Ball flach halten
Noch werden rund vier Jahre ins Land gehen, bis man an das Konstanzer Konzil (1414 bis 1418) erinnert. Schon länger blühen Projektideen, darunter durchaus vernünftige. Aber auch absurde Kopfgeburten geistern durch die Stadt, und das nicht zu knapp.
Auffällig ist, dass man in Konstanz schon wieder zum Abheben neigt. Das Konziljubiläum wirft lange Schatten voraus und weckt vor allem bei politischen Entscheidungsträgern die unterschiedlichsten Begehrlichkeiten. Kaum einer weiß, wie das alles finanziert werden kann, dennoch werden vorab schon mal die nicht vorhandenen Millionen verteilt. Der selbstverliehene Titel als kulturelles Oberzentrum am See scheint manchen gehörig die Sinne zu vernebeln.
Gegen eine Landesausstellung im ersten Halbjahr 2014 ist nicht viel einzuwenden. Gelder dafür, so das aktuell Signal aus Stuttgart, stünden zur Verfügung. Eine geplante Ausstellungskooperation des Rosgartenmuseums mit dem Archäologischen Landesmuseum klingt ebenfalls solide und durchdacht. Begleitend zur Landesausstellung will man den Alltag jener Zeit in Erinnerung rufen. Die federführenden Köpfe bei diesem Vorhaben garantieren jedenfalls dafür, dass hier auch kritisch mit den damaligen Verhältnissen umgegangen wird. Denn die Bevölkerung stand überwiegend unter der Knute weltlicher und geistlicher Menschenschinder.
Man wird frühzeitig reagieren müssen, um überzogene Ansprüche nicht allzu sehr ins Kraut schießen zu lassen. Der aktuelle Planungsstand zu den Feierlichkeiten lässt vermuten, dass die Initiatoren diverser Events in seltsamen Sphären schweben und glauben, sie könnten eine ganze Stadt ungefragt zu einer durchgängigen Fünfjahres-Feier verdonnern. Ein Beispiel von mehreren: Ein sogenanntes „Belehnungsfest“, das an die Belehnung des Pfalzgrafen Friedrich mit der Mark Brandenburg 1417 erinnert, steht stellvertretend für abgehobene Traumtänzer. Geplant ist ein „Festakt auf dem Obermarkt, ein großer mittelalterlich gewandeter Umzug durch Konstanz und ein Bürgerfest auf den Plätzen der Stadt.“ Klingt verdächtig nach verlängerter Fasnacht und albernem Verkleidungsmarathon rund um die Uhr.
Dieses Belehnungsfest, ist zu erfahren, sei „ein wichtiger Baustein, um die BürgerInnen einzubinden und für die Konzilidee zu begeistern.“ Aha. Dann noch folgende Drohung: „Beabsichtigt ist ein populäres Ereignis, das weit über Konstanz ausstrahlt und in regelmäßigen Abständen durchgeführt wird.“ Der Mummenschanz hat auch schon einen Namen: „Ein Projekt Konstanzer Bürger“. Vorschlag: Ähnlich wie bei den Festspielen in Oberammergau sollten die Hauptfiguren des Dauer-Spektakels mindestens zweifach besetzt sein. Wer sich weigert, bekommt einen außerordentlichen Termin am Hussenstein.
Ähnlich pittoresk die Idee der Tourist-Information Konstanz, auf dem Münsterplatz „für die Dauer des Konziljubiläums“ ein mittelalterliches Handwerkerdorf einzurichten und im Konstanzer Hafen den Nachbau eines Lastenseglers aus dem frühen 15.Jahrhundert zu präsentieren. Das passt zum bescheidenen Motto der fünf Jahre: „Europa zu Gast in Konstanz“. Wunderbar auch der Vorstoss eines FDP-Stadtrates, der sich für die Jubiläumsfeiern sogar eine eigene Oper wünscht. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Es gibt noch mehrere „Projektideen“, die man getrost im Saubach versenken kann. Über allem aber steht der Wunsch seltsamer Freizeitkleriker, Josef Ratzinger nach Konstanz einzuladen. Ein SPD-Rat ließ unlenkst verlauten, es sei wohl besser, die Landesregierung würde den Herrn, den manche Papst nennen oder gar „Eure Heiligkeit“, nach Konstanz bitten. Das wäre es doch: Der Pontifex im Papamobil über die B33, unter seiner Soutane Ministerpräsident Mappus mit seinem Kabinett und Walter Mixa, der nach einer erfolgreichen Entziehungs- und Antiaggressionstherapie wieder in Amt und Würden ist. Als Übernachtungsmöglichkeit für den hohen Besuch böte sich das ehemalige Dominikanerkloster an, heute Steigenberger-Inselhotel, in dem Johannes Hus die letzen Tage seines Aufenthaltes in Konstanz verbrachte, bevor man ihn kaltblütig ermordete.
Im Ernst: Die Einladung eines rückwärtsgewandten katholischen Hardliners, dessen Organisation täglich ethisch-moralische Offenbarungseide leistet, wäre wohl der absolute Gipfel der Geschmacklosigkeit.
Zu hoffen bleibt, dass sich die Organisatoren des Konstanzer Konziljubiläums auf das Nötige und Wesentliche beschränken und den historischen Kontext nicht einer unkritischen Beliebigkeit aussetzen. Dabei aber sollte man ihnen genauestens auf die Finger schauen. Denn schon immer galt: Etwas weniger ist meistens mehr.
Autor/In: H.Reile