Wo soll’s hingehen beim Umwelt- und Klimaschutz?
Das wollten sechs Konstanzer Umweltorganisationen von den fünf Oberbürgermeister-Kandidaten genau wissen und schickten den Bewerbern Wahlprüfsteine zu. Geantwortet haben Amtsinhaber Uli Burchardt sowie seine Herausforderer Jury Martin, Luigi Pantisano und Andreas Hennemann. Andreas Matt blieb trotz mehrfachen Nachfassens stumm. Die Antworten, so die Bewertung der Verbände, zeigten viele Gemeinsamkeiten aber auch Licht und Schatten. Nach ihrer Meinung antwortete Pantisano dabei am durchgängigsten im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes. Er habe seine Aussagen zudem ähnlich vertieft untermauert wie Amtsinhaber Burchardt.
Hier die von den Fragestellern vorgenommene Auswertung der Ausführungen der Kandidaten und ihr daraus gezogenes Fazit im Wortlaut.
Der umfangreiche Fragenkatalog wurde gemeinsam ausgearbeitet vom BUND Konstanz, NABU Konstanz, Verkehrsclub Deutschland – Kreisverband Konstanz, Fridays for Future Konstanz, Greenpeace Bodensee und ProAmazonia Konstanz. Sie ließen den Kandidaten zehn Tage Zeit zu antworten.
Transparenz und Klimaschutz in der Stadtverwaltung
Einig sind sich die Kandidaten darin, ein online einsehbares Umsetzungsmonitoring für Beschlüsse des Gemeinderats bei Umweltthemen umzusetzen. Die Umweltverbände sehen die mangelnde Transparenz in diesem Verwaltungsbereich als einen Grund für Versäumnisse in der Vergangenheit.
Auch ein eigenes Amt für Klimaschutz wollen die Kandidaten bis auf Andreas Hennemann einrichten, wenn sie denn (wieder)gewählt werden. Alle stimmen zudem darin überein, dass die Klimaschutzmaßnahmen in den letzten acht Jahren nicht ausreichend waren. Ein wesentlicher Unterschied zeigt sich bei der bereits heftig entbrannten Debatte um den Zeitpunkt für ein klimapositives Konstanz. Während Uli Burchardt vor einer konkreten Zielsetzung erst die Meinung von Klima-Experten einholen will, hätten sowohl Partisano als auch Martin klar für diese Zielsetzung gestimmt. Andreas Hennemann dagegen hält die Frage für unerheblich und populistisch.
Wie viel darf Klimaschutz kosten?
Als die Umweltschützer wissen wollten, welches Budget für den Klimaschutz denn ausreichend sei, ging Luigi Pantisano am weitesten und führte aus: „Grundsätzlich müssen wir sehr viel in den Klimaschutz investieren, denn alles, was wir heute nicht investieren, kommt als vielfache Kosten auf die Stadt zurück. Es sind mehr als 30 Mio. Euro für Klimaschutz nötig“. Andreas Hennemann wäre der Klimaschutz auf jeden Fall mehr als 10 Millionen Euro wert, die anderen Kandidaten wollten sich nicht so konkret festlegen lassen.
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Alte Bäume besser schützen
Der nächste große Themenblock war der Naturschutz und der Flächenverbrauch in der Stadt. Während Uli Burchardt den Schutz alter Bäume für völlig ausreichend ansieht, sehen die anderen Kandidaten hier deutlichen Verbesserungsbedarf. Sie wollen sogar vor dem Fällen alter Bäume eine Informations- und Beteiligungspflicht der Anrainer und Umweltverbände verbindlich festschreiben. Allerdings sieht Martin hier den Ball eher beim Gemeinderat als beim Oberbürgermeister. Diesen bei Martin auch in anderen Fragen immer wieder kehrenden Verweis auf den Gemeinderat sehen die Umweltverbände kritisch, da der Oberbürgermeister als dessen Vorsitzender und als Chef der Verwaltung sehr viel Einfluss nimmt, was überhaupt besprochen wird und eine Chance auf Umsetzung hat. Für die Umweltverbände sind in den letzten Jahren eindeutig zu viele alte Bäume gefallen. Sie verweisen hier aufs Tägermoos, auf das Rheinufer, das Areal beim Zoffingen und Büdingen.
Flächenverbrauch mit oder ohne Naturausgleich?
