Ein „Flüchtlingsboot“ auf dem Bodensee?

CDU-Gemeinderatsfraktion und Oberbürgermeister Uli Burchardt in Konstanz veranstalten seit einiger Zeit eine Nebelkerzen-Medienkampagne gegen ein Swingerschiff. Die ist zwar vorerst gescheitert, aber sie lenkt dennoch von drängenderen Problemen ab – zudem gibt es zwielichtigere Veranstaltungen auf dem Bodensee

Sonst gibt er sich doch weltoffen und als Strahlemann, der Herr Burchardt. Dass er jetzt auf den  Prüderiezug seiner Parteifreunde aufspringt, der mit Moralvorstellungen aus dem frühen 20. Jahrhunderts aufwartet, ist im Kommunalwahlkampf schon irgendwie nachvollziehbar. So ist es doch Uli Burchardt, der sich mit dem Konziljubiläum am liebsten ein Denkmal setzt. Das ausschweifende Sexualleben kirchlicher Würdenträger im 15. Jahrhundert wird da sicherlich ein Thema. Jedenfalls dürfte, nach dem Weltbild der Christdemokraten, ein Edelpuff im Konzil einfacher und kostengünstiger zu realisieren sein als ein mittelalterliches Handwerksdorf. Von den Teilnehmer_innen könnte man obendrein noch Eintritt verlangen.

Geschäftstüchtig ist anders

Laut Stadtpressesprecher Walter Rügert gehe es nicht um „Toleranz und Prüderie“, sondern um die Frage, „ob die BSB Schiffe für Sexveranstaltungen verchartert“, da die BSB einen „touristischen Auftrag“ habe. An welcher Stelle ein solches „Swinger-Schiff“ dem touristischen Auftrag nicht gerecht wird, ist schwer zu erkennen. Einige Leute haben eben Spaß daran, ein wenig aus dem grauen Alltag auszubrechen, und zahlen Geld dafür, das mit Gleichgesinnten zu erleben. Dass Menschen genau deswegen kommen, ist ja wohl auch eine Form touristischen Auftrags. Wer das nicht als win-win-Situation begreift, hat die eigene Marktwirtschaft nicht verstanden, die er doch sonst so gerne verteidigt.

Und der Protestbrief des CDU-Stadtrats Roger Tscheulin sagt es wiederum sehr deutlich: „Heute Swinger-Event, morgen Familienausflug zur Mainau […] Das geht nicht zusammen.“ Es geht um Prüderie. Es geht um die Angst, dass das heile-Welt-Bild der Union angekratzt werden könnte, weil es parallel dazu Menschen gibt, die eben etwas anderes ausleben wollen, als das, was die Union als erstrebenswert predigt.

Schiffe, die wirklich nicht in See stechen sollten

Wenn es die Union denn ernst meinen würde, hätte sie vielmehr auf ein anderes Event ein Auge gelegt: Am 18.04. sticht zum Karfreitag ein sogenanntes „Flüchtlingsboot“ in See, welches zu horrenden Ticketpreisen über die Schweizer Grenze fährt, um das Tanzverbot auf der Deutschen Seite des Bodensees zu umgehen. Nicht, dass jemand das Tanzverbot gut findet, jedoch ist eine solche Namensgebung vor dem Hintergrund, welches Leid Geflüchtete ertragen müssen und dass tausende Menschen auf solchen Schiffen jedes Jahr im Mittelmeer umkommen, schier geschmacklos – ganz zu schweigen von der abgrundtief sexistischen Werbung auf der Facebookseite des Events.

Wo ist also der Aufschrei, wenn es darum geht, dass der Disco-Betreiber TOP10 hier auf Kosten des Leids von Menschen und anhand eines zurückgebliebenen Frauenbildes sich bereichert? Die Stadt hätte hier die Möglichkeit, solche Dinge zu unterbinden, indem sie eine Party mit einem solchen Namen einfach nicht von ihrem Hafen ausgehen lässt. Sich darauf zurückziehen, dass dies die Veranstaltung eines privaten Unternehmens sei, darf nicht gelten. Schließlich darf ein Unternehmen auch nicht einfach jedes Produkt verkaufen, das ihm einfällt. Andernfalls lässt es tatsächlich nur den Schluss zu, dass es der CDU-Fraktion und OB Burchardt lediglich um mediale Aufmerksamkeit und Panikmache geht. Sozialpolitik scheint jedenfalls gerade kaum in ihrem Kompetenzbereich zu liegen.

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Autor: Ryk Fechner