Zieht ein Konzern die Stadt Singen über den Tisch?
Die ECE GmbH & Co. KG („Einkaufs-Center Entwicklungsgesellschaft“) ist Europas größter Betreiber und Planer von Einkaufscenter-Komplexen: Nahezu 190 Einkaufszentren, 19 Millionen Euro Jahresumsatz. In Singen will der Konzern so schnell und reibungslos wie möglich andocken. Nach bewährtem Muster scheint man vorzugehen. Und das ist Stoff für einen Wirtschaftskrimi
Die Stadt Singen muss belebt werden. Nur wie? Irgendwas Florierendes muss in die Stadt. Die „Lösung“: Ein Einkaufszentrum – größer als das Lago in Konstanz? Das sollte machbar sein, dachte sich die ECE, die der Hamburger Milliardärsfamilie Otto („Otto-Versand Hamburg“) gehört. Eine Bürgerinitiative hat sich in Singen bereits formiert und sammelt Unterschriften gegen das Projekt, das am 23./24. Juli im Bebauungsplan-Feststellungsverfahren landen soll. Flächen hat die ECE unter anderem bereits von Privatleuten am Bahnhof, in der August-Ruf-Straße, der Hegaustraße und der Thurgauer Straße gekauft.
Jetzt möchte man meinen: Ist doch gut. Ein Milliardenunternehmen nimmt Geld in die Hand, sorgt für Arbeitsplätze, bringt anderen Unternehmen Geld, die wiederum investieren können, und spült Steuern in die Stadtkassen. Die Singener Initiative www.singen-muss-leben.de ist über die Ausführungen einer Mainzer Bürger-Initiative fündig geworden. Diese hinterfragt in einem sechsseitigen Dokument kritisch die Geschäfte der ECE und stellt fest, dass Geschäfte mit ECE langfristig negative Auswirkung auf Einzelhandel und Stadtbild haben können. Die Informationen lassen sich recht einfach gegen prüfen.
ECE – der Tanz mit dem Teufel?
Das Hauptargument für den Bau sogenannter ECE-Malls (nach amerikanischem Vorbild „shopping mall“) ist, dass so Kaufkraft in die Stadt komme. So wird in einem aktuellen Gutachten davon gesprochen, dass jeder dritte Kunde des ECE-Centers aus der Schweiz kommen würde – ungeachtet der Tatsache, dass bei einer Kursumkehr von Schweizer Franken und Euro sich dieses Verhältnis schnell wieder drehen kann und die Menschen von Deutschland in die Schweiz zum Einkaufen fahren. Hinzukommt, dass die Schweiz im Gegensatz zu Konstanz nun wahrlich keinen Katzensprung von Singen entfernt ist.
„Kaufkraftabsauganlage“
Problematisch ist an den Bauklotzgiganten der ECE zudem die Bauweise, die verhindert, dass Kunden noch Geschäfte außerhalb des ECE-Centers ansteuern. Günstige Parkmöglichkeiten auf dem Dach der ECE-Häuser sorgen dafür, dass Besucherströme möglichst selten das Umland besuchen. Mieter der ECE-Gewerbeflächen sind zumeist die allseits bekannten Ketten, mit den Schwerpunkten Bekleidung, Unterhaltungselektronik, Drogerieartikel, Lebensmittel. Hinzu kommen ein paar Dienstleister und Gastro-Betriebe. Laut „Mainzer Papier“ (Link: http://www.bi-lu.de/pdf/ece_shopping_malls.pdf) handelt es sich um „eine autonome Stadt in der Stadt“.
Empirische Studien belegen zusätzlich, dass es sich bei ECE-Komplexen um „Kaufkraftabsauganlagen“ handele. Die erhoffte Kaufkraft für die Innenstadt könnte also verpuffen. Vielmehr habe eine ECE-Mall oftmals ein Innenstadtsterben zur Folge. Auch Unternehmen, die als Mieter bei der ECE einsteigen, können von ihren Umsätzen nicht optimal profitieren, da ihre Mieten mit ihren Umsätzen steigen. Natürlich haben dann Mieter wiederum ein starkes Interesse daran, dass die Kundschaft im ECE-Haus bleibt und nicht in die Stadt abwandert – garantiert man so doch die Einnahmen, mit denen man die Miete bezahlen muss.
