Wohnungs-Leerstand: Warum der Stadt die Hände gebunden sind

Eine verwaiste Villa in der Neuhauser Straße 2, ein Wohnhaus in der Brauneggerstraße 25 (siehe Bild), zwei Wohnungen in einem Gebäudekomplex in der Innenstadt, um nur wenige zu nennen. Diese drei Immobilien unterscheiden sich stark voneinander, doch sie haben zwei Dinge gemeinsam: Ihre Eigentümer sind bekannte Mitglieder der Konstanzer Stadtgesellschaft und deren Häuser und Wohnungen stehen seit Jahren ungenutzt leer. Ein Kommentar zur derzeitigen Lage.

Und die ist mehr als nur ein Ärgernis.

In Konstanz gibt es seit 2015 eine Satzung der Stadt über das „Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum“. Paragraph 4 der Satzung lässt kaum Fragen offen: „Eine Zweckentfremdung liegt insbesondere vor, wenn … der Wohnraum länger als sechs Monate leer steht.“

Zweifellos stehen die drei Objekte länger als die genannten sechs Monate leer.

Es drängt sich also die Frage auf: Warum tut die Stadt Konstanz nichts gegen diesen Leerstand? Haben die Eigentümer möglicherweise von der Verwaltung eine Genehmigung erhalten? Oder hat sie keinen Mut, gegen die angesehenen Bürger vorzugehen?

Nein, es liegt nicht an einer untätigen Verwaltung oder gar an politischer Einflussnahme. Ursache ist vielmehr ein Konstruktionsfehler des Zweckentfremdungsverbots.

Rechtsgrundlage für die Satzung der Stadt Konstanz ist das Gesetz des Landes gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum. Dieses wurde im Dezember 2013 vom Landtag beschlossen. Das Gesetz ermächtigt Städte und Gemeinden, eine Zweckentfremdungssatzung zu erlassen. Voraussetzung dafür ist großer Wohnungsmangel: „Die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnungen zu angemessenen Bedingungen“ muss besonders gefährdet sein. Außerdem muss die Wohnungsnot so groß sein, dass sie innerhalb von fünf Jahren nicht zu beseitigen sein wird. Im Gesetz findet sich eine Aufzählung, was alles unter die Zweckentfremdung fällt. Leerstand von Wohnraum gehört dazu.

Eine der ersten Städte, die eine kommunale Satzung erlassen hatten, war Freiburg. Gegen das dortige Zweckentfremdungsverbot wurde eine Reihe von Klagen erhoben. Die Gerichtsentscheidungen erklärten das Instrument für rechtens. Doch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 11. Juli 2016 hat Folgen: „Wohnraum, der zu anderen als Wohnzwecken einschließlich Leerständen genutzt wird, fällt nicht in den Anwendungsbereich der Satzung …  wenn die andere Nutzung bereits vor dem Inkrafttreten der Satzung und seitdem ununterbrochen in zulässiger Weise ausgeübt worden ist,“ lautet der Leitsatz.

Seit diesem Richterspruch gehen Baurechtsämter in Baden-Württemberg nicht mehr gegen diese „Altfälle“ vor, weil sie damit rechnen müssen, ebenfalls vor Gericht zu unterliegen.

2018 hatte das damals zuständige Landesministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnen die Wirkungen des Gesetzes zum Zweckentfremdungsverbot untersucht. Diese Evaluierung war Vorgabe des Gesetzes selbst, sie gehörte aber auch zur Koalitionsvereinbarung zwischen Grünen und der CDU. Letztere wollte das Zweckentfremdungsverbot nämlich kippen.

Dazu kam es nicht, weil die Stellungnahmen der betroffenen Städte Freiburg, Heidelberg, Stuttgart, Tübingen und Konstanz eindeutig waren. Alleine in Konstanz sind weit über 100 Wohnungen aufgrund des Verbots wieder vermietet worden. Die Zahlen in anderen Kommunen zeigen ebenfalls, ein Zweckentfremdungsverbot hilft, Wohnungen gegenüber bestimmten Formen der Spekulation zu schützen.

Damit die Verwaltungen auch etwas gegen die lange leerstehenden Häuser unternehmen können, benötigen sie die Hilfe des Landes. Nur wenn gesetzlich geregelt ist, dass es nicht auf den Beginn des Leerstands, sondern seine Dauer seit Beschluss der kommunalen Satzung ankommt, können die Ämter etwas tun, zum Beispiel Bußgelder androhen. Seit der letzten Gesetzesänderung sind bis zu 100.000 Euro möglich. Das wäre ein Betrag, der weh tut.

Doch das Land verzögert. Selbst die Gründung des neuen Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen im Jahr 2021 hat nichts an der Haltung der Regierung geändert. Dabei kennen der Amtschef Dr. Manfred Schneider und die grüne Staatssekretärin Andrea Lindlohr sogar Bilder der Konstanzer Objekte. Ambitionen, das Ärgernis zu beseitigen, haben auch die Fachreferate des Ministeriums nicht. Dort will man ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten. In der Tat liegt in Karlsruhe ein Fall zur Entscheidung vor, doch dieser beschäftigt sich mit ganz anderen Themen.

In Kürze beschließt der Gemeinderat in Konstanz über wichtige Änderungen der Zweckentfremdungssatzung. Alle sind sinnvoll. Doch gegen die Leerstände bleiben der Verwaltung weiterhin die Hände gebunden. Die Verantwortung dafür tragen Grüne und CDU in Stuttgart.

Autor: Winfried Kropp
Pressesprecher und Mitglied des geschäftsführenden Vorstands des Deutschen Mieterbund Bodensee; Mitglied des Landesvorstands des Deutschen Mieterbunds Baden-Württemberg.

Bild: H. Reile
(Es zeigt die Fahrraddemo im Juli 2021 vor dem Wohnhaus in der Brauneggerstr. 25, das seit langen Jahren leer steht. Fünf großzügige Wohnungen in bester Lage. Aber der Besitzer weiß genau, dass man ihm für den Leerstand nicht an die Wäsche kann, denn seine Immobilie war schon vor Erlass des Zweckentfremdungsverbotes entmietet.)