Dschungelcamp live aus dem Konzil
Zum 21. Mal ließ sich der SWR hinreißen, die närrischen Darbietungen aus dem Konstanzer Konzil zu übertragen. Das Ergebnis war wieder mal ernüchternd. Seit mehreren Jahren attackiert diese über dreistündige Zumutung den guten Geschmack der Allgemeinheit ab IQ 90. Besserung ist nicht in Sicht, denn es scheint wohl niemandem einzufallen, hier endlich den Stecker zu ziehen. Für das gebührenfinanzierte Desaster vergeben wir eine seemoz-Sondergurke. Dazu ein verärgerter Rückblick.
Das Niveau der Fernsehfasnacht, angeführt von einem bis über beide Ohren selbstverliebten Moderator, schraubte sich auch diesmal wieder auf ungeahnte Höhen: „Ich find` den Mario Gomez ganz arg nett, mit dem ging ich gerne mal – ins Kino“. Tusch, trarä, trära, humptata und nochmal Tusch und trallala. Dazu Gejohle, hoch die Gläser, Ho Narro. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, war das Angebot entsetzlich bieder und, man muss das leider so sagen, bisweilen sogar grenzdebil.
Das mag in närrischen Hinterzimmern und geschützten Räumen noch halbwegs angehen, aber ein öffentlich-rechtlicher Sender sollte auf ein Mindestmaß an Qualität achten. Tragisch, dass man die AkteurInnen einem Fernsehpublikum zum Fraß vorwirft, das gehört sich einfach nicht, so geht man mit Schutzbefohlenen besser nicht um. Dieser Vorwurf richtet sich vor allem an die Programmgestalter, schließlich wählen sie aus, wen sie womit auf die Bühne lassen. Aber darüber hat man sich offensichtlich im Vorfeld keine Gedanken gemacht, denn auch schlüpfrig-zotiger Bockmist fand noch Schenkelklopfer beim leicht zu erheiternden Publikum. Regelmäßig eingestreute Tanz- und Hupfmeisen, die gerne aus dem Takt kamen und SängerInnen, die nicht singen konnten, setzten dem Grauen mehrere Kronen auf. Einfach zum Fremdschämen. Das hat die Stadt Konstanz, die sich gerne als kulturelles Oberzentrum versteht, wahrlich nicht verdient.
Und wie immer in der ersten Reihe, quasi in Tuchfühlung mit der SWR-Kamera: Politisches Personal aus Stadt und Land. Natürlich Landrat und feierbiestiger Dauergast Frank Hämmerle, der alles lustig fand, was da an Unfug zu vernehmen war. Dazu Oberbürgermeister Uli Burchardt (bemüht-geduldiger Hausherr), Sozialbürgermeister Andreas Osner (Zwangsverpflichtung), SPD-Landtagskandidat Peter Friedrich (erfolgreicher Wahlkämpfer) mit albernem Hütchen, die grüne Kandidatin Nese Erikli (auch im Wahlkampfmodus) mit ebenso drolliger Kopfbedeckung. Spätestens an diesem Abend muss Erikli und Friedrich bewusst geworden sein: Wer die Konstanzer Fernsehfasnacht seelisch und körperlich einigermaßen unbeschadet übersteht, kann sich getrost mit AfD-Kandidaten auf einem Podium messen.
Erst beim zweiten Kameraschwenk wurde klar, wer das kleine, erstarrte Männlein mit übergroßem Narrenhut am Promi-Tisch war: CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf, heran gekarrt aus dem fernen Stuttgart. Der allerdings fiel auf, weil er bis zum bitteren Ende keinerlei Regung zeigte und da saß, als habe man ihm eben vier Weisheitszähne gezogen. Fast schon sympathisch, der Möchtegern-Ministerpräsident.
