Pandemie des Schwachsinns

Nein, es geht hier ausnahmsweise nicht um das Coronavirus. Damit die für die Nutzung der sozialen Hetzwerke immer entscheidender werdende Deutungshoheit der Wahrheit zukünftig einzig und allein bei allen glaubens­festen seemoz-Leserinnen und Lesern liegt, enthüllt Minotti heute, nach nächtelanger Recherche, nur wachgeblieben aufgrund exzessiven Genusses frischen Kinderbluttees (mit Rum), weltexklusiv die tatsächliche Herkunft des global größten Verschwörungs­mythos (Q-Anus). Wirklich!

Wie alles begann …

Ursprünglich entstand diese lustige Verschwörung als Teil einer groß angelegten Studie über Geisteskrankheiten im Jahr 2016 an der Stanford Universität in Kalifornien. Eine interdisziplinäre Gruppe von Psychiatern, Neurologen, Linguisten und anderen Freaks wollte erforschen, wie verblödet Amerika wirklich ist. Dafür hat man sich eine maximal absurde Geschichte über sogenannte Eliten ausgedacht, die Kinder entführen, um deren Blut zu trinken und dadurch unsterblich oder zumindest sehr alt zu werden. Wer das nun tatsächlich glaube, so die These, dürfte als pathologischer Fall gelten.

Auf der Suche nach einem möglichst dämlichen Namen für diese Studie kamen die Linguistiker ins Spiel. Eine deutsche Professorin aus Erlangen, die in Stanford altmittelfränkische Dialekte erforscht, brachte dann die Bezeichnung „Q Anon“ ins Spiel, was damals so viel bedeutete wie „Keine Ahnung“. Das Kind hatte einen Namen.

Eine Schar munterer Nerds begann also, diese Verschwörung in den einschlägigen Medien breit zu streuen und die Forscher warteten ab, was passierte.

Was dann geschah …

Begünstigt durch die Wahl eines völlig irren gelb-orangen Männleins mit kleinen Fingern und großer Fresse zum US-Präsidenten, krochen plötzlich Millionen von Eremiten aus ihren Löchern und nahmen sich der „Keine-Ahnung“-Verschwörung an. Jedoch deuteten sie die Bezeichnung „Q-Anon“ nun so, als würde sie für „Question Anonymus“ stehen und damit einen hochrangigen Informanten aus dem Weißen Haus meinen (mutmaßlich das oben erwähnte Männlein), der die Verschwörer mit geheimen Details über immer neue Schandtaten der „Eliten“ versorgte, die immer bizarrer wurden. Die Studie hatte sich nun verselbstständigt, die ersten teilnehmenden Forscher lachten sich tot, andere verließen überstürzt das Land.

Wie konnte das passieren …

Grundsätzlich gibt es bekanntlich schon seit über 2000 Jahren Verschwörungsmythen, die noch heute von manchen Leuten als heilig verehrt werden. Damals war die Erfindung und Weitergabe dieser Geschichten allerdings noch mit Mühsal, Risiko und hohem persönlichen Einsatz verbunden. Heute postet man sowas auf dem Klo. Und in den heute beinah unüberschaubar großen Weiten des Internets lautet die Devise mehr denn je: Wer nichts weiß, muss alles glauben. Und Leugnen, das ist gerade ganz groß angesagt. Als da zuvorderst zu nennen wären: Fakten, Wissenschaft und Rechtschreibung. Das alles liegt natürlich auch an einer beispiellosen Misere unseres Bildungssystems. Wer heute schon nach der Grundschule alle MINT-Fächer abgewählt hat, ist morgen einer derjenigen, die ihre Posts mit „Denkt mal drüber nach!!!“, „Einfach mal googeln!!!“, „Wacht endlich auf!!!“ oder „Ehrlich!!!“ semantisch krönend abrunden.

Auch beliebt in diesen Foren sind auf den Kopf gestellte Erkenntnistheorien. Man soll doch bitteschön erst mal beweisen, dass die blaue Teekanne eben nicht um die Erde kreist.
Und stichhaltig bewiesen sind alle Verschwörungsmythen allein dadurch, dass die in den „etablierten Mainstreammedien“ gar nicht erst auftauchen.

Naja, schon Einstein hat bekanntlich davor gewarnt, dem Internet blind zu vertrauen.

Andererseits, was könnte man für Geld mit den Idioten verdienen. Mit Blutpatenschaften für ausgesaugte Kinder, Mährobotern, die den Rand der Erdscheibe erkennen und automatisch umdrehen, strahlenfreiem W-LAN-Empfang und so weiter und so fort.

Und die Moral von der Geschicht …

Aluhut tut selten gut! Was einen früher zum Gespött des Dorfes gemacht hätte, macht einen heute zu einem Teil der großen „Community“. Der Stammtisch ist ins Internet gewandert (Kneipen haben ja auch zu).

Und wenn Ihr diese wahre Geschichte nun weiterverbreitet, könnt Ihr immer dazu sagen: „Einfach mal googeln!!!“

Trinkt morgens jetzt Tee (wenn das Bier mal wieder alle ist):

Minotti