Wo bleibt die Bürgerbeteiligung?
In der Gemeinderatssitzung am letzten Donnerstag ging es um wichtige Themen wie die Zukunft der demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern sowie die Mindestgröße von Fraktionen. Dabei stellte sich heraus, dass sich das geplante Bürgerbeteiligungsmodell weiter verzögern dürfte. Die Linke Liste hingegen hat ab sofort Fraktionsstatus und wird so in ihrer Arbeit gestärkt. Außerdem wurde die Zweitwohnungssteuer erhöht.
Selbst bei einer Gemeinderatssitzung, die wie diese über acht Stunden dauert, können etliche Themen nur so knapp behandelt werden, dass sie in unserer Berichterstattung oft komplett vergessen werden. Das heißt aber beileibe nicht, dass sie nicht von einiger Bedeutung für das Leben der Konstanzerinnen und Konstanzer sind, denn es sind oft die unscheinbaren Dinge, die den Alltag erst lebenswert machen. Hier einige Beispiele.
Auf die lange Bank?
Hinter den Kulissen wird seit geraumer Zeit heftig gemurrt: Bereits seit mehr als anderthalb Jahren arbeiten VertreterInnen des Gemeinderats, der Bürgerschaft und der Verwaltung an Richtlinien für die Bürgerbeteiligung, die BürgerInnen mit konstruktiven Vorschlägen mehr Mitwirkungsmöglichkeiten oder zumindest Gehör sichern sollen. Immer wieder machen an dem Prozess Beteiligte ihrem Unmut Luft: Das gesamte Projekt liegt deutlich hinter dem Zeitplan zurück, und hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, der Oberbürgermeister sei dem Vorhaben nicht wohlgesonnen und versuche, es am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen. Von der FGL gefragt, wie es denn mittlerweile um diese Angelegenheit stehe, gab Oberbürgermeister Uli Burchardt zu Protokoll, dass sich diese Richtlinien verspäten werden, weil Personal für die Flüchtlinge freigestellt werden musste und daher bei der Ausarbeitung der neuen Regelungen fehlt. Seinen Angaben nach arbeitet die Verwaltung noch an der juristischen Feinabstimmung. Hauptamtsleiterin Christine Kullen ergänzte, besonders die konkrete Ausgestaltung von Methoden und Maßnahmen sei noch im Gange. Sie kündigte ein Treffen der Projektgruppe noch vor den Sommerferien an, spruchreif soll die Sache dann wohl (frühestens) im Herbst werden.
Zweitwohnungssteuer wird erhöht
Die Mehrwertsteuer beträgt für alle einheitlich 19% Prozent, während die Einkommensteuer mit der Höhe der Einnahmen steigt. Bei der Zweitwohnungssteuer hingegen war die Stadt Konstanz einen anderen Weg gegangen und ließ die prozentualen Steuersätze sinken, je höher die Miete für eine Zweitwohnung war. Dieses Besteuerungsverfahren hatte 2014 vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand, weil es vom Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abwich. Als Reaktion auf dieses Urteil beschloss der Konstanzer Gemeinderat 2014 eine einheitliche Zweitwohnungssteuer von 20% auf den jährlichen Mietaufwand.
