Zoff in der Chérisy
In der Chérisy regt sich Widerstand: Das Konstanzer Quartier zwischen Bahngleisen und Fürstenberg, das sich gerne alternativ gibt, wehrt sich gegen neue Bebauungspläne, die das einstige Kasernengelände weiter verdichten sollen. Bis zu 200 Studentenwohnungen sollen schon bald auf einer grünen Wiese zwischen den Blocks entstehen – auf einer ersten „Nachbarschaftsanhörung“ der Stadtverwaltung am 16.11.will die neue Initiative „SCHÖNE CHERISY!“ ihren Protest anmelden.
„Die Chérisy kann immer noch was bewegen, wenn sie nur will“, freut sich ein langjähriger Chérisianer und denkt zurück an alte Zeiten, in denen in den 1980iger Jahren mit viel Eigeninitiative und gegen etliche Widerstände das gemeinnützige Wohnprojekt entstand. Und einer der ersten Einwohner seit damals, Rudy „Kuki“ Hänel, ist jetzt auch Sprecher der neuen Initiative „SCHÖNE CHERISY!“. Der Konstanzer Anwalt will mit allen anderen Bewohnern – das sind Bewohner der Sozial-, Studenten- und Altenwohnungen sowie Betreiber der zahlreichen kulturellen, sozialen und gewerblichen Einrichtungen – für den unverbauten Erhalt seines lebens- und liebenswerten Quartiers kämpfen.
Das Bauvorhaben soll beschleunigt durchgezogen werden
Denn den sehen viele bedroht: Die Stadtverwaltung Konstanz plant, auf der Wiese zwischen der Chérisystraße und dem Joseph-Belli-Weg den Bau zweier Studentenwohnheime mit jeweils bis zu 700 qm Gewerbefläche und insgesamt bis zu 200 Wohnplätzen mit dazugehörigen Autostellplätzen. Für beide Gebäude stehen bereits Privatinvestoren bereit; ein Architektenwettbewerb wird ebenfalls durchgeführt. Das Bauvorhaben soll durch Verabschiedung sogenannter „vorhabenbezogener Bebauungspläne“ beschleunigt werden.
Auch die Initiative „SCHÖNE CHERISY!“ verkennt in ihrer ersten Pressemitteilung nicht, dass steigende Studentenzahlen schnelle Reaktionen erfordern. Nur gibt sie zu bedenken, dass in der Stadt Konstanz der Versorgungsgrad an Studentenwohnheimplätzen von 18,3% im Jahre 2009 auf 16,7% im März 2011 gesunken ist. Man fragt sich, wer das zu verantworten hat. “Das waren zuletzt 2344 Wohnheimplätze bei mehr als 1500 Studenten auf den Wartelisten der Studentenwerke in Konstanz. Insbesondere durch den Doppeljahrgang 2012 wird sich die Zahl der Studenten weiter erhöhen, soll aber ab 2015 nicht weiter steigen“, teilt die Initiative in ihrer Presseerklärung mit.
Es fehlt ein Verkehrskonzept
Die Initiative befürchtet „eine städtebauliche Kurzschlusshandlung mit massiver Verdichtung und Verbauung eines in mehr als 30 Jahren gewachsenen, beispielhaften sozialen Quartiers ohne Berücksichtigung des ortsbildprägenden Wiesen- und Baumbestandes und unter Verschärfung der bereits jetzt mangelhaften Freiflächen- und Verkehrsgestaltung bei ständig steigenden Verkehrsimmissionen“. Denn das ist klar: Eine Grünfläche würde verbaut, mehrere alte Bäume müssten weichen, die schon heute verheerende Situation des Autoverkehrs würde sich weiter verschlimmern, wenn die Baupläne in dieser Größenordnung verabschiedet würden.
„Jeden Morgen, jeden Abend das selbe Dilemma“, weiß Kuki Hänel, der täglich in seine Innenstadt-Kanzlei radelt, „mindestens zehn Mal bin ich in den letzten Jahren beim Versuch, die Chérisy zu verlassen, in bedrohliche Situationen, in Fast-Unfälle, geraten. Meine Proteste bei der Stadtverwaltung verhallten ungehört“. Besonders verärgert ist man in der neuen Initiative, dass die Stadtverwaltung kein Konzept vorlegt, wie die dann geschätzt 100 zusätzlichen Autos in der Chérisy verkraftet werden sollen. „Ohne neues Verkehrskonzept der Stadt läuft da gar nichts“.
Bislang wurde das Projekt im „Technischen und Umweltausschuss“ (TUA) vor behandelt. Und der hat im September dem Antrag der M. Löffler Wohn- und Gewerbebau- Bauunternehmen GmbH auf Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes zugestimmt. Interessant allerdings: Im Mai wurde in einer TUA-Vorlage noch die GBI AG (Gesellschaft für Beteiligungen und Immobilienentwicklungen) als Investor genannt. Auch im TUA wurde allerdings bereits eine Reduzierung des Bauvolumens auf 120 Wohnungen angeregt und ein Verkehrskonzept angemahnt. Letztlich entscheiden wird der Gemeinderat über die Bauanträge nach den „Nachbarschaftsanhörungen“.
Und später werden aus Studentenbuden dann Eigentumswohnungen?
Dennoch argwöhnt man in der neuen Initiative, „dass dauerhaftes studentisches Wohnen ohne öffentliche Förderung nicht das wirtschaftliche Ziel der Privatinvestoren sein kann, sondern am Ende, unter Umgehung des bestehenden Bebauungs- und Flächennutzungsplanes, teuer vermietbare oder gewinnbringend verkaufbare Wohnungen für Singles oder ältere Ehepaare entstehen.“
Die Mitglieder der Initiative werden sich erstmals auf der von der Stadt Konstanz veranstalteten „Nachbarschaftsanhörung“am 16.11.2011 um 19 Uhr im Kulturladen auf dem Cherisy-Gelände öffentlich zu Wort melden.
Autor: PM/hpk