Bezüglich der inhaltlichen Aspekte möchte ich nichts sagen, aber es ist Aufgabe und der Anspruch der StuVe, die Studierenden zu vertreten, was der Name StuVe schon indiziert. Diese Form der Repräsentation ist zudem demokratisch legitimiert, da jedes Jahr Wahlen stattfinden, die – im Vergleich zu anderen Unis – doch ganz gut angenommen werden. Die Zahlen sind meines Wissens alle einsehbar.
Auch wenn ich die letzten Änderungen des LHG nicht genau im Kopf habe, so ist das Mandat der StuVe, die Studierenden vertreten zu dürfen/sollen in Fragen der Hochschulpolitik nicht soweit eingeschränkt worden, als den Protest als illegitim zu bezeichnen.
Im Gegensatz zu früheren Protesten, bei denen ja durchaus politische Einzelgruppen oder gar Einzelpersonen in Anspruch nahmen „die Studierenden“ zu sein, können wir hier davon ausgehen, dass die Agierenden alle gewählt worden sind und es sicherlich auch Absprachen in den gewählten Gremien gab.
Es ist wohl auch in diesem Fall so, wie so oft:
Es ist selbstverständlich das unbestreitbare Recht der protestierenden Studenten und Studentinnen gegen die Einladung der Ministerin zu protestieren. Aber damit ist weder gesagt, dass die Protestierenden die Mehrheit der Studierenden vertreten, noch – und das ist nicht weniger wichtig -, dass ihre Position inhaltlich richtig ist. Sowohl zur Frage des (allgemein)politischen Mandats der Studierendenvertretung, als auch zur Frage der Studiengebühren für Nicht-EU-Bürger gibt es – auch in der Studierendschaft wie an der Gesamtuniversität – unterschiedliche legitime Positionen. Man kann sich schon fragen, ob eine Studierendenvertretung ein Mandat haben sollte, sich zu politischen Fragen außerhalb der Hochschule zu äußern (wie z.B. dem allgemeinen Gesundheitswesen, der Außenpolitik oder dem Klimaschutz), dafür gibt es durchaus andere Institutionen, in denen sich die Studierenden – wie auch alle anderen Bürger und Mitglieder der Hochschulen – engagieren könnten, um ihre Positionen zu vertreten.
Ebenso kann man sich auch fragen, was an der Einführung von Studiengebühren für Nicht-EU-Bürger derart moralisch verwerflich ist. Warum sollte ein Student aus China nicht auch in Deutschland für sein Studium bezahlen, wenn er dies in seiner Heimat China auch müsste? Oder anders gefragt: Warum soll die Steuerzahlerin aus Tübingen das Studium für den Studenten aus Peking bezahlen? Hierzu kann man selbstverständlich unterschiedlicher Meinung sein; ohne dass die Gegenposition gleich mit der moralischen Keule bearbeitet werden sollte.
Und noch eins: Sich gegen die Einladung der Ministerin zu stellen ist – so „altmodisch“ bin ich dann doch – schlicht und einfach unhöflich. Zur hohen Kunst der demokratischen politischen Debatte gehört es auch – und es ist sogar deren Wesenskern – dem poltischen Gegner mit Respekt zu begegnen und zuzuhören. Diesen Respekt erwarten – so unterstelle ich einmal – die protestierenden Studierenden sicherlich auch.