Zu wenig Geld und Personal für den Klimaschutz

Beim Klimaschutz denkt man zuerst einmal an: Abgeholzte Regenwälder, betrügerische Autokonzerne, Kuhflatulenzen, überhitzte Heizungen, die Zerstörung der Ozonschicht durch die eigenen Urlaubsflüge. Letztlich aber ist der Klimaschutz zuerst einmal eine Aufgabe der Kommunen, die dafür eher schlecht als recht ausgestattet sind, wie die Konstanzer Stadtverwaltung im Technischen und Umweltausschuss (TUA) beklagte.

Der Klimaschutz sollte eigentlich ja eines der Top-Themen aller politischen Debatten sein, gerade jetzt, wo immer klarer wird, dass selbst viele der bescheidenen Ziele, die man sich international gesetzt hat, auf dem bisherigen Wege kaum zu erreichen sind (falls das denn überhaupt jemals ernsthaft beabsichtigt war). Doch letztlich spielt er bis heute im politischen und administrativen Alltagsgeschäft keine sonderlich öffentlichkeitswirksame Rolle.

Lokal handeln, global auch

Der Klimaschutz hat zwar weltweite Auswirkungen, fängt aber vor Ort an. Im TUA kam es am letzten Donnerstag zu einer lehrreichen Debatte über die Lage in Konstanz. Anlass war das Audit des European Energy Awards, an dem Konstanz seit 2007 zusammen mit 1300 anderen Kommunen teilnimmt. Kurzgefasst heißt das: Konstanz hat sich verpflichtet, seine Klimaschutzaktivitäten alle zwei Jahre intern zu prüfen und alle vier Jahre externen Prüfern zur Bewertung vorzulegen, und am 8. Dezember ist mal wieder Stichtag. Bewertet werden dabei einzelne Aktivitäten und Pläne nach einem Punktesystem. Nach internen Berechnungen hat Konstanz 2017 58,5 % der möglichen Punkte erreicht, was gegenüber dem Höchstwert von 61,3 % im Jahr 2014 einen leichten Rückgang bedeutet.

Während die Stadt in den Bereichen Mobilität sowie Interne Organisation mehr als 70 % der möglichen Punkte erreicht, nehmen sich die 33 % im Bereich Kommunale Gebäude und Anlagen auf den ersten Blick eher jämmerlich aus. Zur Orientierung: Im Jahr 2012 (neuere Daten liegen nicht vor) belief sich das gesamte Energieaufkommen der Stadt Konstanz auf knapp 1370 GWh, dabei ist Erdgas der dominante Energieträger.

Sektor

Anteil am Endenergieverbrauch

Privathaushalte

52 %

Gewerbe, Handel und Dienstleistungen

26 %

Verkehr

17 %

Öffentliche und kommunale Verbraucher

3 %

Das energiepolitische Arbeitsprogramm der Stadt, das der TUA am Donnerstag angenommen hat, wurde auf Basis früherer Programme und der Beschlüsse des Gemeinderats zum Integrierten Klimaschutzprogramm vom Dezember 2016 formuliert. Einige seiner Highlights sind die Schaffung einer Stelle zum Klimaschutzmanagement und ein Workshop energieeffizientes Bauen im Oktober, der auch für die rund 2500 Neubauten auf dem Hafner, die ja noch lange nach der Jahrhundertmitte stehen werden, handlungsleitend sein soll. Ein weiterer Baustein, aus dem sich zukunftsträchtige Maßnahmen ableiten lassen, ist der gerade in Arbeit befindliche Energienutzungsplan, der den Energiebedarf sämtlicher Gebäude auf der Gemarkung der Stadt Konstanz erfassen soll, so dass im Anschluss Möglichkeiten einer klimafreundlicheren Gestaltung aufgezeigt werden können.

Wo steht Konstanz?

In der Debatte konnte man wieder einmal die gedanklichen Bruchlinien zwischen Konservativen, Liberalen und dem Rest sehr deutlich erkennen. Für Matthias Heider (CDU) steht fest, dass die Stadt genug für den Klimaschutz tut, er lobte innovative Konzepte der Stadtwerke, Tempo-30-Zonen und Fahrradstraßen. Der Liberale Johann Hartwich (FDP) verwies darauf, dass man die Leute bei diesem Thema einfach am Geldbeutel packen müsse, weshalb man bei den Verhandlungen in Berlin gerade über neue Abschreibungsmöglichkeiten spreche. Sabine Feist (CDU) schließlich geißelte, dass die Menschen pro Kopf immer mehr Wohnfläche beanspruchen. Eine Lösung hatte sie allerdings auch nicht anzubieten, gab sie doch selbst zu bedenken, dass man schlecht zu den acht Quadratmetern pro Kopf zurückkehren könne, wie sie in den ersten Adenauer-Jahren noch üblich waren.