Anderntags war der Lokalpresse zu entnehmen, dass der Abend ein schöner war. Tolle Nummern habe man gesehen, die Stimmung sei prächtig gewesen. Diese Wahrnehmungsblockade kann nur durch die Verabreichung synthetischer Substanzen zustande gekommen sein, anders kann man sich die Euphorisierung des Berichterstatters kaum erklären. Spätestens jetzt werden sich manche LeserInnen fragen: Was soll das Geraunze und Genöle hier? Und warum arbeitet sich der Kerl unnötigerweise Jahr für Jahr an dem Quatsch ab? Bringt doch nix. Stimmt. Aber die Zeiten sind so lange noch nicht her, da wünschte sich der Schreiber dieser Zeilen eine Fasnacht, die anknüpft an ihre widerborstigen und rebellischen Traditionen. Unverblümt, spottend, frech und aufrührerisch vorgebracht, auf dass den Mächtigen in Stadt und Land das Blut in den Adern und auch im Gesicht gefriere. Eine nachweislich traumtänzerische Vorstellung, denn die Adressaten sitzen locker und entspannt in der ersten Reihe und haben rein gar nichts mehr zu befürchten.
Auf einstimmigen Beschluss der Redaktion soll dieser Text auf lange Zeit der letzte gewesen sein, der sich mit dem geballten Elend der Konstanzer Fernsehfasnacht quält. Affe tot, Klappe zu.
H. Reile
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06.02.15 | Ein Heizmann allein bringt noch keine Quote
Hier noch amüsante Einblicke, wie sich der gemeine Fasnachter auf seinen Auftritt vorbereitet. Viel Vergnügen!
Lieber Bernhard Hanke, alias Fips,
Die Ankündigung, dass wir uns zukünftig nicht mehr mit dem Elend der TV-Fasnacht beschäftigen, sollte zu Deiner Gesundung beitragen. Ansonsten: Der Dich nervende Text hat mit Abstand die meisten LeserInnen gefunden.
Alles Gute für Dich.
Lieber Holger,
ihr habt ja recht, diese Saalveranstaltung zu kritisieren. Mir gefällt sie auch nicht!
Aber muss das jedes Jahr aufs Neue sein!?
Macht doch einfach zu über Fasnacht, geht in die Berge oder auf die Halligen in den Norden – oder zeigt mal den Narren,was eine richtige,rebellische Fasnet ist.
Ho Narro vom Krankenbett schreibt Fips
Die Badische Kultur (auch Fasnachtskultur) hat viele Einflussstränge aus dem französischen/Jüdischen/alemannischen. Immigrierte Glaubensflüchtlinge aus Frankreich, jüdische Markthändler und Künstler, italienische Stuckateure, alemannische Handwerker, Wanderarbeiter beim badischen Tabak. Alle brachten ihre Sprache und Kultur mit. „…die leit nedd vun doo“… Und das war das wirkliche Baden: vielfältig, rebellisch, widerborstig, unverblümt, mit Schnurre, Maläs, Boddchamber, Buddig, Schmier, Schees, Zores, Bussierlebbel, Deschdelmeschdl, schmuse, chaumele ect. (Die Nazis wollten diese Sprache ja „reinigen“, was ihnen aber nicht gelang)
Seemoz/ Reile hat völlig Recht, das war eine fernsehkonforme Faschings-Show, die mit der badischen Kultur (auch Fasnachtskultur, Straßenfasnet) wenig zu tun hatte. Damit sind nicht die fleißigen Hände der Zünfte, Vereine und Schulen gemeint!
….“wenn die Leute fragen/ lebt denn der Hecker noch/….“
Danke für den Polt, den Rest hätte man sich sparen können. Was für ein jeweiliges Gesicht die Politiker nun gemacht haben oder nicht, wen juckts. Und wenn ihr euch eine widerborstige und rebellische Fastnacht wünscht, nur zu, macht doch mal, statt über die zu lästern, die viel Arbeit reinstecken.
Ich steh nicht drauf und schaus mir deshalb nicht an und deshalb störts mich noch lang nicht, wenn es anderen gefällt. Geld verschwendet wird noch ganz anders und jeder hat eine andere Meinung darüber was wertvoll ist und was nicht. Das kann man genauso stehen lassen.
Wir haben voll Vorfreude erstmals die Fasnachtsendung aus dem Konzil am Fernseher eingeschaltet. Die freudige Erwartung kam aus den grossartigen Erfahrungen mit der sehr lustigen und anarchischen Strassenfasnacht hier in Konstanz oder z.B. demJakobiner-Gericht.
Wir haben uns als Konstanzer Bürger und auch das letzte Jahre in diesem matten Abklatsch rheinischer Sitzungen überhaupt nicht erkennen können. Wir erlebten allgemeinste Unverbindlichkeit ohne politische Elemente ausser den hudelnden Erwähnungen der lokalen und Landespolitiker.
