Wofür Konstanz Steuererhöhungen in Wirklichkeit braucht
Im Gemeinderat geht es in diesen Tagen vor allem um zwei Themen: Einsparungen auf der einen und Steuererhöhungen auf der anderen Seite. Simon Pschorr von der Linken Liste Konstanz (LLK) hat sich Gedanken über die geplanten Kürzungen und Steuererhöhungen und ihre soziale Unwucht gemacht. Sein Ergebnis: Die geplante massive Erhöhung der Grundsteuer wird viele ärmere Konstanzer Mieter*innen hart treffen – aber von den Defiziten des Bodenseeforums zum erheblichen Teil aufgefressen.
Im Gemeinderat herrscht allenthalben Einigkeit, dass die Stadt Konstanz sparen muss. Auch wir von der LLK stimmen dem zu: Wir denken, wir müssen dafür sorgen, dass die Stadt auch in den nächsten Jahrzehnten investitionsfähig bleibt, und dazu muss die Stadt sparen.
Mit Schwarzmalerei Politik machen
Aber wie viel? Die Verwaltung begründet die von ihr beantragten massiven Einschnitte vor allem im Kultur-, Bildungs- und Sportbereich mit einem Defizit von 15 Millionen Euro jährlich. Allerdings hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass diese Zahlen meistens Unkenrufe waren und das tatsächliche Defizit deutlich geringer ausfiel als erwartet. Die Schulden sind jeweils nicht annähernd so eklatant gestiegen wie von der Verwaltung vermutet. Natürlich will die Verwaltung mit dieser Schwarzmalerei auch Politik machen und Ausgabenkürzungen durchsetzen – vorwiegend zulasten der breiten Mehrheit der Bevölkerung, wie es uns scheint.
Die Verwaltung argumentiert zurecht mit einem erheblichen Investitionsstau, der aufgearbeitet werden möchte. Wir haben in der Tat über Jahre zulasten unserer Infrastruktur gelebt und müssen jetzt bei hohen Kosten nachholen, was lange versäumt wurde. Das gilt insbesondere für die himmelschreiend notwendigen Investitionen in den Klimaschutz! Aber ob das Investitionsvolumen für diese Aufgaben auch tatsächlich erheblich steigt? Wir haben da nach den Erfahrungen der vergangenen – weitgehend verlorenen – Jahre unsere Zweifel.
Die Erfahrung der letzten – nicht nur aufgrund der Corona-Pandemie – auch wirtschaftlich schwierigen Jahre lehrt uns, dass die von der Verwaltung prognostizierten Defizite und daraus abgeleiteten Einsparungen meist nur zu zwei Dritteln eintreffen. Spricht die Verwaltung von 15 Millionen, die gespart werden müssen, sind es am Ende eher 10 Millionen.
Geringere Steuererhöhungen
Deswegen finde ich es überzeugend, dass sich der HFA (Haupt- und Finanzausschuss) gegen den Willen des Oberbürgermeisters, der eine Steigerung der Grundsteuer um annähernd 50% forderte, nur für eine moderatere Erhöhung ausgesprochen hat. Jedes Prozent mehr trifft schließlich auch die Mieter*innen.
Gleichzeitig wollte die Verwaltung die Gewerbesteuer, die vor allem von wirtschaftlich Leistungsfähigen entrichtet wird, nur moderat erhöhen.
Um die Lasten auf alle Schultern fair und gerecht zu verteilen und angesichts der höheren Steuerkraft der Gewerbesteuerzahler halte ich den Vorschlag der SPD-Fraktion für überzeugend, die Gewerbesteuer um 30 Punkte, die Grundsteuer dafür aber nur um 90 statt um 190 Punkte anzupassen. Die sozialen Auswirkungen einer faktischen Mieterhöhung in Zeiten massiv gestiegener Lebensmittelpreise und Energiekosten werden auch so schmerzlich spürbar sein, vor allem für ärmere Haushalte.
Wofür überhaupt diese Steuererhöhungen?
