Begegnungszonengrenze und andere tolle Ideen…

20130217-223907.jpgJemand dabei, der damals mit dem Auto in die DDR eingereist ist? Eigentlich schade, dass diese schöne Erinnerung der älteren Generation vorbehalten bleibt. Ganz besonders beeindruckt haben muss dieses Erlebnis unseren Baubürgermeister Kurt Werner, der in schwelgerischer Ostalgie den alten Zonengrenzübergang zwischen Herleshausen und Eisenach vor dem Konstanzer Bahnhof eins zu eins nachbauen ließ. Das, aber nicht nur das, liebe Leser, nennt man Stadtplanung mit Herz und Verstand

Meisterwerk der nordkoreanischen Moderne…

Getreu dem Motto „Form follows Function“ ist auch Werners Brücke am Bahnhof entstanden. Diese ebenfalls im Geiste der rationalen Architektur des antiimperialistischen Schutzwalls selig entworfene Konstruktion ist formal und funktional gleichermaßen so misslungen, dass der verängstigte Betrachter meinen möchte, es handle sich um die Überreste einer Filmkulisse aus Alcatraz. Planungsqualität und Kostenkontrolle (neudeutscher running-gag) hatten allerdings, wie – nicht nur in Konstanz – üblich, eine typisch spätkapitalistische Ausprägung. So hat wenigstens die Konjunktur nicht gelitten, und der eine oder andere Beteiligte hatte wieder gestopfte Taschen.

Plätze des himmlischen Friedens…

Mit der ungewöhnlich eigenwilligen Gestaltung gleich zweier prominenter Plätze hat der umtriebige Platzhirsch Werner in Konstanz schon Gewaltiges geleistet. Während der Münsterplatz nach Jahren der Unbegehbarkeit nicht nur für körperlich Eingeschränkte in absehbarer Zeit nun doch wieder für Fußgänger freigegeben werden soll (das war’s dann mit dem himmlischen Frieden), stößt die Gestaltung des Konzil-Vorplatzes in Konstanz nicht nur auf Begeisterung. Die Qualität der favorisierten Variante einer mongolischen Sandwüste mit Flutlicht und Wegwerf-Möbeln hat bisher leider noch niemand außer Kurt „Gobi“ Werner selbst entdeckt, obwohl die bestechend bizarre Planung eine Menge Geld gekostet hat. Da kann man schon mal etwas beleidigt sein als oberster Ladenhüter schwer vermittelbarer Ideen, wenn erst mal nur das Sinnvolle, nämlich die Wiederherstellung kaputter Wege, realisiert werden darf.

Die Bodan-Magistrale…

Jede bedeutende Stadt der westlichen Hemisphäre braucht eine krachvolle, äh, prachtvolle, alles in den Schatten stellende Hauptverkehrsachse. Begleitet von markanten Gebäuden einzigartiger Architektur, sogenannten städtebaulichen Dominanten. Chef-Domina Werner hat sich für die Erfüllung seines Traums in Konstanz die Bodanstraße ausgeguckt. Aus lauter Liebe zur Lobby des Einzelhandels und der Gastronomie wird hierhin der gesamte städtische Verkehr geleitet, um ihn anschließend komplett zum Erliegen zu bringen und damit wenigstens eine Magistrale nach süditalienischem Vorbild zu simulieren.

Dass die städtebauliche Dominante am Ende dieser seit Einführung der Belustigungszone eher als Sackgasse zu bezeichnenden Verkehrsader durch ein profanes Kaufhaus gebildet wird, dessen Architektur nicht annähernd so ästhetisch wie ein Urinstein ist, interessiert die geizgeilen Schnäppchenjunkies ebenso wenig wie die giergesteuerten Kaufleute sowie den Baubürgermeister Gernegroß, der, verhaftet im Stadtplanungs-Ideal der 70er Jahre, die Innenstadt gerade zu einem einzigen gigantomanischen Shopping-Center mit garantiert täglichem Stau-Event umbaut.

Wowigate für Anfänger: Die Wiederbelebung des KKH-Wahns…

Wie in jeder guten Demokratie üblich, wird auch in Konstanz wohl abermals gegen die Mehrheitsmeinung der Steuerzahler – zwei Ablehnungen sind mindestens eine zu wenig – die Idee einer Mehrzweckhalle für wen oder was auch immer wieder nachhaltig penetriert. Ungefähr 80 Prozent der Räte sowie 120 Prozent des Heimatblatts trommeln seit einer der peinlichsten Veranstaltungen, die ich in Konstanz erleben durfte (die Leichenschändung in der Spiegelhalle am 10. Januar mit Christoph Nix in der Hauptrolle), ohrenbetäubend laut durch die Stadt in der frankensteinschen Hoffnung, die Totgeburt wieder zum Leben zu erwecken. Man darf gespannt sein, wie viel Steuergeld als des Wahnsinns fette Beute diesmal für nix den Seerhein runter geht.

Gibt es ein Leben vor dem Tod…

Für Angehörige der Spezies Mensch jedenfalls kann all dieser Planungsmurks nicht gedacht sein, denn der Bürger als Nutzer scheint hier so unerwünscht wie eine Warze im Arsch.

Im Ernst: Konstanz verkommt zur Kulisse von kurzsichtigen und egoistischen Interessen einzelner Gruppen, die letztendlich eine nicht mehr lebenswerte Stadt schaffen werden. Politik und Verwaltung haben sich vor langer Zeit schon vom Bürgerwillen verabschiedet. Und der Konstanzer Sündenatlas ist mit obiger Auflistung noch lange nicht vollzählig.

Sollten die Themen Transparenz und Bürgerbeteiligung in Zukunft – wie vom neuen Oberboss mehrfach versprochen – tatsächlich ernst genommen werden und die Bürger ihre Rechte auch wahrnehmen, könnte es vielleicht doch noch, irgendwann, zu einem Umdenken kommen. Und dann, also exakt irgendwann, klappt’s auch mit der Stadtplanung und dem Verkehr.

Großes Geisterfahrer-Ehrenwort: Euer

rasender Reporter Minotti