Ich mag nun nicht wie Holger Reile mit journalistischen Kanonen auf die kleinen Spatzen von schwachem Humor und geringem Geschmack schiessen, aber eindrücklich waren die Zwischenbilder aus dem Saalpublikum : so viele bittere unzufriedene Mienen, die sich jeweils nur aufhellten, wenn sie bemerkten, dass die Kamera auf sie gerichtet war.
Es schien mir eine Veranstaltung mit wenig Freude und wenig Verbundenheit zwischen Bühne und Saal.
Ich werde auf jeden Fall diese Veranstaltung nie besuchen oder nur am Fernseher anschalten, wenn nicht Stadtpolitik, Kulturereignisse, Skandale und auch Landespolitik grosse Themen werden.
Es gab im Jahr 2015 wahrlich ausreichend viele merkwürdige Vorkommnisse, die hätten aufgegriffen werden müssen.
So wie am 1.2. finde ich diesen Abend peinlich, wünschte fast einen Senderausfall, weil ich denke, dass wir Konstanzer klarer, kritischer lebendiger und lustiger sind als in diesem unseren Ruf beschädigendem Produkt.
Henning Hülsmeier
Naja, grundsätzlich muss man da mal unterscheiden zwischen der Strassen- und der Saalfasnacht. Während es sich bei der Strassenfasnacht hierzulande um nationales Kulturgut handelt, das es nicht anzutasten gilt, ist die Saalfasnacht aus dem rheinischen importiertes Schauspiel. Und auch hier gibt es Unterschiede. Die Narrengesellschaft Emmishofen in Kreuzlingen zum Beispiel stellt Jahr für Jahr ein anspruchsvolles Bühnenprogramm auf die Beine, für Menschen, die sich dafür begeistern. Dafür werden aber keine TV-Gebühren eingesetzt. Für mich stellt sich die Frage: Lässt sich nicht auf eine stundenlange, personal- und technikintensive Live-Übertragung verzichten, zugunsten einer geschnittenen Aufzeichnung? Gewisse Längen im Programm wären dann auch weg und alles wäre etwas zeitgemässer, flotter und weniger selbstverliebter. Nur so ein Vorschlag.
Ich bin kein Anhänger der Fastnacht und ich kann mich auch nicht für sie begeistern lassen. Aber es würde mir dennoch im Traum nicht einfallen, diejenigen Menschen, die sich lange vorbereiten, andere zu unterhalten, derart niederzumachen.
Man muss kein Freund der „fünften Jahreszeit“ sein, aber es gebietet der Anstand, zunächst einmal Respekt für jede Leistung zu zeigen. Über Geschmack lässt sich glücklicherweise streiten, weshalb ich stets Probleme mit Formen von Kunstkritik habe, ist sie doch wie keine andere auf eine extreme subjektive Sicht angewiesen.
Nein, mir muss das nicht gefallen, was jedes Jahr aus Konstanz gesendet wird. Und ich habe ehrlicherweise eine ganz anderes Stilempfinden. Aber es ist gut, dass es viele Menschen gibt, denen gerade diese Fastnacht aus unserem Konzil Freude bereitet. Dafür strengen sich die Verantwortlichen an, das muss gewürdigt werden.
Inhaltliche Kritik, warum auch nicht. Verbesserungsvorschläge zum Ablauf oder zum Auftritt einzelner Künstler, auch das gern. Aber kein Verriss dieser Art und Weise, der Engagement ins Lächerliche zieht. Das hat die Konstanzer Fastnacht nicht verdient – und das ist auch nicht fair gegenüber jenen, die dafür monatelange proben und sich Gedanken machen.
Selbst für das schlechteste Bild gab es in der Schule keine Sechs. Denn Arbeit und jegliches Bemühen haben immer Wertschätzung verdient. Mag sein, dass „SeeMoZ“ das vertragen würde, so „geprügelt“ zu werden. Aber selbst Journalismus hat Grenzen, auch im Kommentieren. Ein bisschen mehr Feingefühl stünde deshalb sogar den hiesigen „Widerborstigen“ ab und zu ganz gut…
Eigentlich schade, wieviele humorlose Menschen es gibt…
Die Fernsehsendung war gut, verglichen mit manch anderer Fasnachts- oder Karnevalsübertragung sogar sehr gut – und einzelne Sätze aus dem Zusammenhang zu reißen war noch nie einem „Vorgang“ dienlich.
