Es geht nicht um Politik. Es geht um Pöstchen
Pardon, das ist schlicht schäbig. Das Wechselspiel im Konstanzer Gemeinderat ist nur noch unappetitlich. Denn ganz offensichtlich geht es den WendehälsInnen nicht um politische Inhalte, sondern nur um lukrative Posten. Für die sie, meist bar jeder Qualifikation, noch Tantiemen einstreichen. Und daneben geht es noch um Eitelkeiten und Empfindlichkeiten
So war es bei Klaus-Peter Kossmehl, der zu Beginn der Legislaturperiode im Mai 2014 sein Mandat von der CDU- zur FW-Fraktion schleppte und dort genauso konservativ abstimmt wie bei den Christdemokraten. Es ging ihm ja auch gar nicht um politische Inhalte – es ging ihm um sein Pöstchen im Aufsichtsrat der Sparkasse, das ihm die CDU-Oberen entzog. Dabei kümmert den betuchten Firmenbesitzer nicht einmal das Salär – eher wohl Ehre und Ansehen.
Auch bei Gabrielle Weiner, die gestern die Freien Wähler verließ und wohl zur JFK-Fraktion wechseln wird, geht es weniger um Überzeugungen. Sie fürchtet offensichtlich zu Recht um ihr Aufsichtsratsmandat bei den Stadtwerken – ihre neue, politische Heimat findet sie beim unversehens gealterten Jungen Forum Konstanz (JFK), das über die konservative Verstärkung vernehmlich frohlockt und neue Pöstchen noch zu vergeben hat. Und wahrscheinlich wird sie in der gar nicht so jungen Riege jene Rolle spielen können, die ihr die FWK-Herren nicht mehr zugestehen mochten – die der Stimmenkönigin.
Warum, fragt sich aber, gieren die Konstanzer GemeinderätInnen derart nach gar nicht mal so lukrativen Nebenjobs? Ums Geld allein kann es nicht gehen, um Macht und Ansehen schon eher. Man ist halt wer als Bei- oder Aufsichtsrat. Nur was, mit Verlaub, qualifiziert den Fliesenlegermeister Kossmehl zur Aufsicht über ein Finanzinstitut, was die medizinisch-technische Assistentin Weiner zur Aufsicht über ein Energieunternehmen? Sie kommen an diese Jobs nur qua Gemeinderats-Mandat – von beruflicher Qualifikation ist da keine Rede.
Vielleicht sollte man bei der längst überfälligen Neuordnung der Aufwandsentschädigungen für kommunale Mandatsträger auch solche Ämterhäufungen untersuchen und manche Posten wirklich Fachleuten überlassen. Das täte den Aufsichtsräten, aber auch der politischen Hygiene im Gemeinderat gut.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal] Autor: hpk
Einspruch! Was Anke Schwede vermutlich meint, ist das ,was man in der Agenda linker Kommunalpolitik: Realisierung örtlicher Problemlösungs-Kompetenz nennt. Heißt: die Oma aus Petershausen weiß eine ganze Menge über den ÖPNV oder Mieten
und der Förster vom Tägermoos über Baume. Kontakt zum Bürger und Kunden ist ein Wettbewerbsvorteil und Synergie-Effekt für Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand gegenüber privaten Anbietern, die nicht über die gleiche Bürgernähe verfügen.
Öffentlicher Diskurs (seemoz!) ,Offenlegung kommunalpolitischer Ziele und Strategien, kurze Kommunikationswege schaffen Vertrauen. Der Bürger ist strategischer Partner für Rathaus und Stadtwerke.
Erreichbare Ziele: Verbesserung der Daseinsvorsorge und der lokalen Wertschöpfung, Verbesserung der Einnahmen, Arbeitsplätze vor Ort, Qualitätswettbewerb statt Preiswettbewerb, örtliche Problemlösungs-Kompetenz .
Man könnte auch nachdenken über eine Beteiligung der Bürger an der Eigentumsstruktur von Stadtwerken: Bürgerfonds, Genossenschafts-Anteile usw. da ist noch viel drin.
