Hochsommerlicher Theaterdonner
Letzte Woche hat das Konstanzer Stadttheater zum sechsten und wohl auch letzten Mal seine Zeitung „Trojaner“ herausgegeben. Ein Abgang mit Pauken und Trompeten, denn die Verwaltungsspitze ist mit einigen Inhalten der aktuellen Ausgabe überhaupt nicht einverstanden. Dem krawalligen Vorspiel wird sicher ein ebensolches Nachspiel folgen. Ausgang ungewiss.
Was ist denn passiert? Eigentlich nicht viel, aber wohl genug, um einige empfindsame Bedenkenträger mit geschwollener Halsader auf die Barrikaden zu treiben. Vor allem der Text von Michael Menz „Empört Euch“, in dem sich der Autor unter anderem die Konstanzer Kommunalpolitik und deren Protagonisten zur Brust nimmt, ließ manch‘ Gefühl in Wallung bringen. Menz beklagt den „Verlust demokratischer Selbstverständlichkeiten in der Konstanzer Politik“ und konstatiert: „Kritik am Handeln der Verwaltung gilt als Majestätsbeleidigung und wer ausschert aus dem Kreis der Konformisten, wird auf subtile Weise an anderen Vorhaben der Stadt nicht beteiligt“. Dass Politik an „Leidenschaft verloren“ habe und „unerotisch“ geworden sei, könne man laut Menz seit geraumer Zeit auch in Konstanz beobachten: „Alle drei gewählten Bürgermeister fallen dadurch auf, dass sie wenig Profil bilden, dass sie ausschließlich eine Form der Repräsentationskultur bedienen“.
Das lasen die derart Gerüffelten natürlich nicht gerne, das nagt am Selbstwertgefühl. Und so dauerte es nicht lange, bis Bürgermeister Andreas Osner, der auch für die Kultur zuständig ist, kurz vor seinem Urlaub von spontanem Schreibzwang befallen wurde und wiederum seine „Empörung“ über Menzens Text formulierte. Nur nahm er sich nicht den Autor vor, sondern arbeitete sich am Theaterintendanten Christoph Nix ab, der presserechtlich verantwortlich ist für den Inhalt des Trojaners. Osners ausführliche und öffentliche Klage ging am 31.7. an alle GemeinderätInnen und die Verwaltungsspitze. In dem Leitartikel, so der Bürgermeister mit SPD-Parteibuch, würden allerlei Unwahrheiten behauptet, außerdem beschädige der Text das Ansehen vor allem der Verwaltungsspitze. Ob er, Nix, es als Angestellter der Stadt verantworten könne, so mit seinem Arbeitgeber umzugehen? Von Vertrauensbruch ist die Rede, der wohl kaum mehr zu kitten sei, von Unkollegialität und anderen Dingen mehr.
Wir würden gerne ausführlicher und konkreter aus Osners Empörungsmail zitieren, aber bereits am 1.8., also einen Tag nach seinem breit gestreuten Lamento, ging eine zweite, kurze Mail an alle RätInnen, in der er darauf hinwies, seine Brandmail an Nix „vertraulich“ zu behandeln. Reichlich spät kam diese Verordnung, denn zu diesem Zeitpunkt war Osners Intendantenschelte schon breit gestreut, auch weit über die Stadtgrenzen hinaus. Den Startschuss zu einer öffentlichen Debatte aber hatte der Bürgermeister selbst abgegeben, indem er in seiner ersten Mail den Adressaten mitteilte: „Ich leite Ihnen diese Information im Sinne der Transparenz weiter, da der Vorgang bei den Medien – siehe heutiger Kommentar im Südkurier – bereits präsent ist und ich von vornherein einen falschen Eindruck vermeiden möchte“. Die örtliche Tageszeitung hatte den Vorfall umgehend aufgegriffen und die zentrale Frage gestellt: „Theaterintendant Christoph Nix (..) zeichnet für den Inhalt verantwortlich. Diese Zeitung ist an seinem Haus, einer städtischen Einrichtung, finanziert mit städtischem Geld und mit dem Bürgermeister als oberster Theaterwächter, entstanden. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing?“
Will heißen: Hat sich Nix als presserechtlich Verantwortlicher für den Trojaner illoyal gegenüber seinem Arbeitgeber verhalten und muss der umtriebige Theaterchef nun mit persönlichen Konsequenzen rechnen? Wenn ja, und da werden wohl schon Juristen mit den Hufen scharren, würde das bedeuten: Kritik, unter anderem an der Stadtverwaltung und ihren Repräsentanten, habe in einer von der Kommune finanziertem Presseorgan nichts zu suchen. Ein heikler Vorgang, gerade jetzt, wo bundesweit aus aktuellem Anlass über Meinungs- und Pressefreiheit und staatlich verordnete Maulkorberlasse diskutiert wird. Dazu hätten wir sowohl Nix als auch Osner gerne befragt. Doch beide befinden sich die kommenden Wochen in Urlaub. Ob der mittlerweile laut pfeifende Kessel hält, bis die Hauptakteure wieder im Lande sind, darf getrost bezweifelt werden.
