Aber so was von schwach
Die bevorstehende Landtagswahl in Baden-Württemberg nimmt langsam Fahrt auf, etliche Podiumsdiskussionen im Landkreis sind geplant. Aber vor allem die VertreterInnen von SPD und Grünen verweigern sich, weil sie mit AfD-KandidatInnen nicht an einem Tisch sitzen möchten. Klug ist das nicht, im Gegenteil.
Nese Erikli (Grüne) und Peter Friedrich (SPD) wollen, so ihre auch auf seemoz veröffentlichte gemeinsame Presseerklärung, nicht an Podiumsdiskussionen teilnehmen, wenn auch AfD-VertreterInnen zugegen sind. „Keine Bühne für Rechtsextreme und Rechtspopulisten“, heißt es aus der grün-blassroten Ecke. Man dürfe denen weder „Öffentlichkeit“ noch „Darstellungsmöglichkeit“ bieten. Das ist kleinkariert und fahrlässig. Wo sonst außer bei stark frequentierten Veranstaltungen lassen sich die vom Pegidiotenvirus befallenen bräunlichen Volkstümler besser demaskieren?
Man konfrontiere sie beispielsweise mit den Absonderungen ihrer Bundesvorsteher Gauleiter Gauland, BDM-Verschnitt Petry oder der Goebbelschen Reinkarnation namens Höcke. Was da in den vergangenen Monaten zu hören war, ist Steilvorlage genug, um vor großem Publikum zu verdeutlichen, woher der AfD-Wind eigentlich weht. Man stelle sich weiterhin vor, die hiesigen AfD-Kandidaten Cay Dietrich Amay (Wahlkreis Konstanz) und Wolfgang Gedeon (Wahlkreis Singen) müssten dazu Stellung beziehen. Das hätte zumindest Unterhaltungswert. Ersterer geht auf die achtzig zu und hat massive Schwierigkeiten, das politische Geläuf halbwegs nachvollziehbar einzuordnen, und Gedeon ist aufgefallen, weil er ein ziemlich wirres Buch „Der grüne Kommunismus…“ herausgegeben hat. Kaum vorstellbar, dass Erikli und Friedrich nicht in der Lage sein sollten, diesen derangierten Politclowns Paroli zu bieten. Ihre Verweigerungshaltung ist albern und der Schuss wird gewaltig nach hinten losgehen. Der Mitleidseffekt wird der völkisch-besorgten AfD-Truppe zusätzlich Stimmen bringen und Kandidat Friedrich ist wohl gerade damit beschäftigt, seine SPD Richtung 15 Prozent zu drücken. Herzlichen Glückwunsch, das könnte klappen.
Richtig erkannt und geschickt ausgenutzt hat das der Konstanzer CDU-Kandidat Fabio Crivellari. Nüchtern konstatiert er, dass es nötig sei, sich mit der „gefährlichen Stimmungsmache“ der AfD auseinanderzusetzen, natürlich auch auf einem Podium. Seiner gescheiten Einschätzung, eine Weigerung würde den „Mythos einer Opfergeschichte“ zugunsten der AfD „weiter spinnen“, ist nichts hinzuzufügen. Etwas sybillinisch äußern sich die Kandidaten der Linken. Sie wollen „den Rassisten der AfD entgegentreten“. Gut und auch richtig gefaucht, aber was heißt das genau? Tritt man kurz „entgegen“ und springt dann angewidert aus dem Fenster?
Auch die aktuelle Entscheidung des SWR, AfD-KandidatInnen auf Druck des regierenden Spitzenpersonals nicht zu den TV-Elefantenrunden in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zuzulassen, ist ein fataler Fehler. Genauso muss man vorgehen, wenn man klammheimlich im Sinn hat, die AfD problemlos in die Landtage zu hieven. Glückwunsch auch dazu, denn auch das könnte klappen.