Besonders große Unterschiede zeigten sich bei der Frage des Flächenverbrauchs für die Stadtentwicklung. Während Martin und Burchardt den Bau günstigen Wohnraums als oberste Priorität festlegen und daher in jedem Fall auch am neu geplanten Viertel im Hafner festhalten wollen, möchte Pantisano diese Ausweitung nur bei der Ausweisung von neuen Naturschutzgebieten als Ausgleichsmaßnahme, zum Beispiel am Bettenberg, akzeptieren. Für eine Erschließung weiterer Naturflächen als Wohngebiete außerhalb des Hafners war nur noch Jury Martin zu haben. Alle Kandidaten sprechen sich für die Entwicklung eines verbindlichen Grün- und Freiflächenkonzepts aus.
Gemischt ist das Bild auch bei der Frage, ob die Ausweisung von Baugebieten nur noch mit einem vollwertigen Umweltbericht inklusive einer vollständigen Eingriffs-Ausgleichsbilanz erfolgen soll. Während Uli Burchardt auf diese Frage gar nicht antwortete, votierte Martin für die Durchsetzung niedriger Mieten dagegen. Luigi Pantisano ist dafür, wenn rechtlich möglich. Andreas Hennemann sagt ebenfalls Ja dazu.
Wie gelingt die Verkehrswende?
Auch beim Thema Verkehr waren sich die Kandidaten ziemlich einig: sie wollen den Radverkehr stärken, den Stephansplatz von Autos befreien, das Angebot an Mieträdern und Carsharing ausbauen und den Busverkehr auf emissionsfreie Fahrzeuge umstellen, wobei Martin und Pantisano damit quasi gleich loslegen wollen, Burchardt ab dem Jahr 2025, Hennemann spätestens ab 2030. Beim Radverkehr hat der Ausbau der Infrastruktur für alle drei oberste Priorität, während Burchardt und Pantisano zusätzlich den Schutz von Fußgängern betonen. Hennemann erwähnt an dieser Stelle als einziger eine Zusammenarbeit mit der Schweiz für die Einrichtung von Radschnellwegen. Für günstigere Buspreise sind dagegen nur die Herausforderer, während der Amtsinhaber lieber in Takt und Qualität investieren möchte als die Autofahrenden über niedrige Preise zum Umstieg zu motivieren. Besonders weit geht Jury Martin, der sagt: „Ich strebe einen gratis öffentlichen ÖPNV Verkehr in KN an“. Für autofreie Sonntage votieren alle bis auf Jury Martin, der dazu den Wunsch der Bürger hören möchte. Soll der Fernbusverkehr am Schänzle Nord enden, während der motorisierte Individualverkehr (MIV) alle innerstädtischen Ziele erreichen kann? Hennemann war dagegen. Burchardt war dafür, bei eng getakteter und kostenloser Shuttleanbindung in die Innenstadt. Pantisani sprach sich gegen eine Schlechterstellung von Busreisenden aus.
Energetische Sanierung und Sonnenenergie
Die Fragen zum Thema Energie konzentrierten sich auf die energetische Sanierung der städtischen Gebäude und die Förderung der Sonnenenergie. Für ersteres plädierten eindeutig nur Burchardt und Pantisano, während Hennemann sich ohne spezielle Begründung dagegen ausspricht und Martin vage blieb. Für Burchardt ist die energetische Sanierung ein Schlüsselfaktor beim Erreichen der Klimaziele: „Um das Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2035 zu erreichen müssen wir zwingend die Mittel für die energetische Sanierung deutlich ausweiten“, so der amtierende Oberbürgermeister in seiner Stellungnahme. Einigkeit herrschte auch darin, dass alle städtischen Gebäude mit Photovoltaikanlagen ausgestattet werden sollten, wobei Pantisano dieses Ziel möglichst sofort erreichen will, Burchardt bis 2025 und die beiden anderen bis 2030 umsetzen möchten. Ab 2030 wollen die Kandidaten auch das Solarpotenzial für Konstanz vollständig erschlossen haben, Martin erst ab 2040. Für eine Unterstützung von Privathaushalten beim Bau von Photovoltaikanlagen, aber auch sogenannten Balkonmodulen und Batteriespeichern plädieren alle Kandidaten bis auf Jury Martin, der Batterien wegen ihrer Herstellung kritisch sieht.
Grundsätzlich sind sich die Kandidaten darin einig, dass sie die Solarenergie auch auf denkmalgeschützten Gebäuden zulassen wollen und hierfür die Stadtbildsatzung ändern würden. Jury Martin verweist hier allerdings auf die einschlägigen Gesetze, weshalb er als einziger dagegen votierte.
