Wohin mit Autos, Bäumen und dem Café Mondial?
Der Technische und Umweltausschuss (TUA) befasst sich heute in seiner öffentlichen Sitzung vor allem mit baulichen Entwicklungen in verschiedenen Stadtteilen. In vielen Fällen werden im TUA in kleinerem Kreise die Weichen für Beschlüsse des Gemeinderates gestellt, die teils erhebliche Auswirkungen auf das Leben in Konstanz haben dürften. Dazu zählen als augenfälligste Projekte die Sanierung Stadelhofens und des Stephansplatzes sowie die künftige Heimat des Café Mondial.
Der Bau auf dem Gelände des Palmenhauses, in dem das Café Mondial derzeit residiert, soll aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Stadt und Regierungspräsidium abgerissen werden. Als Ersatz sollte das Café eigentlich wenige Meter weiter für 495.000 Euro einen Neubau auf demselben Palmenhaus-Gelände erhalten, was bei manchen Menschen Kopfschütteln auslöste. Das alles gilt plötzlich nicht mehr, und die Verwaltung hat einen neuen Plan vorgelegt: Das Technologiezentrum TZK soll ja im ersten Quartal 2021 auf das ehemalige Siemens-Areal umziehen, so dass die bisherigen Räume des TZK in der Blarerstraße frei werden.
Was tun mit dem Leerstand. Café Mondial, übernehmen Sie? Friss‘ oder stirb‘?
Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln
Das TZK-Gebäude soll laut Sitzungsvorlage „zur Zwischennutzung verschiedener Nutzer“ umgestaltet werden Neben einem Kindergarten soll jetzt auch das Mondial statt in den geplanten Neubau am Palmenhaus auf das Gelände am Grenzbach umziehen. Als Grund wird angegeben, dass wegen der Coronakrise die Neuinvestitionen für 2020 eingestellt wurden. Außerdem argumentiert die Verwaltung ökologisch: „Eine Verlagerung in ein bestehendes Gebäude ist in jedem Fall umweltfreundlicher, da kein Neubau erforderlich ist und somit Ressourcen geschont werden. Der Standort im Grenzbachareal mit den unterschiedlichen Nutzern, das Raumkonzept mit separatem Büro- und Besprechungsraum und die zusätzlichen Lagerflächen werden von den Betreibern des Café Mondial positiv begrüßt und befürwortet.“ Ob letzteres pauschal so stimmt, ist fraglich, denn einigen ist ebenso wie vielen BesucherInnen das Palmenhaus-Gelände samt seiner Grünflächen ans Herz gewachsen.
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Außerdem liebäugelt die Verwaltung mit der günstigeren Miete in der Blarerstraße, sowohl für die Stadt als Zuschussgeber als auch für den Mieter. „Der Mietzuschuss (90%) der Stadt Konstanz würde sich von 12.960 Euro pro Jahr auf ca. 9.525 Euro pro Jahr reduzieren.“ Für das eigentliche Café sind im TZK 97,84 Quadratmeter vorgesehen, insgesamt sollen dem Mondial 147,06 Quadratmeter zur Verfügung stehen, deren Umbau auf 60.000 Euro geschätzt wird.
Die Sache klingt verwickelt, zumal es sich nur um eine Zwischenlösung für wenige Jahre handelt (auch wenn Provisorien oft am längsten halten). Unter einem anderen Tagesordnungspunkt soll nämlich ein „Projektbeschluss zur Vorbereitung und Durchführung eines Qualifizierungsverfahrens zur Ausarbeitung eines Entwicklungskonzeptes für das TZK-Areal“ fallen. Die Zukunft des TZK ist also noch ungewiss, und damit auch die seiner Nutzer, so dass das Café Mondial mit diesem Umzug einen schlechten Tausch machen könnte.
Wenn Corona tatsächlich eine billigere Lösung als den geplanten Neubau erforderlich macht, stellt sich natürlich die Frage, ob nicht auch das Regierungspräsidium angesichts der besonderen Umstände ein Einsehen hätte und bereit wäre, der Stadt zu erlauben, das Mondial zumindest noch für ein paar Jahre an seinem bisherigen Standort zu belassen.