Einer gründlichen Kritik hingegen unterzog Stephan Kühnle (FGL) den Vortrag der Verwaltung, der er eine „stiefmütterliche Behandlung“ dieses überlebenswichtigen Themas attestierte. Er zeigte sich verwundert, dass elf Monate nach der Beschlussfassung die Stelle der/s städtischen KlimaschutzmanagerIn noch immer nicht besetzt ist. Er kritisierte auch, dass die Stadt aus Personalmangel nicht mal aktuellere Zahlen zum Energieverbrauch als die von 2012 vorlegen kann und bei der energetischen Sanierung ihrer eigenen Gebäude weit hinterherhinkt. Auch Jürgen Ruff (SPD) will sich mit dem Status quo nicht zufriedengeben. Er forderte, sich an den eigenen ambitionierten Zielen zu orientieren, die schließlich in den politischen Gremien beschlossen worden seien. Ihm dauere das alles einfach viel zu lang.

Die Verwaltung sieht sich überfordert

Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn ging das Thema grundsätzlich an: Der Klimaschutz finde am Ende in den Kommunen statt, und Bund und Land lüden bei den Städten und Gemeinden gern viele Aufgaben ab. „Am Ende sollen wir Kommunen alles tun“, sagte er sichtlich enerviert. „Dafür müssten Bund und Land uns aber auch mehr Mittel geben. Wir wissen ja, wie es geht, können das aber unter diesen Bedingungen nicht umsetzen.“

Thomas Stegmann, Leiter des Hochbauamtes, sekundierte seinem Chef: Dem Hochbauamt bliebe in den städtischen Immobilien kaum mehr übrig als bloßes Havariemanagement. Wenn man 40 Jahre lang an einem Gebäude nichts mache, dann sehe das am Ende eben so aus wie die Geschwister-Scholl-Schule. Man könne nicht einfach immer mehr Gebäude hinsetzen und nichts für deren Erhalt ausgeben wollen. In den letzten Jahren seien die Haushaltsmittel für den Bauunterhalt gleich geblieben, obwohl die Kosten dafür ständig gestiegen seien. Deshalb sei es ungerecht, wenn RätInnen sich über den schlechten Zustand städtischer Gebäude beklagten: „Wir müssen jetzt die Weichen stellen, und dafür brauchen wir mehr Geld und Personal!“ (Er fuhr entsetzt über seine eigenen markigen Worte herum, aber Hartmut Rohloff erschien nicht unversehens aus dem Ruhestand, um mit ihm in die Sparhölle niederzufahren.) An dieser Stelle der erlösende Zwischenruf von Karl Langensteiner-Schönborn: „Und dafür brauchen wir Geld, und das kriegen wir nur mit neuen Gewerbeflächen.“

Ergebnis: Die Verwaltung zeigt auf den Rat, der sie finanziell am ausgestreckten Arm verhungern lasse, der Ausschuss hingegen ermuntert die Verwaltung implizit, dann eben in den nächsten Haushaltsberatungen mehr Geld zu verlangen.

Beschämte Gemeinderätinnen und -räte

Martin Wichmann, Leiter des Fachbereichs Umwelt im Amt für Stadtplanung und Umwelt, zog den versammelten, eben noch so klimabewegten RätInnen die Löffel lang. So manche/r schaute schamrot zu Boden, als Wichmann an etwas erinnerte, was ihn sichtlich schon seit geraumer Zeit wurmt: Als der Gemeinderat zu Weihnachten 2016 die Neueinrichtung der Stelle der/des KlimaschutzmanagerIn beschloss, lehnte er zugleich eine Stellenvermehrung ab. Diese Stelle wird mit bis zu 65 % vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gefördert, aber die auf die Stadt entfallenden 35 % musste das Amt einer anderen Stelle abknapsen, beschloss der Rat. Wichmann hat recht: So wird das sicher nichts mit dem Klimaschutz.

O. Pugliese, (Foto: Stadt Konstanz)

Aussagekräftige Unterlagen mit dem Maßnahmenprogramm finden sich hier: http://www.konstanz.sitzung-online.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1003013

Mehr zum Thema:
02.12.16 | Die die Welt retten wollen