H. Reile
So, und jetzt ist Nese Erikli umgefallen. Heute gab sie in einer Pressemitteilung bekannt, sich nun doch der AfD stellen zu wollen. War ja auch nicht anders zu erwarten, wenn man keine Eier hat (durchaus ironisch gemeint). So ein Hü und Hott wäre Siegfried Lehmann nie im Traum eingefallen. Es ist ja durchaus okay, eine eigene Meinung mal zu überdenken und sich dann neu zu entscheiden – aber doch nicht in solch einer gravierenden und grundsätzlichen Sache. Eieieieieieieiei…
Letztere Replik wird nun nicht ganz dem Problem gerecht…
Aber mal im Ernst: Wer weiß, wie der AfD-Kandidat im eigenen Wahlkreis heißt? Und wer weiß, wie er aussieht? – Ich denke, fast niemand.
Und was passiert bei einer Podiumsdiskussion? Der Kandidat bekommt die Möglichkeit, sich bekannt zu machen, sich zu zeigen und seine politischen Statements (ohne Faktencheck) loszuwerden. Und was passiert danach? Der Südkurier und wohl auch Seemoz berichten darüber (mit Zitaten und mit Foto). Also wird der Kandidat bekannter und bekommt eine Bühne, seine Parolen unter die Wähler zu bringen. Ist das wünschenswert? Der Mist, den die AfD-Prominenz verbreitet reicht doch schon…
Auf der anderen Seite: Was würde es helfen, mit dem AfD-Kandidaten öffentlich zu diskutieren? Immer wieder ist zu hören, er solle vor dem Wähler entlarvt werden, dem Biedermann die Maske abgenommen werden. Aber wer bemerkt das? Von den 300 oder wenn es hoch kommt 500 Zuhörern wollen die potentiellen AfD-Wähler das gar nicht. Sie denken ja, den Untergang des Abendlandes kann nur noch die AfD verhindern. Und sie denken das auch, wenn ein SPD-Kandidat oder eine Grünen-Kandidatin ihn mit Argumenten widerlegt. Aber wird das dann in den Medien auch so wiedergegeben? Oder wird eben doch nur der Kandidat und seine Meinung (und wenn nur wegen des Unterhaltungswerts) bekannter durch die Berichterstattung? (Siehe auch den sehr lesenswerten Kommentar von Jan Welsch „Eine durch und durch scheinheilige Debatte“ etwas weiter oben.)
Frau Erikli und Herr Friedrich riskieren es, ihrem eigenen Ruf und damit ihrer Wählergunst zu schaden, um Kandidaten mit möglicherweise rechtsradikaler, aber zumindest fremdenfeindlicher und menschenverachtender Gesinnung, keine Plattform für ihre Parolen zu bieten. Davor habe ich Respekt. Diesen Mut haben nicht alle Kandidaten der demokratischen Parteien. Vielleicht wird hier ja schon auf mögliche Koalitionspartner Rücksicht genommen.
Und wer dem Wähler erzählen will, dass die Verweigerung, AfD-Kandidaten aufzuwerten, ein Zeichen der Schwäche wäre, der sehnt sich scheinbar sehr nach einem Ministerpräsidenten Guido Wolf! Na dann…
Werte Pappnase Heizmann,
Da Sie mich persönlich ansprechen: Kann es sein, dass Ihnen der bevorstehende Auftritt bei der bestenfalls drittklassigen Fernsehfasnacht im Konzil mal wieder gehörig die politischen Koordinaten durcheinander gebracht hat? Müssen wir uns Sorgen machen? Wenn ja: Gute Besserung.
Herzlichen Glückwunsch, Herr Reile,
ja, so könnte es klappen – dass wir bald wieder eine schwarz-gelbe Koalition als Regierung in Baden-Württemberg bekommen.
Mit dem „Seemoz“ als Wahlkampfhelfer für die CDU in harmonischer Eintracht mit dem Lokal-Chef der besten aller Konstanzer Tageszeitungen, da kann ja nichts mehr schief gehen.
Ich schlage eine Fusion des „Seemoz“ mit dem „Südkurier“ vor, die Chefradaktion kann man sich ja teilen. Da gibt’s ja offensichtlich keine wesentlichen inhaltlichen Differenzen, bis hin zu dem an den klebrigen Haaren herbeigezogenen „Märtyrer“-Argument zugunsten der AfD.
Weiter so, Seemoz!
Gezeichnet
Benno Bebbele, Pappnase