Konstanzer CDU im Sinkflug

Es hat sich längst angedeutet: Mit Eberhard Roth verlässt ein ausgewiesener und allseits geschätzter Sozialpolitiker die Konstanzer CDU-Fraktion. Die Konservativen stehen vor einem Scherbenhaufen, und Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil.

Das Fass zum Überlaufen brachte die Debatte um die Kündigung von Prof. Müller-Esch. Eberhard Roth hatte mit anderen Ratsmitgliedern vergeblich dafür plädiert, den Chefarzt zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen im Gemeinderat zu Wort kommen zu lassen. Das gebe die Gemeindeordnung nicht her, ließ CDU-Bürgermeister Claus Boldt die Antragsteller wissen und erklärte, diese Erkenntnis sei juristisch abgesichert. Eberhard Roth und Jürgen Wiedemann (NLK) gaben sich damit nicht zufrieden und befragten darauf hin das zuständige Regierungspräsidium Freiburg. Natürlich hätte es die Möglichkeit gegeben, so das Regierungspräsidium, Müller-Esch zu hören.

Eine schallende und hochnotpeinliche Ohrfeige für Boldt. Nun steht das Thema bei der nächsten Gemeinderatssitzung am 20.Oktober öffentlich zur Debatte. Unter anderem wird zu klären sein, ob Boldt bewusst gelogen hat oder einfach die Gemeindeordnung nicht kennt. Ebenso sollte man natürlich fragen, wer Boldt juristisch falsch beraten hat und warum Oberbürgermeister Horst Frank, im Hauptberuf Jurist, dazu beharrlich schwieg. Es sieht so aus, als habe er seinen Beigeordneten mit klammheimlicher Freude ins Messer laufen lassen.

Die CDU hatte sich mehrheitlich für die schnelle Entsorgung von Müller-Esch ausgesprochen und sah auch keinerlei Veranlassung, den Geschassten vor dem Rat zu hören. Dass ihr Parteikollege Roth ausscherte, passte den Christdemokraten rein gar nicht. Matthias Heider, CDU-Stadtverbandsvorsitzender und neu im Gemeinderat, schrieb einen Brief, in dem er Bürgermeister Boldt stützte und seinen Fraktionskollegen Roth indirekt attackierte. Boldt, so Heider, überzeuge durch „kompetente und konsequente Arbeit“. Mit dieser Einschätzung steht Heider, der im Gemeinderat lediglich als Eckensteher gilt, so ziemlich alleine.

Roths Austritt aus der Fraktion ist nur konsequent, stürzt aber die Konstanzer CDU in eine tiefe Krise. Mitte der achtziger Jahre hatte sie 14 Sitze, nun sind es gerade noch acht. Ihre Fraktion ist ein überalterter Männerverein, Frauen haben da keine Chance. Impulse in der Kommunalpolitik gehen von der CDU schon lange nicht mehr aus. Daran kann auch der eher aus der Not geborene neue Fraktionsvorsitzende Roger Tscheulin nichts ändern. Ihm traut keiner ernsthaft zu, seine auseinander driftende Truppe, die seit geraumer Zeit deutliche Auflösungserscheinungen zeigt, zur Räson zu rufen.

Jetzt rächt sich, dass sich die örtliche CDU seit Jahren einer personellen Erneuerung und Auffrischung widersetzt hat. Alexander Fecker und Wolfgang Müller-Fehrenbach kleben schon seit Ewigkeiten an ihren Ratssesseln, letzterer seit rund vierzig Jahren. Der letzte Konstanzer CDU-Oberbürgermeister hieß Bruno Helmle, und das ist über 30 Jahre her. Für die anstehenden OB-Wahlen bietet sich kein einheimischer Kandidat an. Man sucht emsig im ganzen Land nach einem Bewerber, der mehr ist als eine Notlösung. Die CDU steuert nicht auf schwere Zeiten zu, sie ist längst mitten drin.

Autor: H.Reile