Ein weiterer beliebter Schachzug ist der Verweis auf städtische Einnahmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Auch hier dürfte Singen mit einem ECE-Bau floppen: Es werden überwiegend Jobs im Niedriglohnsektor geschaffen: 450-Euro-Jobs und Stellen für Geringverdienende. Häufig reicht das Geld nicht, um über die Runden zu kommen und zwingt jene ArbeitnehmerInnen aufzustocken. Das bezahlt dann die Stadt. Ganz nebenbei wälzt ECE, so gut es geht, die nötigen Infrastrukturmaßnahmen für den eigenen Bau auf die Kommune ab. Wieder ein Minus in der Stadtkasse. Höher qualifizierte Jobs, von denen die Stadt durch die Einkommenssteuer mit profitiert, entstehen kaum. Andere Steuereinnahmen sollten für Singen auch kaum anfallen, werden diese doch in der Regel am Hauptsitz eines Unternehmens gezahlt, also in Hamburg.
Üblich: ECE klüngelt mit der Stadtverwaltung
Nicht nur der Baustil folgt einem immer gleichen Muster – auch das Vorgehen der ECE-Verhandlungsführer. Diese treten an eine Stadtverwaltung heran, die knapp bei Kasse ist, und preisen ihr Projekt als die Lösung aller Probleme an. Gutachten über die Wirtschaftlichkeit von ECE-Malls sind dann flott bei der Hand. Zuweilen gehen aber auch für die ECE Wirtschaftlichkeitsgutachten nach hinten los: Ulm untersagte in den 1990ern die Ansiedlung eines ECE-Baus, nachdem die IHK (!) interveniert hatte.
Vorverträge oder Optionsverträge werden auf freie Flächen der Stadt bereits zu Vorkonditionen abgeschlossen, noch bevor die Öffentlichkeit über die Vorgänge informiert ist. So gut es geht, wird dafür gesorgt, dass Branchenkonkurrenten keine Chance mehr haben, bei einer EU-üblichen Flächenausschreibung mitzukonkurrieren. Ganz im Sinne des vielbeschworenen „Wettbewerbs“.
Sind all diese Vorgänge abgeschlossen, treten Stadtverwaltung wie Unternehmensspitze an die Öffentlichkeit und bewerben die Planung als eine Sache, von der alle profitierten. Kritische Stimmen werden zu Bürgerinformations-Veranstaltungen eingeladen und diese dann als „Beispiel gelungener Bürgerbeteiligung“ verkauft. In den meisten Fällen setzt die ECE ihre ursprünglichen Pläne dann dennoch eins zu eins um. Gegengutachten oder Gegendarstellungen werden kleingeredet mit dem Argument, man stütze sich ausschließlich auf das, dann eigene Gutachten. Die Bürgerbeteiligung verkommt somit zur Farce.
Um Kritik verstummen zu lassen, werden vielerorts Veranstaltungen mit Bands, lokalen Sportgrößen (z.B. Fußball) oder auch mal ein Kinderchorsingen organisiert, um den kulturellen Zuwachs herauszustellen. Auch werden gelegentlich schmeichelnde Preise für besonders hübsche Rathäuser, wie z.B. in Trier, verliehen. Wenn eine Bürgerinitiative zu klein, aber dennoch zu laut ist, wird dann durchaus mit rechtlichen Schritten gedroht. In der lokalen Presse werden großflächig Anzeigen geschaltet, um ein positives Stimmungsbild zu erzeugen. Wer’s nicht glaubt, sollte sich mal unter dem Stichwort ECE ins Südkurier-Online-Archiv über die wachsweiche Berichterstattung kundig machen.
Sollte eine Stadt dennoch einen Rückzieher machen wollen, gibt es mehrere Möglichkeiten, damit umzugehen. Hameln ließ sich nicht einschüchtern von der Rhetorik, man könne genauso gut in der benachbarten Gemeinde Minden ein ECE-Center bauen. Minden begann mit dem Bauvorhaben eines ECE-Centers, welches dann allerdings Ende 2013 zum Erliegen kam, da der ECE das Grundstück angeblich zu teuer war. Hinterlassen wurden Minden Planungs- und Rückbaukosten.