Nachhaltige Beschaffung
Vollständig einig waren sich alle vier Kandidaten darin, dass der städtischen Beschaffung inklusive der städtischen Gesellschaften nur noch Produkte eingekauft werden, welche klimaneutral, artenschutzkonform, gentechnikfrei, kinderarbeitsfrei und entwaldungsfrei sind. Aus Sicht der Umweltverbände wäre dies ein großer Schritt nach vorne und würde vielen anderen Kommunen als Leuchtturm dienen. Genauso fanden es alle Kandidaten richtig, die Qualität der Schulessen im Sinne einer regionalen, gesunden und umweltgerechten Ernährung zu verbessern.
Über den Tellerrand hinaus – Internationale Zusammenarbeit
Als letztes Thema fragten die beteiligten Umweltverbände, hier vor allem ProAmazonia Konstanz, nach der internationalen Zusammenarbeit der Stadt für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Die bereits beschlossene Partnerschaft der Stadt mit dem indigenen Volk der Borari wollen alle Kandidaten fortsetzen und sich auch dafür einsetzen, dass andere Städte dem Konstanzer Beispiel folgen. Uli Burchardt nutzt bereits seine Kontakte als Mitglied des Städtetags und plant die Gründung eines Städtenetzwerks „Klima-Kommunen“.
Luigi Pantisano würde die Zusammenarbeit auch auf andere Kontinente wie zum Beispiel Afrika ausdehnen und verweist auf eine Initiative des Stadttheaters für eine Partnerschaft mit einer afrikanischen Stadt, welche allerdings damals nicht weiterverfolgt wurde.
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Fazit der Umweltverbände
„Erfreulich ist, dass alle Kandidaten, welche die Fragen beantwortet haben, sich mit dem Ziel einer nachhaltigen und klimafreundlichen Stadt zu identifizieren scheinen“, sagt Frida Mühlhoff von Fridays for Future.
Amtsinhaber Uli Burchardt muss sich natürlich nicht nur an seinen Zielen, sondern auch an seinen bisherigen Taten messen lassen, während sich die anderen Kandidaten in ihren Zukunftsvorstellungen bewegen können. Während Burchardt ansatzweise beim Radverkehr, bei der internationalen Zusammenarbeit sowie zunächst auch mit der Ausrufung des bundesweit beachteten Klimanotstands punkten konnte, wurde er wegen seiner Ablehnung des Ziels einer klimaneutralen Stadt ab 2030 als äußerst widersprüchlich empfunden, Auch musste er sich wegen eines weiterhin ungebändigten Verkehrs rund um die Altstadt und dem Verlust vieler alter Bäume in der Stadt Kritik gefallen lassen. Auch die Ausweisung weiterer Baugebiete ohne entsprechenden Naturausgleich sehen die Verbände kritisch. Burchardt beweist jedoch wie zu erwarten viel Fachwissen und setzt sich mit den Fragen intensiv auseinander.
Jury Martin hingegen zeigte sich vielen Ideen der Verbände gegenüber kritisch, sei es, weil er sich noch nicht damit beschäftigt hat oder weil er andere Schwerpunkte setzen möchte. Andreas Hennemann weist ein weitgehend ökologisches Profil in seinen Antworten auf, lehnt aber bestimmte Vorstellungen teils auch ohne Begründung ab. Pantisano antwortete am durchgängigsten im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes und untermauerte seine Aussagen ähnlich vertieft wie der Amtsinhaber.
MM/red (Foto: Fridays for Future Konstanz)
Die Tabelle mit allen Fragen und Antworten ist hier als Download verfügbar:
https://c.gmx.net/@325182924339026015/-apcnrPTRTWycQ3TtBcSkw
Dass Uli Burchardt den Schutz alter Bäume für ausreichend ansieht, verwundert nicht. Hat er doch in den letzten 8 Jahren zugelassen, dass zahlreiche alte Bäume im Stadtgebiet und im Tägermoos abgesägt wurden.
Den Schwaketenwald hätte er (und nicht nur er, das muss man ehrlicherweise sagen) auch absägen lassen für angeblich günstigen Wohnraum. Bereits versiegelte Flächen wie Siemensgelände und Vincentius-Areal hat man sich dagegen entgehen lassen zugunsten von Investoren.
Uli Burchardt ist wirklich derjenige, der sich daran messen lassen muss, was in den letzten Jahren in Konstanz erreicht wurde (oder auch nicht).
Und wir Wähler müssen entscheiden, ob wir wollen, dass es so weitergeht mit sich durchschlängeln durch alle kritischen Fragen…