Kommunal-Politik in öffentlicher Hand – politisch gestalten!
„Wirtschaftsexperten – was blöderes gibt es in keinem Tierpark“ (Volker Pispers). Da hat der Kabarettest Pispers m.E. vollkommen recht, höchstens noch übertroffen von sogenannten „Rechtsexperten“. Was jedem halbwegs denkfähigem Menschen vollkommen klar ist – z.B. das absehbare Verkehrschaos in Konstanz durch immer mehr Individualverkehr in der Innenstadt – wird durch „Verkehrsexperten“ in einem Gutachten wegexpertiert. Na ja, Prognosen sind halt schwierig, besonders wenn die die Zukunft betreffen, hat mal einer gesagt. Von wegen der „Komplexität“ und so… „Komplexität“ ist überhaupt eines der beliebtesten Totschlagargumente der sogenannten Experten und ihrer Unterstützer (oder Auftragsgeber). Ein Blick auf die jeweiligen Interessen und deren Verfilzung („Klüngel“) würde mehr aufhellen als alle „Expertengutachten“ zusammen. Das gute alte Klassenbewußtsein also – aber das ist ja eine veraltete Idee aus dem 19. Jahrhundert und hat nix zu suchen in der Postmoderne, da sind sich alle „Experten“ völlig einig…
Einspruch, Frau Schwede. Zwar klingt das Motto „Mehr Demokratie wagen“ auf den ersten Blick sehr gut, doch ist die Komplexität gesellschaftlicher und gesellschaftsrechtlicher Strukturen auch bei von Kommunen wie Konstanz oder Singen oder dem Landkreis Konstanz ausgegliederten Gesellschaften sehr tiefgreifend und Entscheidungen in diesen Bereichen können nicht der Allgemeinheit überlassen werden. Nehmen Sie z.B. die derzeitigen Themen „GVV Singen“ oder „Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz“ oder auch das im obigen Artikel im Zusammenhang mit Frau Weiner angesprochene Thema „Stadtwerke Konstanz“. Lesen Sie sich einmal durch, was Aufsichtsräte dieser ausgegliederten GmbHs für Pflichten, Rechte und Verantwortlichkeiten haben, wozu es viele Veröffentlichungen gibt, teils bis zu 100 Seiten dicke Schmöker; das hierbei auftretende Grundproblem ist leider oft, dass die Aufsichtsräte sich mit diesen Vorschriften nicht gerne befassen, insbesondere nicht mit den Pflichten und Verantwortlichkeiten, welche auf sie zukommen könn(t)en. Nehmen Sie z.B. die „Stadtwerke Konstanz“ und sehen Sie sich auf deren Internetauftritt an, an wie vielen Unternehmen in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften die Stadtwerke beteiligt sind.
Schauen Sie sich den mehr als 200-seitigen Beteiligungsbericht der Stadt Konstanz an und dort – zum Thema Frau Weiner und Stadtwerke passend – z.B. den Konzernabschluss 2012 mit Umsätzen von um die 160 Millionen Euro. Diese Leute (Aufsichtsräte und Mitglieder der Gesellschafterversammlung) sind, insbesondere wenn sie in mehreren AR oder Gesellschafterversammlungen sitzen, schlichtweg überfordert, da sie neben tiefgreifenden kommunalen/kommunalrechtlichen Kenntnissen auch betriebswirtschaftliche und gesellschaftsrechtliche Kenntnisse haben müssten, was im Einzelfall wohl vorkommen kann, aber im Großen und Ganzen sicher nirgends der Fall ist. Das kann aber nicht heißen, dass man jetzt Entscheidungsbefugnisse zu und bei diesen Unternehmen auf die Ebene der Bürgerschaft verlegt. Das kann nicht funktionieren.
Dies ist leider einer der schwächsten Artikel, die ich jemals bei Seemoz gelesen habe.