Leere Betonklötze in der Landschaft
Steht ein ECE-Center erst einmal da, ist noch längst nicht gesichert, dass es auch ein Einkaufs-Center bleibt. Auch hier bietet die Bürger-Initiative aus Mainz ein sehr anschauliches Beispiel: In Wiesbaden gibt es mehrere Shoppingmalls, eines davon ging vor ein paar Jahren in Insolvenz. Durch die abgeschottete Bauweise der ECE-Gebäude fällt es Kommunen oftmals schwer, den leerwerdenden Raum neu zu nutzen oder zu vermieten. Wenn vermutet werden darf, dass das Gutachten in Singen ebenfalls auf geschönter Auslegung basiert, hätte das für die Stadt doppelt negative Folgen: Eine ausgelaugte, entkultivierte Innenstadt sowie ein leerstehendes, sich nicht tragendes ehemaliges ECE.
Entscheidung über den Zaun brechen?
Die entstehende Verkehrsmehrbelastung für die Zeit des Baus dürfte dabei das geringste Problem sein. Viel verstörender ist, dass der Singener Gemeinderat am 23.07. im Städteplanungsausschuss und in der Gemeinderatssitzung einen Tag später bereits das Bebauungsplanungsverfahren verabschieden will. Ob der Punkt, an dem es „kein Zurück mehr“ gäbe, schon überschritten ist, mag mal dahingestellt sein. Aber die Methodik riecht schon arg nach „Fakten schaffen“ – statt sich besonnen die Zeit dafür zu nehmen, mögliche sinnvolle Alternativen zu diskutieren. Und eine breite, belebte Innenstadt täte Singen sicherlich besser als sich den heilvollen Versprechungen eines Unternehmens hinzugeben, dessen Wikipedia-Text sich streckenweise so liest, als käme er aus der firmeneigenen Marketingabteilung.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: Ryk Fechner
Wir haben in Jena ECE/OFB zum Teufel gejagt. Gibt es denn für das tolle Einkaufscenter überhaupt schon Verträglichkeitsgutachten, Umweltgutachten, gibt es in Eurer Stadt aktuelle Einzelhandelskonzepte? Berücksichtigt werden müssen auch Verkehrsströme und vor allem genügend neue Parkplätze. Dies sind alles Daten, die eigentlich vor einer Entscheidung ja oder nein neues Einkaufscenter vorliegen sollten. Wenn nicht, hat die Verwaltung noch einige Hausaufgaben zu machen. In Verträglichkeitsgutachten z.B. durch GMA – ein mit ECE befreundetes Beratungsunternehmen – wird oft die aktuelle Auswirkung des online-Handels unter den Tisch gekehrt. Wieviel Handelsfläche hat denn Ihre Stadt? Über 1,5 qm je Einwohner? dies ist in Deutschland die Durchschnittshandelsfläche. In Jena haben wir bereits 2,4 qm. Der Verwaltung war das egal. Aber die Bürger haben sich detailliert informiert und gesagt, Stop. Jetzt werden die Jenaer Bürger selbst aktiv und machen sich Gedanken über die Gestaltung ihrer öffentlichen Plätze. Wir haben eine Ideenwerkstatt gegründet. Es gibt sehr viele gute Ideen und an der Finanzierung wird es auch nicht scheitern. B & B, ein Parkhausbetreiber sagte schon zu auf Erbpachtbasis eine Tiefgarage zu bauen und zu betreiben.
Politik und Verwaltung hat verlernt mit ihren Bürgern zu sprechen bzw. mit diesen zusammen zu planen. Sie haben eher Vorbehalte vor Bürgern und kommt er gar in die Behörde und stellt Fragen, ist er nur ein Störfaktor. Der Bürger wird viel zu oft nur als Steuerzahler und Konsument gesehen. Sollte aber nicht der Bürger entscheiden wie er leben möchte? Was macht eine liebenswerte Stadt aus?