Doch zur Ehrlichkeit gehört auch, der Bürgerschaft zu sagen, wofür sie diese Steuern zahlt. Wir im Gemeinderat haben uns zu Recht dafür entschieden, Steuererhöhungen nicht ohne Einsparmaßnahmen zu bewilligen. Wir haben gerade eine Vielzahl von Einsparmaßnahmen beschlossen und dabei dafür gesorgt, dass Soziales, Kultur und Sport trotzdem nicht ihrer Existenzgrundlage beraubt werden.
Nur wurde eine wesentliche Einsparmöglichkeit aus politischem Kalkül einfach außen vor gelassen: Das Bodenseeforum. Diese Halle kostet die Stadt jährlich 2,356 Millionen Euro, Tendenz steigend. Und das selbst dann, wenn sie voll belegt ist! Sogar bei einer Vollauslastung erreichen die Einnahmen letztlich nicht einmal ein Drittel der Ausgaben. Das ist ein horrendes Deckungsdefizit, das wir sonst nur von Kulturbetrieben kennen. Und jetzt sagen Sie mir bitte nicht, dass eine Edelsteinmesse im Bofo denselben sozialen Gegenwert hat wie ein Shakespeare im Theater!
Der Oberbürgermeister sagt: Dies sei ein Haus für Konstanz. Die Linke Liste sagt: Dies ist ein Haus auf Kosten der Konstanzer*innen. Das Defizit des Bodenseeforums allein frisst zwei Drittel der erwarteten Grundsteuermehreinnahmen oder nahezu sämtliche Gewerbesteuermehreinnahmen auf.
Es kann unserer Meinung nach nicht angehen, etwa im Bildungs- und Sportbereich sparen zu wollen und gleichzeitig dieses Millionengrab Bofo, von dem die Konstanzer*innen kaum etwas haben, weiterhin zu päppeln, immer in der Hoffnung, dass eines Tages doch noch die erhofften Kongresse irgendwelcher Großkonzerne nach Konstanz kommen.
Die beste Einsparmöglichkeit angesichts der gegenwärtigen Haushaltsprobleme wäre es, das Bofo einzusparen, bei dem nur eins gewiss ist: Dass es uns auch in Zukunft Jahr für Jahr Millionenverluste bescheren wird.
Text: Simon Pschorr, Bild: O. Pugliese
Bernd,
der aktuelle OB ist CDUler und das nächste Kongresshaus ist 25 Minuten von hier, in Singen. Dann gibt es auch noch eines in Friedrichshafen, Rohrschach, Bregenz…
Welch ein Glück, dass es im Jahr 2003 und 2010 bereits schon eine handvoll weitsichtiger Konstanzer bei den Abstimmungen für ein Kongresshaus am Standort Klein Venedig dem damals auch schon grünen OB eine Abfuhr erteilt haben.
Siehe auch den sehr guten Artikel von H. Reile vom 01.02.2010
unter
https://archiv.seemoz.de/lokal_regional/kkh-jubelkonstanzer-in-ekstase/
Das „Millionengrab“ wäre um ein vielfaches höher ausgefallen und die jährliche Schuldenlast hätte niemand stemmen können.
Denn bei den damals prognostizierten Baukosten von 65 Mio EUR wäre es erfahrungsgemäss in KN nicht geblieben. In der Regel konnte das bei öffentlichen Bauvorhaben gerne verdoppelt werden.
Somit hätte sich auch die Schuldenlast und die Tilgung verdoppelt.
Beispiele hierfür haben wir in KN ja genug.
Das BoFo ist somit noch die günstigste Alternative um auch nur annähernd in Zukunft „Kongressveranstaltungen“ in der Provinz anbieten zu können.
Weder Corona noch die aktuelle Energiekrise konnten vorausgesehen werden. In der Wirtschaft erwartet jeder von der Führungsetage ein funktionierendes Risikomanagement. Im öffentlichen Alltag wird das gerne verdrängt.
Es kann ja durch Steuererhöhungen für Betriebe und KMU wieder Geld in die leeren Kassen gespült werden.
Alex, genau das wollte ich auch anbringen. ^^
Ein Haus für Konstanz? Der Bodenseeforum-Veranstaltungskalender führt für das gesamte Jahr 2023 neun öffentliche Veranstaltungen auf, während sechs Monaten keine einzige.