Wohin mit all den Fahrrädern?
Wie geht es voran mit dem Handlungsprogramm (HaPro) Radverkehr? Gregor Gaffga, Erster Radfahrer der Stadt Konstanz, gab am letzten Donnerstag einen Überblick über aktuelle Vorhaben, der zeigt: Das HaPro Rad ist nicht in Stein gemeißelt, sondern wird immer wieder angepasst. Demnächst stehen auch einige Großprojekte an: Der Ausbau des Radweges durchs Tägermoos etwa beginnt in wenigen Wochen. Außerdem präsentierte Gaffga seine Konzeption für das Fahrradparken in der Altstadt.
Zur Erinnerung: Der Konstanzer Gemeinderat beschloss im April 2016 das Handlungsprogramm Radverkehr. Dieses Programm „bildet die Basis für die Planung, Finanzierung und Umsetzung zahlreicher Ausbau- und Sanierungsmaßnahmen bis 2026. Bis zu 25 Millionen Euro sollen investiert werden, um Mängel zu beseitigen und die Qualität des Radverkehrsnetzes zu verbessern.“ Ziel ist „ein Radverkehrsanteil von 28% bis zum Jahr 2020. Wir arbeiten an einer fahrradfreundlichen und verkehrssicheren Erschließung der gesamten Stadt. Dabei haben wir alle Verkehrsteilnehmer im Blick,“ so die Verwaltung.[1]
Radwegbeleuchtung kommt gut an
Wie also geht es mit dem Programm voran? Gregor Gaffga kann auf einige beachtliche Fortschritte verweisen: So wurden der Radweg von Wollmatingen zur Universität zwischen Geschwister-Scholl-Schule und Uni beleuchtet und die Fahrradstraße in Petershausen eingerichtet (letztere funktioniert allerdings noch nicht reibungslos, weil es das AutofahrerInnenpack oft an der gebotenen Demut fehlen lässt und erst noch unter das Joch gezwungen werden muss – von „Wildwestverhältnissen“ sprach Matthias Heider von der CDU). Das Mietfahrradsystem Konrad ist schon nach wenigen Monaten derart selbstverständlich geworden, dass es kaum mehr auffällt, und an die Fahrradzählstelle haben sich die meisten KonstanzerInnen schnell gewöhnt. Die Verwaltung überlegt derzeit wohl, mobile Zählstellen anzuschaffen, um sicheres Zahlenwerk etwa für die Einrichtung weiterer Fahrradstraßen an die Hand zu bekommen.
Inzwischen liegt übrigens der Fahrradstadtplan für Konstanz vor. Er kann hier kostenlos als PDF heruntergeladen werden und ist in gedruckter Fassung gegen drei Euro Schutzgebühr im Baupunkt im Bürgerbüro, Untere Laube 24, 2. OG, zu erwerben.
Der Weg durchs Tägermoos wird ausgebaut
Noch für diesen Herbst ist der Beginn der Bauarbeiten am Fuß- und Radweg über den Gottlieber Zoll durchs Tägermoos geplant, der über weite Strecken nur schwer benutzbar ist. Der Weg ist viel zu schmal, und die Asphaltierung an vielen Stellen von Baumwurzeln und Wetter angegriffen. Begonnen werden soll mit den Baumaßnahmen bereits im nächsten Monat auf der schweizerischen Seite, und zwar sowohl am Konstanzer als auch am Tägerwiler Ende des Radweges. Ab März 2019 geht es dann mit dem Hauptstück weiter, und auch auf Konstanzer Gebiet soll sich dann etwas tun. Nahe der Kurve am Gottlieber Zoll wird eine Mittelinsel entstehen, damit RadfahrerInnen und FußgängerInnen besser über die viel befahrene und ziemlich unübersichtliche Straße kommen. Außerdem soll die Anbindung an die Gottlieber Straße und damit der Weg in die Stadt verbessert werden.
Geplante zweite Fahrradachse
Die Strecke von der Fähre über Salesianerweg und Beethovenstraße in Richtung Stadt, auf der der Radverkehr eines Tages fast ungestört dahingleiten soll, verliert offenkundig zunehmend an Unterstützung. Die CDU will erst einmal eine konkrete Planung sehen, und Jürgen Ruff (SPD) äußerte gar grundsätzliche Zweifel an dieser Wegführung. Er brachte ins Gespräch, die Achse über Jakobstraße und Eichhornstraße zu führen. Einerseits sollen so Kosten gespart werden, und andererseits sind wohl AnwohnerInnen des Salesianerweges vorstellig geworden, die angesichts des Fahrradverkehrs um das Leben ihrer spielenden Kinder fürchten. Auch für die FGL kommt die geplante Achse nach den Worten von Peter Müller-Neff nicht in Frage, 1,2 Millionen könne man besser anlegen, und er erinnerte in diesem Zusammenhang daran, in welch schlechtem Zustand die Eichhornstraße ist. Außerdem waren sich viele GemeineräteInnen darüber einig, dass die Problemzone No.1 für den Radverkehr in der Stadt derzeit der Zähringerplatz sei, wo die Querungsbedingungen katastrophal sind und auch die Anbindung der neuen Fahrradstraße noch nicht recht funktioniert.
Abstellanlagen fehlen
Mit der erwarteten und erwünschten Zunahme des Radverkehrs wird auch der Bedarf an Abstellanlagen immer drängender, nicht nur am Bahnhof und auf der Markstätte, sondern auch in der Altstadt und anderen Quartieren. Oft drängen sich ganze Rudel von Fahrrädern auf irgendwelchen freien Fleckchen zusammen, wo sie den Menschen im Wege stehen. In diesem Jahr werden zwar noch einige Abstellanlagen mit Anlehnbügeln eingerichtet, aber die 60 Stellplätze am Döbele, 10 am Bofo und 36 am Bahnhof Petershausen sowie einige weitere am Schänzle sind nicht einmal der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein.
