Hartz fünf

Verfassungsgerichtsurteil? Kümmert nicht. Sozialabbau – wen interessiert das? Politik wie Medien behandelten den Streit um Verbesserungen für Hartz-IV-Betroffene wie eine Personality-Story: Zwei blondierte Ministerinnen stritten um fünf Euro mehr. Dabei wurde aus Hartz IV per Verordnung längst Hartz V (in Worten: fünf). Nur  Betroffene merken das – schmerzlich allerdings.

Heimlich, still und leise ist aus Hartz IV längst Hartz V geworden. Während unter Mediengetöse über lächerliche fünf Euro mehr für die Grundsicherung gestritten wurde, sind in Bezug auf die Einkommensanrechnung, die Gewährung von Darlehen, die Aufrechnung von behördlichen Ansprüchen und die Sanktionen, die Grundsicherungsbeziehern drohen, längst Verschlechterungen verordnet worden. Ohne Übertreibung kann man von Hartz V sprechen – so schwerwiegend wirken die unter Ausschluss der Öffentlichkeit verfügten Zwangsmaßnahmen für Hartz-IV-Empfänger.

Anlass für die verordneten Hartz-IV-Änderungen war eigentlich ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das vor allem Verbesserungen bei der Kinderversorgung einforderte. Davon jedoch ist kaum etwas in der Neureglung zu finden. Ein Urteil des obersten Gerichts in Deutschland wird schlichtweg ignoriert – und wen kümmert das?  Nicht einmal die Richter, die bei solcher Missachtung ihres Urteils protestieren sollten. Der Sozialabbau per Verordnung regt selbst die Sozialpolitiker bürgerlicher Parteien nicht mehr auf.

Der verheimlichte Skandal geht weiter: Denn zusätzlich verschlechtern dürfte sich die Lebenssituation der Hartz-Empfänger durch die Streichung des Zuschlags, den es beim Übergang  vom Bezug des Arbeitslosengelds zum Bezug des Arbeitslosengelds II bisher gab, durch die drastische Kürzung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik, durch den Wegfall der Beitragszahlungen der Bundesagentur für Arbeit  für die gesetzliche Rentenkasse (Ausgrenzung der Langzeitarbeitslosen aus der gesetzlichen Rentenversicherung) und durch die Anrechnung des Elterngeldes auf die Transferleistung.

Pure Heuchelei, wenn die 2007 als Familienministerin für die Einführung des Elterngeldes zuständige und heute als Sozialministerin für dessen Anrechnung auf die Transferleistungen verantwortliche Ursula von der Leyen bei jeder sich bietenden Gelegenheit beteuert, ihr liege die Bekämpfung der Kinderarmut besonders am Herzen – eine „Mutter der Nation“ hatten wir schon mal..

Derweil sprießen Tafelläden für kostengünstige Lebensmittel, Sozialkaufhäuser und Kleiderkammern wie Pilze aus dem Boden. Der Sozialstaat geht – und wer kümmert sich?

Autor: Hans-Peter Koch