I freu mi uf d’Fasnet, wie Tausende andere au, Ho Narro!
Ekkehard Greis, Jakobiner-Präsident
Ist ja interessant, wieviel schlichte Gemüter inzwischen das Seemoz-Portal besuchen und mit ihren Kommentaren – wie hier exemplarisch zu lesen – ihr biederes Anspruchsniveau zum Ausdruck bringen. Aber was will man von eingefleischten Tusch-Putschisten auch anderes erwarten, als den alljährlich im Konzil verabreichten provinziellen Underground-Humor mit aller Macht zu verteidigen. Herr Reile, Sie sprechen mir aus der Seele!
Auf die Gefahr hin, vom Seemoz wieder als geistesschwach und drittklassig beschimpft zu werden:
Da ist jemand aber so mächtig böse geworden, dass man sich in der Tat fragen muss: Woher rührt so viel Hass und Giftgeifer auf harmlose Menschlein, die vielen anderen Menschlein, harmlosen und auch anderen natürlich, mit mehr oder weniger Perfektion ein wenig Spaß und Freude bereiten, auch wenn es dem Geschmack des Seemoz-Kritikers nicht entspricht, für den Humor nur legitimiert ist, wenn er die richtigen politischen Botschaften transportiert, nämlich die seinen. Es fehlt ja nicht viel, dass eine Schießerlaubnis auf Narren ausgesprochen wird, in den Augen des Seemoz-Kritikers sowieso eher nur Menschen im weitesten Sinn, deren IQ natürlich Welten unter dem des Seemoz-Kritikers, nur knapp oberhalb dem des Schimpansen liegt, wie in der Kritik deutlich herauszulesen ist.
Mein Gott, haben Sie eigentlich nichts Wichtigeres, über das Sie sich aufregen könnten? Ich gebe einmal eine kleine Hilfestellung: Zum Beispiel über Menschen, die mit aller Gewalt fordern, dass sich Landtagskandidaten mit Leuten an einen Tisch setzten sollen, die auf Flüchtlinge schießen möchten?
Und damit eine unappetitliche Wahlhilfe-Kampagne des Südkurier zugunsten der CDU unterstützen, ohne es zu merken.
Wie war das nochmal mit dem IQ?
Aber – der mit den Weisheitszähnen – der war übrigens schon gut!
Mit freundlichem Gruß und Narhalla-Marsch
Benno Bebbele
Ich nehme fest an, dass sich Herr Reile nun als kulturellen Gegenpol seiner üblen Konszilerfahrung kräftig für ein veritables Konzerthaus einsetzt. Oder kommen dann Beethoven, Ravel, Strawinsky und C0. bei ihm unter die Räder? Dann hätte ich eben noch Rammstein am ländlichen Southside im Angebot……
Sehr geehrter Herr Reile,
so löblich ich es aus kulturhistorischen Gründen finde, dass Sie sich für die Bewahrung alt-alemannischer Werte einsetzen („widerborstige und rebellische Traditionen“), so sehr muss ich doch bekritteln, dass Sie beim Fortschreiten in die weltumspannende und alles vereinfachende Zukunft offenbar nicht Schritt halten können.
Da bemäkeln Sie, indem Sie den Namen stadtbekannter Fortschrittsförderer unappetitliche Attribute anheften, dass der Frohsinn dieser – unserer – Gemeinde auf eine „Wahrnehmungsblockade … durch die Verabreichung synthetischer Substanzen“ zurückzuführen sei.
Ja, geht’s noch? fragt sich da der gesunde Dingens (ich komm‘ jetzt grad nicht drauf).
So geht es nämlich nicht!
Sie sollten sich an dem Herrn Spitzenkandidaten Guido Wolf ein unverblümtes Beispiel nehmen und brav und bescheiden in Ihrem Eckchen hocken und den übersprudelnden Frohsinn dieser traditionell gelächterreichen Tage so kommentieren wie es sich in Baden von je her geziemt: brav und sauber.
Die Tage von „widerborstig und rebellisch“ sind nämlich vorbei seit wir eine widerborstige und rebellische Regierung haben hier im Ländle.
Noch nicht gemerkt?
Ho Narro!