Zoff ums Konstanzer Theater hat Stuttgart erreicht

Seemoz-NixDas Stadttheater Konstanz und sein Intendant Christoph Nix geraten von zwei Seiten unter Druck:  Am vergangenen Sonntag suchten erneut rechtskonservative Demonstranten türkischer Herkunft das Theater heim. Die Stuttgarter Landesregierung rüffelt Nix andererseits wegen seiner Äußerung an die Adresse von Bilkay Öney, SPD- Integrationsministerin in der Landesregierung. Anlass beide Male: Die Auseinandersetzung am Stadttheater um den Völkermord an den Armeniern  Erst in einem aktuellen Stück, dann in einer Podiumsdiskussion war das Verhältnis von Türken und Armeniern brandaktuelles Thema: Gegen das Stück „Das Märchen vom letzten Gedanken“ hatte es sowohl im Vorfeld als auch bei der Premiere vor drei Wochen Proteste von türkischer Seite gegeben. Der türkische Generalkonsul in Karlsruhe bezeichnete den Begriff „Völkermord“ in einem Brief an Nix als „überaus unglücklich“ und verlangte die Verlesung seines Schreibens vor jeder Vorstellung (seemoz berichtete mehrfach). Um die Gemüter zu beruhigen, las Nix das Schreiben auch tatsächlich vor – allerdings nur am Premierenabend. Und ließ das monierte Plakat, in dem die Demonstranten eine Verunglimpfung der türkischen Flagge sahen, überkleben.

Überdies setzte Nix für den vergangenen Sonntag eine gut besuchte Podiumsdiskussion im Theater mit türkischen und armenischen Juristen und Journalisten an, um das Thema politisch und historisch aufzuarbeiten. Ein Bus karrte türkischstämmige Demonstranten aus ganz Baden-Württemberg heran. Die mischten sich zwar unter das Publikum, verhielten sich aber überwiegend friedlich – von einigen Schmährufen gegen Nix einmal abgesehen.

Kritik aufgebauscht

Im Vorfeld dieser Diskussion hatte Nix geklagt, dass sich die Integrationsministerin Bilkay Öney nicht zu dem Konstanzer Konflikt geäußert hatte. „Wenn es schon eine Ministerin mit türkischem Migrationshintergrund gibt, kann man erwarten, dass die sich das Stück auch mal anschaut“, wird Nix von einigen Zeitungen aus Stuttgart und Oberndorf zitiert. Die dann aber aufgebauschte „Kritik an der Ministerin“ weist Nix zurück: „Ich hätte mich eben über eine Stellungnahme aus Stuttgart gefreut“. Wie man hört, hat der zuständige Staatssekretär zu Beginn dieser Woche das Theater um eine Klarstellung gebeten.

Auch Öneys Sprecher wies die ‚Kritik‘ von Nix zurück: „Bilkay Öney ist Ministerin für Integration – nicht Kultur- oder Außenministerin“, erklärte der. Die Ministerin pflege gegenüber Kunst und Kultur die Neutralität, die von der Verfassung vorgeschrieben sei. „Wir verstehen deshalb nicht, weshalb sich Herr Nix eine Einmischung von ihr wünscht“, so Öneys Sprecher weiter.

Nix kann diese Haltung nicht verstehen, wenn er beklagt, dass im Zuge der Proteste sein E-Mail-Konto offenbar gezielt zerstört worden sei. „Ich habe deshalb Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.“

Parlamentarische Anfrage

Die oppositionelle CDU hat in der Angelegenheit eine parlamentarische Anfrage an die Regierung gestellt. Der Landtagsabgeordnete Bernhard Lasotta wirft Öney vor, sie habe eine „gespaltene Haltung“ zum Massenmord an den Armeniern. Dadurch habe die SPD-Politikerin „keine Kraft, mäßigend auf türkisch-nationalistische Gruppen einzuwirken oder die verantwortlichen Kunstschaffenden und die armenische Minderheit ernsthaft zu unterstützen. Sie hat damit erneut integrationspolitisch versagt.“

Hintergrund des Streits sind Geschehnisse vor 100 Jahren: Im 1. Weltkrieg wurden bis zu 1,8 Millionen Armenier aus Ostanatolien vertrieben. Die Osmanen sahen sie als Verbündete des Kriegsgegners Russland an. Laut dem Zentrum gegen Vertreibungen in Wiesbaden kamen bei den Deportationen 1915/1916 fast 1,5 Millionen Menschen ums Leben. Die heutige Türkei, in der nur noch eine kleine armenische Minderheit lebt, spricht von 200 000 Toten und weist den Vorwurf des Völkermords zurück. Am 24. April gedenken wie alljährlich Armenier weltweit der Verhaftung und Ermordung armenischer Intellektueller, die am 24. April 1915 begann und den Völkermord einleitete.

Das Stück „Das Märchen vom letzten Gedanken“ wird am Konstanzer Stadttheater bis Ende April noch aufgeführt am Dienstag 15.04 – 20:00, Mittwoch 16.04 – 15:00, Donnerstag 17.04 – 20:00, Mittwoch 23.04 – 20:00, Freitag 25.04 – 19:30, Sonntag 27.04 – 18:00, Mittwoch 30.04 – 20:00.

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Autor: hpk

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