„Wohnraum auf dem Vincentius-Gelände“
„…empfiehlt die Verwaltung, das Gelände mit Schwerpunkt Wohnen mit ergänzenden gewerblichen/sozialen Nutzungen in der weiteren Planung zu bearbeiten.“ Und: „…wird eine Veranstaltungshalle an diesem Standort nicht empfohlen.“ Für eine Verwaltungsvorlage sind solche Aussagen ungewöhnlich deutlich: Das Vincentius-Areal in Konstanz soll künftig für Wohnungsbau genutzt werden
Mit Tagesordnungspunkt 11 in der nächsten Sitzung des TUA (Technischer und Umweltausschuss) des Konstanzer Gemeinderates am kommenden Donnerstag tritt die jahrelange Diskussion um die zukünftige Nutzung des Geländes in eine neue Phase. Denn innerhalb eines Jahres wird der Neubau für das orthopädische Fachkrankenhaus im Klinikum an der Luisenstraße bezugsfertig – dann stehen die Gebäude zwischen Schottenstraße und Laube leer, dann muss Klarheit über die Nutzung herrschen.
Arbeitsame Architekten und eingefleischte Propagandisten
Ein Parkhaus, am besten aber ein Konzerttempel sollte auf dem Gelände entstehen, posaunen die bürgerlichen Fraktionen im Konstanzer Gemeinderat seit Jahren. Alt-FDP-Stadtrat Edgar Kiessling, zufälligerweise Architekt auf der Suche nach einer Lebensaufgabe, hat sogar einen – gänzlich untauglichen – Bauplan für ein Konzerthaus auf dem Terrain vorgelegt, den Jörg-Peter Rau, eingefleischter KKH-Propagandist vom Südkurier, regelmäßig aus der Mottenkiste kramt. SPD, noch nicht ganz entschieden, und Grüne, mit wieder einmal gespaltener Zunge, und die LLK ohne wenn und aber treten für eine angesichts der Wohnraumnot in Konstanz dringend nötige Wohnbebauung auf diesem innerstädtischen Sahnebauplatz ein. Und jetzt schlägt sich die Stadtverwaltung auf deren Seite.
Mit guten Argumenten. Das erste Argument in der Vorlage allerdings ist so schlagkräftig nicht: Zuerst müsste ein innerstädtischen Gesamtkonzept erstellt werden – schließlich seien die drängenden Fragen: Neugestaltung Altstadt, Entwicklung Schänzle, HTWG-Erweiterung, Entwicklung Rheingut, Verkehrsführung Altstadt, Parkraumstudie zum linksrheinischen Stadtgebiet, Entwicklung Klein Venedig, Entwicklung „Döbele“ und das Strukturkonzept Stadelhofen noch nicht gelöst. Nur – mit diesem Totschlag-Argument blockiert die Baubehörde die Stadtentwicklung immer wieder. Man sollte sich im Expertenkreis um Baubürgermeister Werner mal eine neue Ausrede einfallen lassen. Schlagkräftiger sind die weiteren Begründungen. Es geht um Verkehrsfragen, um den Denkmalschutz und um „zu erhaltene Grünflächen“ im Innenstadtbereich.
Keine Verschärfung der Verkehrsenge
Alles andere als eine Wohnbebauung würde – so die Stadtverwaltung – die Verkehrsenge in der Innenstadt nur erhöhen. Und das sei angesichts der vielfältigen Bemühungen, den Innenstadtverkehr gerade auf der Laube zu entlasten, nur kontraproduktiv. Ein zusätzliches Parkhaus verböte sich darum ebenso wie eine Veranstaltungshalle.
Hinzu kommt: Das Areal des Vincentiusstiftes mit verschiedenen Baudenkmälern steht auf dem Platz des römischen Hafens, des mittelalterlichen Schottenklosters und des frühneuzeitlichen Schotten-Friedhofes. Diese hohe archäologische Relevanz ruft die Archäologen auf den Plan. Noch ist ungeklärt, was die unweigerlichen Grabungen zu Tage fördern werden und welche Konsequenzen das haben wird. Sicher ist nur, dass die Grabungen jeden Baubeginn verzögern und beeinflussen werden.
Grün- und Freiflächen sichern
Letztlich weist die Vorlage der Stadtverwaltung auf die freien, grünen Flächen hin, die im Stadtgebiet unverzichtbar seien. Das sei wichtig nicht nur als Lärm-Puffer gegen den Laube-Verkehr, sondern auch als Schutzzone für das Humboldt-Gymnasium sowie für die gerne genutzte Fußgänger-Querung zwischen Schottenstraße und Laube.
Fazit der Stadtverwaltung: „Das Vincentius-Gebiet befindet sich in zentraler Lage an der Schnittstelle zwischen den Stadtteilen Niederburg und Paradies, welche durch Wohnbebauung geprägt sind. Durch die zentrale Lage, die direkte Anbindung an das Paradies, zu Kindergärten und Schulen eignet sich das Vincentius-Areal grundsätzlich gut für eine überwiegende Wohnnutzung mit ergänzenden gewerblichen und sozialen Nutzungen…“.
Die Hatz ist eröffnet
Kaum vorstellbar, dass diese eindeutige Parteinahme die Parteigänger für mehr Verkehr, für mehr Parkplätze und für eine Vergnügungshalle befried(ig)en werden. Einzelhändler und ihre Südkurier-Werbeabteilung, Autofetischisten und Ewiggestrige werden ihre argumentativen Ladenhüter auspacken und über die Verödung der Innenstadt, von der Angst um Arbeitsplätze und über die vermeintlich fehlende Fortschrittsgläubigkeit schwadronieren. In jedem Fall: Ab nächsten Donnerstag ist eine neue Hatz in der Konstanzer Verkehrsdebatte eröffnet.
Autor: hpk