Hergehört, Jungunionisten
Ich wusste gar nicht, dass es Euch noch gibt. Ich dachte, man hätte Euch wegen anhaltender Perspektivlosigkeit flächendeckend entsorgt. Nun wollt Ihr eine Entschuldigung von der Linken Liste, weil wir Flugblätter vor einer Schule verteilt haben. Meint Ihr das ernst?
Ich nehme mal nicht an, dass beim Abfassen Eurer ziemlich holprigen Pressemitteilung vermehrt Alkohol im Spiel war. Ihr hattet einfach Lust, mal wieder ein Bäuerchen zu machen. Immerhin ein Lebenszeichen. Was hat Euch nun aufgeregt?
Vor dem Ellenrieder-Gymnasium in Konstanz wurden Flugblätter verteilt, auf denen darauf hingewiesen wurde, dass der Rektor dieser Schule über die Köpfe der Schüler, Lehrer und Eltern hinweg einen Kooperationsvertrag mit der Rüstungsfirma EADS abgeschlossen hat. Zudem wurden die Schüler von uns darüber informiert, dass EADS mit todbringenden Waffen Milliardengeschäfte macht und auch nicht davor zurück schreckt, mit Menschenschindern wie den Saudis schamlos zu kooperieren (s. seemoz v. 21.10.). Aber das ist in der Partei, die sich für christlich hält, wohl kein Thema. War nicht gerade Euer Stefan Mappus in Saudi-Arabien, um mit dort ansässigen Ausbeutern profitable Geschäfte abzuschließen? Oder habe ich da mal wieder nur Bahnhof verstanden?
In Eurer drolligen Pressemitteilung habt Ihr die Flugblattaktion „scharf“ kritisiert und behauptet, wir hätten „die Grenzen des demokratischen Handelns verlassen und damit gegen die bestehenden Gesetze verstoßen“. Ich dachte immer, bei Euch tummeln sich überwiegend angehende Juristen. Zumindest denen hätte auffallen können, dass von Gesetzesbruch keine Rede sein kann, sondern lediglich eine Verwaltungsvorschrift für 20 Minuten außer Kraft gesetzt wurde. Dafür soll ich mich entschuldigen? Bei wem eigentlich? Gibt es ernstzunehmende Vorschläge? Mit Vergnügen habe ich allerdings gelesen, dass ihr Schüler „vor möglicher extremer Propaganda“ schützen wollt, die ihnen womöglich das Hirn verkleben könnte. Ihr denkt also doch an Auflösung?
Ein Tipp meinerseits: Den Kirchen laufen seit einiger Zeit die Ministranten davon, aus welchen Gründen auch immer. Wollt Ihr Euch da nicht einklinken und die Lücke schließen beim Kampf um den Erhalt des christlichen Abendlandes?
Apropos Entschuldigung. Ich kann mich noch vage daran erinnern, dass Euer Verband mit einem gewissen Herrn Mißfelder einen echten Sympathieträger an der Spitze hat. War das nicht der, der vor einigen Jahren erklärte: „Ich halte nichts davon, wenn 85-jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen“. Habt Ihr deswegen schon mal an Entschuldigung gedacht? Vor etwa einem Jahr hat Mißfelder die damalige Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes für Kinder als „Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie“ gegeißelt. Dafür gab es tosenden Applaus von ganz weit rechts. Gratulation.
Wenn ich mich nicht täusche, gehört Ihr mit Eurem Dachverband auch zu den Kriegstreibern, die am Hindukusch deutsche Soldaten zum Abschuss frei geben und vor frischen Särgen heuchlerische Krokodilstränen vergießen. Da könnte man sich, wenn man noch einen Restfunken Charakter hat, durchaus entschuldigen.
Ihr seht, irgendwie kommen wir da nicht zusammen. Ihr werdet es verkraften und ich auch. Ein Vorschlag dennoch in Güte: Wenn Ihr Eure Sinne wieder auf der Reihe habt und Eure Zahnspangen frisch justiert sind, dann verabreden wir uns auf eine Apfelschorle und palavern über noch ausstehende Entschuldigungen aus Eurer Ecke. Reicht doch schon mal Euren Jahresurlaub ein.
Darum bittet der fröhliche Gesetzesbrecher und LLK-Stadtrat
Holger Reile