Eine solche Steuer verfolgt zwei Zwecke: Einerseits soll sie der Stadt Geld bringen und andererseits hofft man, die Zahl der meist nur phasenweise genutzten Zweitwohnungen zu reduzieren, um die Wohnungen anderweitig verfügbar zu machen. Das ist offensichtlich nicht gelungen, denn der Bestand ist von 475 Wohnungen im Jahre 2003 über 693 Wohnungen im Jahre 2014 auf derzeit 715 Wohnungen gestiegen. Allerdings hat der Rat jetzt die Erhöhung der Zweitwohnungssteuer auf 25% des jährlichen Mietaufwandes beschlossen, so dass die Einnahmen 2017 auf etwa 1,1 bis 1,2 Millionen Euro steigen dürften, nachdem sie 2014 noch bei 670 000 Euro lagen. In der eher kurzen Diskussion gab Heinrich Everke (FDP) das Statement des Tages ab: „Uns wird’s natürlich reflexartig schlecht, wenn Steuern erhöht werden. Daher werde ich mich kraftvoll enthalten.“
LLK ist jetzt Fraktion
Eine Fraktion besitzt im Gemeinderat mehr Rechte als einzelne StadträtInnen. Das wohl wichtigste ist das Recht, im Rat eigene Anträge zur Abstimmung einzubringen. Daher ist der Fraktionsstatus ein Pfund, mit dem eine politische Gruppierung wuchern kann, denn dieser Status verspricht mehr Einflussmöglichkeiten und eine gesteigerte Wahrnehmung in Medien und Öffentlichkeit. Ab wie vielen Gemeinderätinnen und -räten eine kommunalpolitische Gruppierung im Rat eine Fraktion ist, kann jede Gemeinde selbst festlegen. In Konstanz lag die Mindestgröße bisher bei drei Mitgliedern, jetzt wurde beschlossen, dass in Zukunft bereits zwei Mitglieder des Gemeinderates eine Fraktion bilden. Damit ist auch die Linke Liste, die als einzige im Gemeinderat vertretene Gruppierung bisher keine Fraktionsstärke besaß, jetzt eine Fraktion mit wichtigen zusätzlichen Rechten. Bisher musste sie sich, wollte sie einen Antrag einbringen, andere Gruppierungen suchen, die ihr dabei halfen.
Überraschend war, dass immerhin 27 der 40 Stimmberechtigten für den Antrag stimmten. Wenig erstaunte hingegen, dass die CDU als konsequente Vertreterin von christlicher Nächstenliebe und freier Meinungsäußerung gegen den Fraktionsstatus der LLK votierte. Verblüffend war für manche BeobachterInnen hingegen, dass auch Unternehmer-Urgestein Klaus-Peter Kossmehl (FWK) seinen Arm, wenn auch zuerst etwas schüchtern, für den Fraktionsstatus der LLK hob.
Anke Schwede und Holger Reile (LLK) haben damit eines ihrer zentralen strategischen Ziele erreicht, und es steht zu erwarten, dass sie in den nächsten Jahren den Gemeinderat durch ihre Anträge beflügeln werden.
O. Pugliese
Zur Info: Die Arbeitsgruppe kam durch einen Auftrag des Gemeinderats aus der öffentlichen Sitzung vom 24.07.14 zustande. Der Gemeinderat hatte einstimmig beschlossen, dass die Verwaltung einen Konzeptentwurf „zum Umgang mit konstruktiven Vorschlägen aus der Bürgerschaft und zur Einbindung bürgerschaftlichen Engagements in kommunale Entwicklungs- und Planungsprozesse unter Einbezug von Vertretern/Vertreterinnen aus Politik, Verwaltung und Bürgerschaft“ erarbeiten soll und diesen Konzeptentwurf dem Gemeinderat vorgelegt (wir haben darüber in unserer GR-Nachberichterstattung informiert). Initiiert hatte das Ganze übrigens OB Burchardt.
Als Vertreter der Bürgerschaft hat die Verwaltung zunächst Mitglieder der Bürgergemeinschaften eingeladen, in der Arbeitsgruppe am Konzeptentwurf mitzuarbeiten. Dies erschien insofern richtig, weil die Bürgergemeinschaften über sehr viel Erfahrung in Bürgerbeteiligungsprozessen verfügen. Das Konzept liegt nun vor. Wichtig sind nun zwei Schritte (auch darüber haben wir informiert): Zum einen muss das Konzept von den Fachämtern geprüft werden, denn es ist doch völlig klar, dass man dem Gemeinderat nur einen Entwurf zur Entscheidung vorlegen kann, der auch in Bezug auf die rechtlichen Bestimmungen in Ordnung ist. Zum anderen muss natürlich auch die Bürgerschaft über die Bürgergemeinschaften hinausgehend bei den Leitlinien beteiligt werden. Es wäre völlig widersinnig, Leitlinien für die Bürgerbeteiligung zu beschließen, ohne die Bürger dabei zu konsultieren. Jede/r soll die Möglichkeit haben, sich damit auseinander zu setzen und seine/ihre Meinung, Anregung oder Empfehlung zum Entwurf der Leitlinien in den Prozess einzubringen.