Oft werdern Bürgermeister von „interessanten“ Städten eingeladen in einer Stiftung mit zu machen namens „Lebendige Stadt“. Diese wurde von ECE, Alexander Otto ins Leben gerufen.
Das ECE Netzwerk ist viel größer wie Ihr alle ahnt. Hier ein kurzer Link:
https://lobbypedia.de/wiki/Stiftung_Lebendige_Stadt
Herr Cuenot,
Erst schreiben Sie, sie wollten die Situation in Singen nicht mit einer Großstadt (Stuttgart) vergleichen – und kommen dann doch wieder damit an. Dann unterstellen Sie mir, ich hätte Informationen über das ECE-Center in Mainz eingeholt – was gar nicht stimmt, ich habe lediglich die dortige BI bezüglich der Vorgehensweise von ECE zitiert.
Bitte entschuldigen Sie mich, Herr Cuenot, ich habe Besseres zu tun.
[…] Der Seemoz berichtet über das geplante ECE-Shoppingcenter in Singen und die Aktivitäten der Bürgerinitiative. Ryk Fechner beleuchtet das Vorgehen von ECE in der Lobbyarbeit, und gibt uns einen Vorgeschmack auf das, was in Singen und Umgebung dank ECE zu erwarten wäre. Der Artikel findet sich hier. […]
@ Gerd Kauschat
Auf der Homepage von ECE steht:
Shopping
Breuningerland, Ludwigsburg
Breuningerland, Sindelfingen
City Center, Balingen*
Darmstädter Hof Centrum, Heidelberg
EKZ Karlsruhe, Karlsruhe*
EKZ Weinheim, Weinheim*
Ettlinger Tor, Karlsruhe
Königsbau Passagen, Stuttgart
Kurpfalz Center, Mannheim-Vogelstang*
Leo-Center, Leonberg
Marstall, Ludwigsburg
Milaneo, Stuttgart
Rems Park, Waiblingen*
Shopping Cité, Baden-Baden*
Stadtgalerie, Heilbronn
Stern Center, Sindelfingen*
Es wäre also durchaus möglich, sich Informationen über diese Projekte in Baden-Württemberg einzuholen, wenn man das auch über ein solches Projekt in Mainz macht 🙂
@Peter Cuenot
Also bitte, ich bin Ihrem ECE-Link gefolgt. Darauf aufbauend findet man heraus, dass ECE in der Region nur ein einziges Center betreibt – nämlich in Balingen. Das dortige Center ist im Vergleich zu dem, was in Singen geplant ist, poplig (nur ein Geschoss, drei Magnetbetriebe, nur die Hälfte der in Singen geplanten Verkaufsfläche). Balingen verfügt über eine wesentlich höhere Pro-Kopf-Einkaufskraft, was die Überlebenschancen des lokalen Einzelhandels wesentlich verbessert. Trotzdem führte dieses Center zu deutlichen Umsatzeinbussen im lokalen Einzelhandel. In der Folge regte sich massiver Protest gegen eine geplante weitere Ausweitung von Shopping-Flächen in Balingen, und die vom Gemeinderat bereits beschlossenen „Eyach-Arkaden“ wurden aufgrund dieser Proteste eingestampft.
Das hätten Sie aber auch selbst recherchieren können.
@Peter Cuenot – Woher dann Ihre Euphorie?
„Wer von irgendeiner Seite “entlohnt” wird bzw. sonstige Vorteile bekommt oder erwartet, schreibt keinen Artikel oder meldet sich höchstens unter einem Pseudonym.“
Behaupten können Sie viel (und machen davon auch reichlich Gebrauch), aber woher kommt denn dann Ihre Euphorie? Sind Sie so verzaubert von der Vorstellung, daß die Stadt Singen zur Achterbahn von ECE verkommt? Oder sind Sie lediglich ein glühender Verfechter der marktkonformen Demokratie?
Nehmen Sie zur Kenntnis, daß beide Möglichkeiten an den wirklichen Bedürfnissen von Menschen – nicht Leuten! – haarscharf bis lichtjahremäßig vorbeischrammen. Profitieren werden davon, was für ein Wunder!, nur die üblichen Profiteure.