Stadelhofen
Stadelhofen gibt es ja auch noch, und der manchmal dornröschenhaft verschlafene Stadtteil zeigt einige Kratzer. So schön es auch ist, in der aufgeräumten Hüetlinstraße vor dem Postdepot Schlange zu stehen, so schwer ist es, sich auf den viel zu schmalen Fußwegen entlang der Scheffel- oder Kreuzlinger Straße fortzubewegen. Die Sanierung Stadelhofens, zu der es 2019 bereits Informationsveranstaltungen gab, soll ein größerer Wurf werden. Die Voruntersuchung hat zahlreiche städtebauliche Mängel und Missstände dokumentiert, und die Stadt will jetzt ein Sanierungsgebiet beantragen, um diese Mängel „unter Zuhilfenahme von Städtebaufördermitteln“ (es geht bei solchen Entscheidungen natürlich immer auch um Landes- oder Bundeszuschüsse) zu beheben. Hauptziel ist es ausdrücklich nicht, zusätzlichen neuen Wohnraum zu schaffen, sondern das „Klima des Quartiers“ zu verbessern.
Die meisten der zu bearbeitenden Probleme sind ähnlich aus anderen Innenstadtbereichen bekannt: Es fehlt an seniorengerechten Wohnungen, der Stadtteil ist sehr dicht bebaut und durch die Bodanstraße von der Altstadt getrennt. In der historisch gewachsenen Struktur fehlt es an Abstellplätzen für Autos und Fahrräder, so dass Straßen und Fußwege oft komplett zugestellt sind. Außerdem sollen etliche private Gebäude sowie der Spielplatz saniert und der Bodanplatz ansprechender gestaltet werden.
Die BewohnerInnen haben sich im Vorfeld deutlich gegen eine Luxussanierung ausgesprochen: Die Läden sollen erhalten bleiben, und die Sanierung soll keine Menschen verdrängen. Hinter diesen Forderungen steht die verständliche Angst vieler Stadelhofener, die Mieten und Pachten könnten nach einer Sanierung explodieren und somit zu hohen Profiten der Immobilienbesitzer führen, während viele Alteingesessene wegziehen müssen, weil sie sich ihren vertrauten Stadtteil nicht mehr leisten können. Die Verwaltung versichert in ihrer Vorlage, in „Anbetracht der gesetzten Ziele und Schwerpunkte der Sanierungsmaßnahme sind keine Bodenwertsteigerungen infolge der Sanierung zu erwarten.“ Man darf gespannt sein.
Stephansplatz
Die Geschichte des Stephansplatzes ist wechselhaft, und seine Nutzung wurde natürlich immer wieder den Zeitläuften angepasst. Wo heute Autos stehen, lag früher einmal ein Klostergarten, und wo heute zweimal wöchentlich Markt ist, befand sich bis 1784/85 ein Friedhof. Es ist also nicht auszuschließen, dass so mancher Parkende mit seinem Fahrzeug unter dem Asphalt die Gebeine eines seiner Vorfahren knacken lässt.
Der Stephansplatz zwischen Stephanskirche, Schule und Kaffeerösterei ist „vorwiegend asphaltiert, kleinere Restflächen sind noch in Natursteinpflaster vorhanden. Der Zustand des Belags verschlechtert sich fortlaufend.“ Ziel der Stadt bei einer Umgestaltung des Platzes ist es, einen „attraktiven Markt- und Veranstaltungsplatz mit hoher Aufenthaltsqualität und einer verträglichen Nutzungsintensivierung ohne oberirdische Stellplätze“ zu schaffen. Mit anderen Worten: Weg mit den Autos. Es geht um insgesamt 7.300 Quadratmeter, erwartet wird eine Million Euro Städtebaufördermittel, und aus verwaltungstechnischen Gründen wird der Stephansplatz dem Sanierungsgebiet Stadelhofen zugeschlagen.
Ganz einfach wird das alles nicht, denn die archäologischen Grabungen dürften einige Zeit dauern, und es muss auch der Zugang zur Innenstadt bedacht werden. Ziel der Neugestaltung ist es (in herrlichster Stadtplanerpoesie), den Platz „wirkungsvoll in Szene zu setzen und als Ort der Begegnung lebendig und gewinnbringend für die Bewohner und die Öffentlichkeit generell, für Schule, Gastronomie, Handel und Dienstleistung dieser Stadt zu gestalten. Es soll ein grüner Platz mit hoher Aufenthaltsqualität entstehen und damit im Sinne der Nachhaltigkeit und Verbesserung der klimatischen Verhältnisse für eine gesunde Umwelt Prioritäten gesetzt werden. Dabei soll die Sicherung und Stärkung des Wochenmarktes maßgebend berücksichtigt werden.“ In einem Jahr soll ein Planungskonzept vorliegen, das dann über mehrere Jahre hinweg verwirklicht werden soll.