Ich finde es schlicht unredlich, Frau Weiner als Motiv zu unterstellen, wegen ihres Aufsichtsratsmandats die Fraktion zu wechseln. Ich sehe in diesem Artikel auch überhaupt keine stichhaltige Begründung dafür, schließlich wird im selben Atemzug festgestellt, dass es mit nicht viel Geld verbunden ist. Da finde ich die offensichtliche Begründung, die man ja in der Presse nachlesen konnte, dass Frau Weiners Ziele mit denen der FW schlicht nicht mehr zusammenpassen, weitaus überzeugender. Wer nämlich das Engagement von Frau Weiner für Jugendliche und Flüchtlinge, welches ich überaus begrüße, betrachtet, kann dabei leicht feststellen, dass wohl einige ihrer Positionen nicht mit der Mehrheitsmeinung der FW übereinstimmen.
Des Weiteren kann ich Anke Schwede nur zustimmen, dass ich die hier geforderte Expertokratie für überhaupt keinen Gewinn halte und es äußerst befremdlich finde, dass ausgerechnet ein Linkspolitiker dies fordert. Ich bin froh, dass so bodenständige und sinnvolle Berufsgruppen wie Bodenlegermeister und MTAs im Gemeinderat vertreten sind – Oder sollen ab sofort nur noch Juristen, Finanzwirte und BWLer in den Aufsichtsrat der Stadtwerke entsandt werden? Das kann doch nicht ernsthaft eine linke Forderung sein.
Einspruch. Werter HP, zwischen den Zeilen lese ich im unteren Teil deines Textes den Begriff „Expertokratie“ heraus. Sollen tatsächlich nur Personen, die über einen vermuteten oder tatsächlichen Sachverstand verfügen, in demokratischen Gremien Entscheidungen treffen dürfen? Und wer soll das sein: JuristInnen, Verwaltungsfachleute, Gewerkschaftsfunktionäre, Politikberater oder ManagerInnen? Nicht zu leugnen jedenfalls ist eine schleichende „Expertokratisierung“ der Gesellschaft und eine damit einhergehende Auslagerung politischer Entscheidungen in Sachverständigengremien und nichtöffentliche Zirkel. Im Gemeinderat wird mehr und mehr externer „Sachverstand“ für viel Geld eingekauft, wie in diesem Medium zu Recht des Öfteren dargelegt und kritisiert wurde. Ob diese Entwicklung die Ratsentscheidungen besser, demokratischer machte und macht, wage ich zu bezweifeln.
Im Gegenteil, ich schätze nach wie vor die Losung der frühen 70er Jahre „Mehr Demokratie wagen“, also echte Mitsprache- und Beteiligungsrechte für die BürgerInnen einzufordern und umzusetzen. Sind gesellschaftliche Entwicklungen zunehmend zu kompliziert, zu schwierig für die Demokratie? Ich meine nein, zumindest sehe ich keine Alternative. Nicht zuletzt sollten die totalitären Erfahrungen des 20. Jahrhunderts ein starkes Argument für Demokratie und gegen die Herrschaft der Technokraten sein.
Fachleute, sogenannte „Experten“ sollen es also richten? Mir scheint, das ist gelinde gesagt nicht der richtige Weg. Kommt es bei der Gestaltung z.B. der Nahverkehrstarife etwa hauptsächlich auf „Kosteneffizienz“ an oder hat das auch etwas mit sozialer Teilhabe für „sozial Schwache“ zu tun? Was bitte hat soziale Kompetenz damit zu tun, ob jemand Fliesenlegermeister oder medizinisch-technische Assistentin ist? Es mag durchaus sein, dass die genannten Personen sich bei der Ausübung ihrer Mandate nicht durch soziales Engagement ausgezeichnet haben, dann sollte man das benennen. Das würde ich dann „Qualitätsjournalismus“ nennen und nicht das Bedienen billiger sozialer Vorurteile gegen „Laien“ und „Minderqualifizierte“. So, das wollte ich mal gesagt haben, lieber gelernter Journalist hpk, dessen Artikel ich ansonsten durchaus zu schätzen weis!
Eine Forderung, die ich nur unterstreichen kann. Das selbe gilt für mich auch für die gemeinderätlichen Ausschüsse.