@ Ryk Fechner
„Stuttgart mit Singen vergleichen ist ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Auf der einen Seite eine 600.000-Einwohner-Stadt, auf der anderen Seite eine mit 45.000. Ein ECE in Stuttgart würgt demzufolge nicht die komplette Stadt ab.“
Ich habe nicht Stuttgart mit Singen verglichen, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass dort in einigen Monaten ein solches Centre eröffnet wird.
„…… Kaufkraft aus dem Umfeld schwindet, so zieht ihr “es gibt 190 Städte, die gute Erfahrung gemacht haben”, recht wenig.“
Habe ich ebenfalls weder wörtlich noch sinngemäß behauptet, sondern geschrieben, dass man mindestens ein Dutzend der der Stadt Singen am nächsten liegenden Shopping Centres analysieren sollte.
Was beim finanziellen Umfang eines solchen Projekts (vermutlich weit mehr als 100 Millionen Euro) im Interesse aller Singener und darüber hinaus liegen sollte, da auch die mittel- und langfristigen Konsequenzen von großer Tragweite sein werden.
@ antares
Nein, „antares“!
Wer von irgendeiner Seite „entlohnt“ wird bzw. sonstige Vorteile bekommt oder erwartet, schreibt keinen Artikel oder meldet sich höchstens unter einem Pseudonym.
Sehr geehrter Herr Cuenot,
Stuttgart mit Singen vergleichen ist ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Auf der einen Seite eine 600.000-Einwohner-Stadt, auf der anderen Seite eine mit 45.000. Ein ECE in Stuttgart würgt demzufolge nicht die komplette Stadt ab.
Nochmal: Wenn empirische (also WISSENSCHAFTLICHE) Gutachten dennoch attestieren, dass durch die Bank weg Kaufkraft aus dem Umfeld schwindet, so zieht ihr „es gibt 190 Städte, die gute Erfahrung gemacht haben“, recht wenig. Zudem ist sicherlich davon auszugehen, dass ein Milliarden schwerer Verein auf der eigenen Website damit anfängt, sich selber zu kritisieren. Coca Cola wurde so schließlich auch weltweit erfolgreich.
Wenn man allerdings etwas unter der Oberfläche kratzt, findet man in so einigen Orten Bürgerinitiativen gegen ECE. Oder kennen Sie welche, die dafür demonstriert haben?
statt auf die ECE-Seite kann man auch auf wikipedia gehen:
http://de.wikipedia.org/wiki/ECE_Projektmanagement
Und man kann dort sogar etwas zum Vorgehen der intransparenten Einflussnahme auf die Stadtplanung von Singen schreiben, so man Lust hat.
@Peter Cuenot
Werden Sie für Ihr Engagement von ECE entlohnt? Wieviel springt denn dabei raus, wenn man sich so ins Zeug legt?
Was Herr Kauschat schreibt ist natürlich vollkommen richtig.
Nur, ist es nicht grundsätzlich so, dass es auf diesem Level stets um Umverteilung geht?
Mein Hinweis zielte auch nicht auf die Befürwortung eines solchen Shopping Centre.
Man sollte sich aber allerseits die Mühe machen und nicht nur ein oder zwei Beispiele herauspicken, welche den eigenen Standpunkt – pro oder contra – unterstützen; sondern mindestens das Dutzend von Shopping Centres analysieren, welche Singen am Nächsten liegen.
Hallo Herr Cuenot,
ich bin auch schon vor lauter Vorfreude schier aus dem Häuschen (dass ich mir stündlich in die Hose seich‘ – nicht verraten) bei dem Gedanken, dass die Singener Innenstadt bald komplett von Herrn Otto überbaut wird und so supi-tolle Läden wie Aldi, H&M, McDonalds, EinEuroShop, Frisöre, ToGo-Cafés etc. mein bescheidenes Leben kulturell und irgendwie auch emotional bereichern und stadtplanerisch sowieso lange vermisste Highlights gesetzt werden. Meine Deutschlandfahne am hinteren linken Seitenfenster (Opel Corsa, Baujahr 83) habe ich nun mit einem ECE-Sticker (Häkelarbeit meiner Tante Gisela) verziert und hoffe, Ihnen und der guten Sache von daher und überhaupt helfen zu können. Wäre doch gelacht, wenn sich die ewig gestrigen Einzelhändler vor Ort mit ihrer Angst um eigene Pfründe durchsetzen würden (die wollen doch nur Geld verdienen)!
