Habe die Ehre
Heute entscheidet der Konstanzer Gemeinderat darüber, ob RätInnen mit Kindern für deren Betreuung einen Zuschuss von 10 Euro pro Stunde erhalten sollen, wenn sie teilweise bis in die späte Nacht kommunalpolitische Gremienarbeit leisten. Eine längst fällige Erleichterung für manche MandatsträgerInnen, um die vielen Sitzungstermine überhaupt wahrnehmen zu können. Denn deren zeitlicher Umfang wächst ständig und hat eigentlich nichts mehr mit einem klassischen Ehrenamt zu tun
Schon im Haupt- und Finanzausschuss wurde darüber diskutiert und eine Mehrheit hat sich für diese Neuerung ausgesprochen. Widerspruch gab es von konservativer Seite und da vor allem von CDU und Freien Wählern. Mit der Bezuschussung für Kinderbetreuung, so die Kritiker, würde man in der Öffentlichkeit den Eindruck der „einseitigen Bevorzugung“ erwecken. Das ist, gelinde gesagt, Unfug.
Machen wir uns nichts vor: Das Gemeinderatsmandat kommt einem Halbtagsjob gleich und die monatliche Entschädigung von 370 Euro, bis vor wenigen Monaten waren es noch 300 Euro, ist bestenfalls Nasenwasser. Wer das Amt ernstnimmt, und das tun fast alle, muss monatlich mit 40 bis 60 Arbeitsstunden rechnen: Ausschusssitzungen, Gesamtgemeinderat, Ortstermine, Besprechungen in der Fraktion oder Gruppe, Informationsveranstaltungen aller Art, dazu zeitraubende Vorabrecherche bei umstrittenen oder schwer zu durchschauenden Themen – es reicht, die Schmerzgrenze ist überschritten. Völlig absurd, wenn nun die in Frage kommenden RätInnen – und es sind nur wenige – die Kosten für anfallende Kinderbetreuung weiterhin aus eigener Tasche bezahlen müssen.
Kein Wunder, dass schon allein aus diesen Gründen viele an der Kommunalpolitik Interessierte abwinken, wenn man sie beispielsweise bittet, für die Wahlen auf einem aussichtsreichen Platz zu kandidieren. Denn die meisten können sich die Amtsausübung weder zeitlich noch finanziell leisten. Das wiederum hat in der Vergangenheit mit dazu geführt, dass der Rat keineswegs einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung darstellt und zum Teil RätInnen seit Jahrzehnten das Sagen haben, die weit weg sind von den Sorgen und Nöten der Normalbevölkerung.
Der Hinweis, das Mandat sei schließlich mit Ehre verbunden und somit verbiete sich die Forderung nach einer halbwegs akzeptablen Honorierung, greift nicht. Es ist ein verstaubtes Totschlagargument, das in die Mottenkiste gehört. Die Anforderungen an die gewählten VolksvertreterInnen sind mittlerweile derart gestiegen, dass die finanzielle Ausstattung auf völlig neue Füße gestellt werden muss. Das heißt nicht, dass ein kommunalpolitisches Amt automatisch zu Wohlstand führt, aber ein Sockelbetrag von etwa 700 Euro wäre durchaus angemessen.
Dazu müssten Schulungen und Weiterbildungen angeboten werden, denn die Ratsmitglieder tragen große Verantwortung, werden ständig mit neuen Entwicklungen konfrontiert und stimmen über Investitionen im zwei- oder gar dreistelligen Millionenbereich ab. Auch wenn Altvordere ständig vor einer Professionalisierung warnen: Sie hat längst stattgefunden. Die Bezuschussung für Kinderbetreuung ist ein kleiner und zaghafter Schritt in die richtige Richtung. Weitere müssen folgen, um dem Amt und seiner Bedeutung halbwegs gerecht zu werden.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: H.Reile