Das alles war und ist nicht „geheimnisvoll“. Der Prozess erfordert aber Zeit und zugegebenermaßen auch mehr Zeit, als ursprünglich gedacht: Das Thema ist komplex, die Abstimmungsprozesse sind aufwändig, Zusatzbelastungen wie in den letzten Monaten durch die Flüchtlingsthematik waren nicht absehbar. Trotz der Verzögerung soll aber die für die Bürgerbeteiligung wichtige Vorhabenliste mit dem Doppelhaushalt 2017/18 eingeführt werden.
Walter Rügert
Stadt Konstanz, Pressereferent
Neben einer kurzen Notiz zu Beginn dieser Arbeitsgruppe in der Presse und einer weiteren Meldung zwischendurch, die kaum Beachtung fand, habe ich nie mehr etwas davon gehört, was dieses Gremium eigentlich macht.
Überhaupt: Wie kam es zustande? Wer wählte die Mitglieder aus? Wieso wurde nicht offen zum Mitmachen eingeladen? Warum tagt es scheinbar hinter verschlossenen Türen? Warum weiß niemand, was eigentlich Inhalt und Ziel des erlauchten Kreises sein soll? Wieso brauche ich gefühlte Stunden, bis ich ein wenig Informationen zur Zusammensetzung und Arbeit der Gruppe in den Untiefen der Homepage der Stadt finde? Weshalb verläuft also ausgerechnet bei Leitlinien, die die Bürgerbeteiligung fördern sollen, alles so geheimnisvoll?
Ein schlechterer Fehlstart in Sachen „Transparenz“ geht für solch ein Projekt wohl gar nicht. Schade für alle, die sich um das Thema wirklich bemühen – und jene, die sich ebenso engagieren wollten, aber von nichts wissen. Und nicht zuletzt für die Bevölkerung, die fragt: „Unsere Leitlinien, Leitlinien für die Bürger? Wo?…“.
Was auch ewig dauert: Ausschreibung des Neubaus des Technologiezentrum Konstanz. Seit auch knapp 1,5 Jahren auf dem Tisch der Verwaltung, nichts passiert… Dabei gibt es mit „Areal 56“ schon ein gutes Konzept. Man müsste halt nur mal machen.
Herzlichen Glückwunsch zum Fraktionsstatus an die LL, redlich verdient! 27 Stimmberechtigte dafür, es geschehen noch Zeichen und Wunder! Da hat Uli B. sicher einen Luftsprung gemacht….
Zur Bürgerbeteiligung Worte des Oberbürgermeisters im SK : 19.9.2013 „Politik wird von unten gemacht“/ 29.9.2013. ..es beginnt eine neue Ära des Dialogs“. Wohl wahr!! Da OB B. seit er im Amt ist sämtliche seiner damals abgelieferten „Versprechungen“ Lügen straft, wundert es mich nicht, dass er seine „Bürgernähe“ zeigt, indem er „mehr Mitbestimmung für die Bürgerschaft“ verhindern möchte, wie immer sehr „transparent“. Aber wenigstens dies äusserst „nachhaltig“. Ausserdem wird seiner( und des Baubürgermeisters) Ansicht nach das Instrument der Bürgerbeteiligung in KN doch schon bestens genutzt. Aber: Es brodelt im Städtle, immer mehr Eingeborene und Zuegreiste, alt und jung, selbst Studierende, die hier „nur“ ein Gastspiel geben, finden diese Art der Stadt(rück-)entwicklung, die vorwiegend und rücksichtslos Wirtschafts-Wachstum( und jenes auf 90.000Einwohner) zum Ziel und längst Grenzen überschritten hat, erschreckend und „unserem Konstanz“ nicht angemessen. Sie organisieren sich in Bürgerinitiativen und Bürgergemeinschaften. Wir sind Viele, wir werden lauter, wir sind „bunt“. Wer die Stimmen aus der Bevölkerung ignoriert, wird seiner Verantwortung nicht gerecht. Dies sollten auch jene VolksvertreterInnen beherzigen, die sich zu sehr von Lobbyisten und SV gängeln lassen. Es wird Zeit für Klugheit, Weitsicht, Herz und Hirn.