„Wo Strukturen sind, sind auch queere Menschen“

Im Zebrakino kamen im Rahmen des Queergestreift Festivals Konstanz unterschiedlichste Menschen zusammen, um über queere Bildungsarbeit und Beratungsstellen im ländlichen Raum zu diskutieren. Konkret fragten die Organisator*innen der Podiumsdiskussion danach, was junge queere Menschen und ihre Eltern oder Bezugspersonen rund um das Thema Liebe, Sexualität und Identität an Unterstützung brauchen, damit sie auch in ländlichen Regionen ein selbstbewusstes und selbstbestimmtes Leben führen können.

Eingeladen zu der Podiumsdiskussion waren verschiedene junge Menschen und professionelle Fachkräfte ebenso wie das Publikum, das sich jederzeit beteiligen konnte. Gesprochen haben Annika Mettner (sie/ihr) von der Mobilen Jugendarbeit Konstanz, Ezgi Arasan (sie/ihr) vom Queeren Skateclub Konstanz, Sandra Müller (sie/ihr) von Fluss e.V., Jona Oremek (sie/ihr) vom CSD Friedrichshafen und Theresa James (sie/ihr), queere Bildungsreferentin. Moderiert wurde der Abend von Schwester Agnetha (sie/ihr), die im Vorstand des CSD Konstanz tätig ist, und Julika Funk (sie/ihr), Leiterin der Chancengleichheitsstelle der Stadt Konstanz, richtete einleitende Worte an die Gäst*innen.

Queer in Konstanz

Grundlegende Einigkeit bestand bei allen Diskutierenden darin, dass queere Menschen in Konstanz sehr stark von Diskriminierung betroffen sind und nur sehr wenige Strukturen dagegen angehen. Dies halten alle für fatal, vor allem, weil Queerness aufgrund der täglichen Ausgrenzung und Marginalisierung sehr identitätsgebend sei, wie Jona Oremek erläutert.

In Konstanz seien zwar einige wenige queere Strukturen wie die Mobile Jugendarbeit Konstanz oder der queere Skateclub und auch eine längere queere Geschichte vorhanden, allerdings gebe es keine Vernetzung untereinander, wodurch die Strukturen nur sehr schwer greifbar werden. Außerdem sei es ein enormer Nachteil, dass viele Beratungsstellen erst in über 100 Kilometer Entfernung existieren, was für viele Menschen eine unüberwindbare Barriere darstellt. In einigen Wortbeiträgen wurde deutlich, dass die Politik in Konstanz nur sehr vereinzelt Haltung zeigt und auch dann häufig nur leere Worte oder kurzzeitige Gesten folgten.

Besonders starke Kritik wurde am Schulsystem und auch spezifisch an Konstanzer Schulen laut. So teilten auch Personen aus dem Publikum Diskriminierungserfahrungen im Schulkontext und Ezgi Asaran betonte das Fehlen von queeren Inhalten im Lehramtsstudium. Auch Theresa James, queere Bildungsreferentin, hebt die pädagogische Verantwortung von Lehrkräften hervor und dass diese allen Jugendlichen, also auch queeren Jugendlichen gegenüber, gilt: „Lehrkräfte oder sozialpädagogische Fachkräfte müssen Stellung beziehen, denn wenn nichts gesagt wird, ist das eine Zustimmung bei einer Diskriminierung.“

Es braucht strukturelle Veränderung

Bei der Frage danach, was es denn nun eigentlich brauche, damit queere Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen können, auch in ländlichen Regionen, bleibt die Diskussion zwar recht oberflächlich, dennoch kommen einige Forderungen zusammen. Insgesamt herrschte großer Konsens darüber, was es im Großen und Ganzen braucht: Strukturelle Veränderung.

Dazu gehöre eine flexiblere Förderlogik, eine Stabilisierung von Fördergeldern, eine verpflichtende Inklusion von queeren Inhalten im Bildungssystem, Schutz für Schüler*innen wie Lehrkräfte sowie greifbare Strukturen und Vernetzung. Ein Schwerpunkt lag darauf, dass politische Entscheidungstragende ihre Verantwortung wahrnehmen und handeln müssen. Aus einigen Wortbeiträgen klang überdies hervor, dass eine Professionalisierung der queeren Bildungsarbeit nötig sei. Sandra Müller von Fluss e.V. bringt den Grund dafür auf den Punkt: „Queere Jugendarbeit ist kein Trend. Tatsächlich gibt es queere Jugendliche überall, in jeder Klasse, in jeder Schulklasse, in jeder Jugendgruppe, natürlich in jeder Schule generell und in jedem Musikverein, in jedem Sportverein. Und deswegen brauchen wir queere Jugendarbeit überall.“

Queere Menschen gibt es überall

Annika Mettner von der Mobilen Jugendarbeit Konstanz fasste die unterschiedlichen Forderungen zusammen und appellierte, dass gegen die Diskriminierung von queeren Menschen einzustehen „nicht einfach nur eine Forderung sein [muss], sondern eine Einstellung.“ Oremek schließt sich dem in ihrem Abschlussstatement an und fordert außerdem eine gute Fehlerkultur, gepaart mit einem intersektionalen Blickwinkel: „Ich wünsche mir, dass wir da ein offenes Auge haben. […] Nach dem Motto: Kämpfe verbinden, Kämpfe überwinden.“

Was es nun konkret im ländlichen Raum für queere Jugendliche braucht, ist auch nach der Podiumsdiskussion noch nicht ganz klar. Zentral sind aber Vernetzung und Aufbau von Strukturen ebenso wie eine Stabilisierung der Förderungen. Es bleibt zu hoffen, dass sich in diesen Bereichen in den nächsten Jahren einiges tut, damit queere Menschen in Konstanz weniger Diskriminierung erleiden müssen.

Asaran vom queeren Skateclub schloss mit einem Fazit, das Mut macht: „Seid euch bewusst, wie stark ihr seid. Sei dir bewusst, wie stark du bist. Es stimmt, wir sind hier in einer Welt, wo wir leider immer noch sehr oft von Diskriminierung und Hass betroffen sind, was uns auch oft in eine Verzweiflung bringen kann oder in schlimmere Probleme. Aber, die andere Wahrheit ist, wir sind auch nicht aufzuhalten und wir werden immer mehr und wir werden immer stärker und wir halten zusammen. Ja, das ist es: Wir sind sehr stark und wir können nur etwas ändern, wenn wir wissen, wie stark wir tatsächlich sind.“

Autor*in: Connie Lutz
Bildrechte: Queergestreift Konstanz

Bildbeschreibung für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen: Das Bild zeigt alle Teilnehmenden an der Podiumsdiskussion, wie sie im vorderen Bereich auf Stühlen in einem Halbkreis, der zum Publikum hin geöffnet ist, sitzen. Von links nach rechts sind Annika Mettner, Theresa James, Jona Oremek, Schwester Agatha, Sandra Müller und Ezgi Asaran zu sehen. Alle tragen unterschiedlichste Kleidungsstücke, wodurch ein buntes Bild entsteht.