H. Reile
Mehr zum Thema:
11.12.2014 | Eine neue Zeitung für Konstanz
Wer den aktuellen Trojaner noch nicht gelesen hat, hier ist er: Trojaner #6
Hut ab vor allen „Kommentatoren“! Dazu gibt´s nix mehr zu sagen, außer: die aufgeregten Reaktionen aus Verwaltung und die Kommentare im SK bestätigen letzendlich das im Trojaner Geschriebene. Empört euch, bevor es zu spät ist!
Nix wird diesen schwül-sommerlichen Sturm im Bodenseewasserglas leichter überstehen, als Nix. Denn ohne Nix ist das Konstanzer Theater – nix! Früher wurde Nix vom Südkurier geradezu hofiert, irgendwann ist das dann aber mal gekippt. Tja, schade eigentlich, wenn andere Politik und Stimmung machen, als die, die es eigentlich sollten…
Zensur ist immer ein Zeichen von Schwäche. Schon der Versuch ist verräterisch.
Welche Mücke hat die Elefanten gestochen?
Ein Redakteur vom Südkurier schlägt sich schneller als der Wind mit einem staatstragenden Kommentar auf die Seite der Obrigkeit, maßregelt seine Kollegen von der Theaterzeitung, weil sie nicht das Lied dessen singen, dessen Brot sie essen?
Wessen Brot ist das eigentlich? Herr Zieger, ich wusste noch gar nicht, dass das Stadttheater den Bürgermeistern gehört. Ich dachte, wir bezahlen das wertvolle und unterhaltsame Schmuckstück aus den Steuergeldern aller Konstanzer. Zu denen auch ich gehöre. Und ich lese gerne solche nachdenklich forschenden und fragenden Artikel. Und was da drin steht, wird täglich auf dem Wochenmarkt hundert Mal genauso besprochen, wenn auch mit anderen Worten. Im „Trojaner“ dürfen also in Konstanz keine kritischen Thesen eingeschleust und die Fähigkeiten der Bürgermeister nicht in Frage gestellt werden?
Zur Erinnerung an die Aktivitäten zweier Konstanzer Bürgermeister einige kleine Fragen:
Warum bekommt eine Bürgerinitiative gegen den Kahlschlag am Seerhein während fünf Monaten 6000 Unterschriften aber keinen der zwei betroffenen Bürgermeister ans Telefon? Warum will man eine dringend gebrauchte Fahrradbrücke sperren, ohne Ersatz anzubieten? Warum wird das Centrotherm ein finanzieller Dauerbrenner und kein Konzerthaus, wie versprochen? Warum wird ein Gebäude in Litzelstetten nach Absprachen mit der „Bürgerbeteiligung“ plötzlich einige Stockwerke höher präsentiert als mit den Bürgern vereinbart wurde? Warum hat man die Wollmatinger nicht früh in die Planung einer so lang anhaltenden Durchfahrtssperre einbezogen und verhandelt auch nicht mit der aktiven Bürgergemeinschaft Petershausen über deren Wunsch, die Freifläche als Ensemble mit Herosé zu erhalten, anstatt wie geplant dort ein großes Hotel hinzusetzen?
Dass man über solche Erfahrungen nicht mehr als philosophisch -politisch interessierter Mensch und Redakteur einer sehr anspruchsvoll gestalteten Theaterzeitung öffentlich nachdenken darf, ohne dass ein Bürgermeister mit Sanktionen droht, zeigt nur, dass genau das stimmt, was dort kritisch angemerkt wurde: Es fehlt an Souveränität und an der Freude, sich mit unbequemen Bürgerfragen engagiert auseinanderzusetzen und den Dialog mit Andersdenkenden zu suchen.
Und dass ein Redakteur des Südkurier dann noch die Moralkeule schwingt und dabei das schöne Sprichwort, das er zitiert, völlig falsch versteht, („Wes Brot ich ess`, des Lied ich sing`“ meint ja, dass man gerade das nicht tun soll!) ist eigentlich nur peinlich oder, wie die Franzosen sagen würden, „un peu ridicule“.