Die Menschen haben nicht etwa mehr Geld, nur weil in Ihrer Lebensumgebung plötzlich ein Shoppingcenter steht. Es gibt also nur etwas umzuverteilen. Dies ist in allen Städten so, dessen bin ich sicher.
Ebenso sicher bin ich mir, dass ECE diese Tatsache auf ihrer Homepage nicht eben in den Focus des Lesenden rücken wird.
Die ECE-Gegner – aber auch die ECE-Befürworter – sollten sich eventuell mit einer Reihe der von ECE durchgeführten Projekte befassen.
So kann man auf der Homepage von ECE – https://www.ece.de/ – z.B. lesen, dass am 09.10.2014 das „Milaneo“ in Stuttgart eröffnet wird.
So wird auch unter „Wir über uns“ dargestellt:
„Shopping-Center:
189 im Management
14 in Bau und Planung
13 in Erweiterung/Großumbau
17.500 Mieterpartner
6.000.000 Quadratmeter Verkaufsfläche
21 Milliarden Euro Einzelhandelsumsatz
4 Mio. Besucher / Tag in allen Centern zusammen“.
Ob da in den betroffenen Städten neben schlechten auch gute Erfahrungen gemacht wurden?
Immobilienprojekt Stuttgart 21 – ECE:
Das Unternehmen ECE, das ja gerne die Freiflächen nach dem Tod des Stuttgarter Hauptbahnhofs für ein Einkaufszentrum nutzen möchte, hat in der Türkei vom Verein für Soziale Rechte (Sosyal Haklar Dernegi) den Preis als „Ausländischer Investor des Jahres 2012“ verliehen bekommen (Quelle: http://www.radikal.com.tr, 01.03.2013). Der Verein erinnerte daran, dass die ECE-Tochter ECE Türkiye einer der Bauherren des Einkaufszentrums Marmara AVM in Esenyurt (Vorstadt von Istanbul) war, eines 220-Millionen-Euro-Projekts, bei dessen Bau 11 Arbeiter ums Leben kamen. Die Arbeiter waren nicht in Containern untergebracht, sondern in Nylonzelten, 35 Arbeiter in 10-Personen-Zelten, und wie die Zeitung evrensel am 12. März 2012 berichtete, war in einem Zelt nachts Feuer ausgebrochen, das auf ein zweites Zelt übersprang. Soviel dazu, was ein Menschenleben solchen Herren wert ist.
Der Hammer ist, dass ECE hier offen „hinter den Kulissen“ agiert. Im Singener Gemeinderat wurde jetzt eine Bürgerfragestunde eingerichtet, und die haben wir dann gleich genutzt, um zu erfahren, ob, wie uns zu Ohren gekommen war, ECE hier hinter verschlossenen Türen die Fraktionen bearbeitet. Das wurde bejaht, und der ganze Vorgang wurde dann auch im Südkurier publiziert (http://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/singen/Erste-Buerger-nutzen-Fragezeit;art372458,7041405). Damit hatten wir die Singener Politik und ECE beim Mauscheln erwischt, noch bevor der Termin stattfand – und in der Presse stand’s auch zu lesen.
Wer denkt, auch nur eine Fraktion hätte es daraufhin für nötig befunden, sich zu erklären oder gar von so etwas abzurücken, der hat sich geschnitten. Scheinbar scheint der Singener Politik die rekorverdächtig niedrige Wahlbeteiligung bei den letzten Kommunalwahlen noch nicht auszureichen – das können wir noch besser, solange der Bürger nicht empört auf die Strasse geht, mauscheln wir einfach weiter. Hinterzimmer als Normalzustand, sozusagen.
Und so kommt mir hier fast täglich Tucholskys berühmte Aussage über die Korrelation von Nahrungsaufnahme und vomitieren in den Sinn. Auch als Normalzustand, sozusagen.