Den vorhandenen Bäumen geht es derzeit gut, und sie sollen schnell weitere Gesellschaft erhalten. „Als erste vorgezogene Verbesserungsmaßnahme ist vorab für 2021 die Erweiterung des Schulhofs und die Pflanzung von 3 weiteren Bäumen vorgesehen. Der Asphalt wird in diesen Bereichen durch einen wasserdurchlässigen Belag ersetzt.“
Mieten
Die FGL will von der Verwaltung wissen, ob sie nach dem Vorbild von Freiburg eine Mietobergrenze in Wohnungen der WOBAK festzulegen gedenke. Die Freiburger haben einen zweijährigen Modellversuch beschlossen. Grob gesagt sollen die Mieten der städtischen Baugesellschaft im Schnitt um 25% unter den Mieten des Mietspiegels liegen, und die Mieter sollen nicht mehr als 30 Prozent ihres Haushaltseinkommen fürs Wohnen aufwenden müssen. Hintergrund ist ein älterer Beschluss des Freiburger Gemeinderates, diese Mieten am Niveau des Mietspiegels zu orientieren.
Laut WOBAK ist dieses Modell für Konstanz unnötig, denn ihre durchschnittliche Kaltmiete 2019 liege mit 6,98 € pro Quadratmeter Wohnfläche um „nahezu 26% unter der Mietspiegeldurchschnittsmiete von 2017 und erfüllt insofern die Voraussetzungen der gesetzten Ziele zur Mietgrenze in Freiburg. Eine zu hohe Einengung der finanziellen Spielräume für dringend erforderliche Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen wäre aus Sicht der WOBAK kontraproduktiv.“ Die WOBAK wünscht sich also freie Hand bei etwaigen Mieterhöhungen.
Bäume am Döbele
Das Döbele und seine Umgebung sehen für den Laien aus, als seien sie weitgehend zu Tode asphaltiert. Und doch schaffen es viele Tierarten, dort irgendwie zu leben, wie ein Gutachten ermittelt hat, „vor allem der Baumbestand am Döbele und die angrenzenden Grünzonen entlang des Grenzbaches bilden bedeutsame Leitstrukturen und Nahrungshabitate“. Immerhin leben zwischen Bushaltestelle und Bach 35 Vogelarten von Amsel bis Zilpzalp, und 23 brüten dort sogar, darunter der Gelbspötter. Außerdem schlagen sich mehrere Fledermausarten bei ihren eleganten Wahnsinnsflügen vor allem am Grenzbach und im südlichen Bereich der Schützenstraße die Mägen voll.
Die Zukunft für etliche dieser Tiere sieht nicht sehr rosig aus, folgt man der Vorlage: „Nach aktuellem Stand soll nahezu der gesamte Baumbestand auf dem Döbele beseitigt werden, um die geplante umfangreiche Bebauung und die verlegte Stadteinfahrt umsetzen zu können.“ Es steht also zu befürchten, dass in ein paar Jahren so mancher Piepmatz, der im Frühling nach einer langen Reise aus Afrika oder Asien heimkehrt, das Döbele nicht wiedererkennt und sich eine neue Unterkunft suchen muss.
Text und Foto O. Pugliese
Was: Sitzung des Technischen und Umweltausschusses. Wann: Dienstag, 21.07.2020, 16:00 Uhr. Wo: Bodenseeforum, Reichenaustraße 21, 78467 Konstanz.
Wie wäre es wenn die Stadt tatsächlich das Haus in der Markgrafenstrasse 10 kauft, falls möglich saniert und anschließend das Cafe Mondial hier einzieht? Das wäre doch eine Variante die allen Beteiligten vor Ort gefallen dürfte.
Das Café Mondial ins Technologiezentrum zu verpflanzen, wäre eine Entscheidung mit einigen Risiken. Denn in der Jugendhilfeausschutzsitzung (15. Juli) wurde vom Hochbauamt u. a. dargelegt, dass Außenflächen nur sehr begrenzt zur Verfügung stünden. Unstrittig ist auch, dass das TZK stark sanierungsbedürftig ist; die Unterbringung der künftigen Kita „Grenzbach“ ab 2021 dort ist auch nicht auf Dauer angelegt sondern nur ein Provisorium.
Zudem ist die seit Jahren verfolgte und mit den Mondialos abgestimmte Anbau-Lösung an das Palmenhaus keineswegs von den zuständigen Gremien gecancelt, sondern nur wegen der finanziellen Auswirkungen aufgrund von Corona verschoben worden.
Ich jedenfalls wünsche mir, dass das Café Mondial am jetzigen Standort bleiben kann und der Palmenhaus-Park auch in Zukunft von Besucherinnen und Besuchern jeden Alters und unterschiedlicher Herkunft belebt wird. Am besten im jetzigen und bald sanierten Gebäude – wenn es denn die Bürokratie trotz aller Hürden zulässt.