Disneyland in Konstanz?

Man muss wirklich nicht alles gut finden, was an Ideen für das Konziljubiläum in vier Jahren durch Konstanzer Gassen und Amtstuben schwirrt. Till Seiler, neuer Fraktionssprecher der FGL, hat dazu seine eigene Meinung, die wir hiermit zur munteren Diskussion stellen.

„Die Planungen für das Konziljubiläum werden konkreter. Ruth Bader, Geschäftsführerin der „Konzilstadt Konstanz“, legte im Dezember den Ausschüssen des Gemeinderats ein Konzept vor: Vieles wirkt jedoch nicht überzeugend, so dass der Eindruck einer Ansammlung aller möglichen Projektideen entsteht, die zum Teil von erschreckend geringer Substanz sind.

In den Konzeptpapieren der „Konzilstadt“ finden sich historisch interessante Vorhaben wie die Landes-Ausstellung, die im Sommer 2014 im Konzilgebäude stattfinden wird, gleichberechtigt neben Folkloristischem und auch Abwegigem. Die Tourist-Information plant etwa allen Ernstes, ein sogenanntes „Handwerkerdorf“ auf dem Münsterplatz einzurichten, das über die kleine Ewigkeit von vier Jahren bestehen bleiben soll. Der Münsterplatz soll in einen auf Mittelalter gestylten Rummelplatz verwandelt werden, ein wahres Schreckensszenario: Disneyland in Konstanz.

Bei den Beratungen in den Gremien wurde deutlich, dass man sich dabei weniger an der Geschichte  (es gab in Konstanz niemals eine Anballung von Handwerkern direkt am Münster – diese siedelten sich vielmehr in der Niederburg und vor den Toren der Altstadt an), sondern am Nürnberg der Gegenwart orientiert hat: Dort habe sich ein ähnliches Konzept zu einem wahren Touristenmagneten entwickelt. So wie ja auch gewisse Mittelalter-Romane eine hohe Auflage erreichen, indem sie modernes Denken auf das Mittelalter rückprojizieren und eine Phantasiewelt schaffen, die mit dem historischen Mittelalter wenig zu tun hat.

Noch absurder sind jedoch die Planungen für ein sogenanntes „Belehnungsfest“, die aus dem Engagement einer Gruppe aus der Bürgerschaft resultieren. Dieser Gruppe geht es um nichts weniger als um die angebliche „weltpolitische Bedeutung“ der Belehnung des Burggrafen Friedrich von Hohenzollern mit der Mark Brandenburg als Geburtsstunde Preußens. Aus Burggrafen wurden über die Jahrhunderte Kurfürsten, Könige und schließlich Deutsche Kaiser: Am Ende der langen Linie steht Wilhelm II. und der Erste Weltkrieg.

Wer also mit „weltpolitischer Bedeutung“ operiert, der wird schnell auf Probleme stoßen: Denn das gescheiterte „persönliche Regiment“ des letzten Hohenzollern-Herrschers, das in einem schrecklichen Krieg mündete, eignet sich so gar nicht dafür, mit einem banalen Kostümfest gefeiert zu werden. Daher ist es allzu verständlich, dass man die Idee des „Belehnungsfest“ nicht zu einem städtischen „Leitprojekt“ erklärt hat (von denen es ohnehin viel zu viele gibt, wobei nicht klar ist, wohin diese Projekte eigentlich „leiten“ sollen), sondern vielmehr als „Bürgerprojekt“ bezeichnet, in welches sich die Politik nicht einzumischen habe. Dann kann es aber meiner Meinung nach nicht sein, dass die aus Steuergeldern finanzierte Geschäftsführerin das Ganze koordiniert und Versammlungen der Bürgergruppe zum Nulltarif moderiert.

Zur Klarstellung: Natürlich dürfen in Konstanz alle möglichen Feste gefeiert werden, die auch nicht jedem gefallen müssen – ein Gesinnungstest durch Gemeinderäte ist nicht angebracht, seine Meinung darf man aber schon sagen. Vor diesem Hintergrund stellt sich nun aus meiner Sicht die zentrale Frage, was mit dem Konziljubiläum eigentlich angestrebt werden soll: Geht es um eine fundierte Auseinandersetzung mit Geschichte und möglichen Bezügen zu Gegenwart und Zukunft oder um eine möglichst leicht zugängliche Touri-Attraktion?

Die Ereignisse des 15. Jahrhunderts sind heute schwer nachzuvollziehen, da uns aufgeklärten Europäern das mittelalterliche Denken völlig fremd ist. Ich nenne beispielhaft die damals selbstverständliche Verbindung kirchlicher und weltlicher Macht, so dass das Konzil im historischen Kontext keinesfalls als Kirchenversammlung zu verstehen ist, sondern als eminent politische Veranstaltung – allerdings ohne demokratische Grundlage. Heute erleben wir entscheidenden politischen Einfluss geistlicher Würdenträger allenfalls noch durch obskure Mullahs im Iran.

In Europa hat sich zum Glück die Trennung von Kirche und Staat weitgehend durchgesetzt (trotz mancher Privilegien der „Amtskirchen“ in Deutschland). Auch denken wir getrennt in einer profanen und einer sakralen Sphäre. Diese Überlegungen mögen reichlich komplex erscheinen, doch es kann sich schon lohnen, sich bei dem anstehenden Jubiläum unter anderem mit mentalitätsgeschichtlichen Fragen zu befassen und weniger auf das Populäre und Folkloristische zu schielen.

Ich halte es daher für einen fatalen Fehler, dass Kritik an den vorliegenden Planungen nicht erwünscht ist (…)  Es kann nur im Interesse der Sache sein, auch unbequeme Geister in die Planungen mit einzubeziehen und zu einer offenen, kritischen und kontroversen Diskussion zu kommen: Ein unkritisches Abnicken des vorliegenden Konzepts wird es jedenfalls nicht geben“

Autor: Till Seiler