Das Problem mit den Abstellanlagen beschreibt Gaffga anhand seiner Planungen für die Altstadt so: „An die öffentlichen Räume werden eine Vielzahl von (Nutzungs-) Ansprüchen gestellt, die gegenüber dem Bedarf an Fahrradabstellanlagen abzuwägen sind.“ Unter anderem müssen Durchfahrten und Rettungswege sowie Feuerwehraufstellflächen frei bleiben, und Fußgänger müssen genug Platz bekommen. Natürlich wird eine Anlage nur angenommen, wenn sie nahe beim Ziel steht, zieht aber, wenn sie voll ist, auch Wildabsteller zuhauf an, die dann eventuell Wege blockieren. Die Verwaltung allerdings will solche Abstellanlagen in der Altstadt vor allem für BesucherInnen und nicht für AnwohnerInnen einrichten. Aber das kann es nicht sein, denn die AnwohnerInnen brauchen dringend genug Platz für jene Fahrräder, die sie nicht im Keller unterbringen können.
In der Niederburg sowie im Bereich Kanzleistraße-Hussenstraße-Rosgartenstraße sind keine zusätzlichen Abstellbügel geplant, um Radfahrer nicht zum Radeln in der Fußgängerzone zu verleiten. Im übrigen Innenstadtbereich und an der Laube sind rund 460 Abstellplätze beabsichtigt, von denen 60 überdacht sein sollen. „An der Laube sollen jeweils an den Zugängen zur Altstadt überdachte, ggf. zugangsgesicherte Abstellanlagen entstehen. Da Fahrradboxen, Überdachungen oder eingehauste Abstellanlagen, ggf. in Doppelstock-Bauweise, das Stadtbild deutlich verändern, sind die Standorte mit Bedacht auszuwählen,” heißt es in Gaffgas Vorlage. Die insbesondere von Holger Reile (LLK) stets geforderten Plätze an der Laube würden – für ihn selbst überraschend – sehr gut angenommen, bemerkte Peter Müller Neff (FGL) in diesem Zusammenhang.
Pendler und Langzeitparker
Gregor Gaffga schlug vor allem mit Blick auf in der Innenstadt Arbeitende und Pendler vor, eventuell auch abschließbare „Einhausungen“ (abschließbare Fahrradgaragen) und – etwa am Konzil – diebstahlsichere Fahrradboxen aufzustellen. Der lebenserfahrene Anselm Venedey (FWK) wies allerdings mit Recht darauf hin, dass Fahrradboxen am Konzil zum Radeln in der Marktstättenunterführung verleiten würden.
Grundsätzliche Zweifel an Gaffgas Absicht äußerte allerdings die an diesem Tag kulturpessimistisch gestimmte Sabine Feist (CDU): „Wir dürfen die Fehler, die früher mit den Autos gemacht wurden, nicht bei den Fahrrädern wiederholen, sonst werden wir eines Tages in Drahteseln ersaufen!“ An Fahrradgaragen kritisierte sie zudem, dass dadurch öffentlicher Raum (zugunsten der RadlerInnen) „privatisiert“ würde. Das ist eine aus christdemokratischem Munde überraschende Argumentation, denn die Verteidigung und Mehrung des Privateigentums ist doch die höchste der christlichen Tugenden, noch weit vor „Du sollst nicht stehlen, wenn Du dabei erwischt werden könntest“.
O. Pugliese (mit Material der Stadt Konstanz, Bild: Harald Borges)
[1] http://www.konstanz.de/umwelt/01604/03256/07893/index.html, hier kann man sich auch eine Werbebroschüre zum HaPro Rad herunterladen.
Zum Radwegkonzept zur Fähre:
Auch ich war äußerst irritiert, wie man auf die Idee kommen kann, diese ruhigen und unterschiedlichen Straßen und Wege ( Beethovenstraße und Salasianerweg ) ohne jede Not und mit ungeheurem finanziellen Einsatz zu einer Hauptstrecke für Radfahrer (und das ist heute etwas anderes als früher) in Richtung Fähre umzumodeln. Zur Fähre gibt es für Räder bis jetzt – wie einige Beiträge schon demonstrierten – viele unterschiedliche Wege und keiner ist schlecht. So erlebt man endlich mal eine Verteilung der Radfahrer auf unterschiedliche Strecken mit gleichem Ziel, so dass sie überall gut durchkommen und auch nicht stören. Und jeder sucht sich den Weg, der ihm gut passt. Ich verrate jetzt nicht meinen Lieblingsweg, aber es ist sicher der beste! Ich hoffe inständig, dass diese Schnapsidee, den Salesianerweg (!) mit seinem großen Charme und der romantischen Note als Waldrand zwischen zwei Wohngebieten und als Spazierweg für die Bewohner einer Einrichtung für ältere Menschen, so bald wie möglich zu den Akten gelegt wird!
Mit der Radromantik ist es vorbei, da stimme ich Sabine Feist voll zu, Radfahrer schaffen Verkehr, brauchen Platz und nehmen den Fußgängern den Platz weg.
Deswegen muss beides her: Verkehrsachsen für die Räder – aber auch ruhige Straßen und Plätze für die Fußgänger, sprich Menschen ohne künstliche Beschleunigung!
Ich habe gestern Nachmittag über den Mängelmelder der Stadt auf ein Loch in einem Radweg hingewiesen – und heute Vormittag, also in deutlich weniger als 20 Stunden, war diese Stelle bereits repariert. Vielen Dank & ein großes Lob allen, die daran beteiligt waren.